Schwierige Diagnose bei seltener Krankheit

Lokalzeit aus Dortmund 11.04.2024 04:00 Min. Verfügbar bis 11.04.2026 WDR Von Daniel Schmitz

Seltene Krankheit: Woran leidet Sandra Clöer aus Unna?

Stand: 11.04.2024, 14:49 Uhr

Seit mittlerweile sieben Jahren versucht Sandra Clöer herauszufinden, an welcher Krankheit sie leidet. Sie verzweifelt zunehmend an Ärzten, Behörden und Rentenversicherung.

Von Daniel Schmitz

Normalerweise läuft es so: Wenn wir krank sind, gehen wir zum Arzt. Der stellt eine Diagnose, schlägt eine Behandlung vor - und dann geht es uns früher oder später wieder gut. Aber was, wenn wir einfach niemanden finden, der uns helfen kann?

Vor dieser Frage steht Sandra Clöer aus Unna. Seit sieben Jahren ist sie krank und kann nicht mehr arbeiten gehen. Seit zwei Jahren sitzt sie im Rollstuhl. Mehr als 30 verschiedene Diagnosen hat sie schon gestellt bekommen.

Sandra Clöer sitzt im Wartezimmer des CBT Bonn

Sandra Clöer ist 43 Jahre alt und lebt mit ihrer Tochter in Unna.

Oft hat sie von Ärzten gehört, sie würde sich alles nur einbilden. Die Hoffnung, irgendwann doch noch eine Antwort zu finden, hat Sandra Clöer trotzdem nicht aufgegeben.

Luftnot, Migräne und Allergieschocks

Hoffnung macht ihr auch ein Termin in Bonn, zu dem wir sie begleiten dürfen. Im Centrum für Blutgerinnungsstörungen und Transfusionsmedizin soll eine Ärztin prüfen, ob Sandra Clöer am Mastzellaktivierungssyndrom leidet.

Eine Erkrankung, bei der überaktive Mastzellen, die eigentlich Krankheitserreger abwehren sollen, Beschwerden in allen Körperregionen verursachen können.

Fast alle Symptome der Erkrankung kennt auch Sandra Clöer. "Ich leide unter Luftnot, Dauermigräne, Ganzkörperschmerzen", erzählt sie der Ärztin. "Oft kippe ich auch einfach um. Was man halt darunter versteht, dass es einem wirklich nicht gut geht." Hinzu kommt, dass Sandra Clöer auf die verschiedensten Dinge allergisch reagiert, zum Beispiel auf Wärme oder bestimmte Düfte.

Lange Wartezeiten wegen hoher Nachfrage

Geschichten wie die von Sandra Clöer hört Aline García Bardon jede Woche. Sie ist stellvertretende ärztliche Direktorin am CBT, das die Diagnostik nur am Standort in Bonn anbietet. Auf Termine müssen Patienten wegen der hohen Nachfrage monatelang warten.

"Das Problem ist, dass die Patienten erst mal zu Fachärzten gehen, mit Magen-Darm-Problemen zum Beispiel zum Gastroentrologen. Das ist auch in Ordnung so", erklärt Aline García Bardon.

Aline García Bardon, stellvertretende Ärztliche Direktorin am CBT Bonn

Aline García Bardon arbeitet als stellvertretende Ärztliche Direktorin am CBT in Bonn.

"Es ist nur so, dass die Gesamtheit aller Symptome dann nicht als eine Erkrankung betrachtet wird. Das macht die Diagnosestellung beim Mastzellaktivierungssyndrom so schwierig." Deshalb dauere es oft mehrere Jahre, bis Patienten zur Abklärung bei ihr in der Sprechstunde sitzen.

"Ich würde gerne mal wieder zum Friseur gehen"

Der Alltag von Sandra Clöer besteht mittlerweile hauptsächlich aus Arztterminen. Den ganzen Tag über wird die 43-Jährige von Alltagshelfern betreut. Geschäfte kann sie nicht mehr betreten, weil bestimmte Düfte sofort allergische Reaktionen auslösen.

"Ich würde gerne mal wieder zum Friseur gehen", sagt Sandra Clöer. "Mich ins Café setzen, in eine Bäckerei gehen: Das ist alles gar nicht mehr möglich."

Ihren Rentenantrag hat die Deutsche Rentenversicherung nach mehrjähriger Prüfung durch verschiedene Gutachter abgelehnt. Mit der Begründung, dass sie mindestens sechs Stunden pro Tag arbeiten gehen könne. Sandra Clöer fragt sich, wie das in ihrer Verfassung möglich sein soll.

Sorgen um 19-jährige Tochter

Ihre größte Sorge gilt aber ihrer 19-jährigen Tochter. Sie hat Angst, dass auch sie krank wird, weil einige ihrer Krankheiten vererbbar seien. "Ich wüsste gar nicht, wie ich ihr helfen sollte", erzählt Sandra Clöer unter Tränen. Sie hofft, dass sie ihrer Tochter zumindest schnell die richtigen Ansprechpartner vermitteln könnte.

Lara Clöer schiebt ihre Mutter durch die Unnaer Innenstadt

Lara Clöer (19) macht sich ständig Sorgen um ihre Mutter.

Ihre Tochter Lara versucht, die Gedanken daran zu verdrängen. Die Sorge um ihre kranke Mutter sei in ihrem Leben seit Jahren sehr präsent, sagt sie: "Immer wenn ich rausgehe, steht die Frage im Raum: Was ist, wenn ich wiederkomme? Was ist, wenn schon wieder ein Rettungswagen vor der Tür steht?"

Diagnose: Mastzellaktivierungssyndrom

Einige Wochen nach ihrem Termin in Bonn bekommt Sandra Clöer eine Diagnose: Sie leidet unter dem Mastzellaktivierungssyndrom. "Ich habe jetzt einiges über die Krankheit erfahren. Unter anderem, dass sie nicht mehr verschwindet", sagt sie. Die Ärztin hat ihr ein neues Medikament aufgeschrieben, das zumindest die Beschwerden lindern soll.

Eine Behandlungsmöglichkeit habe sie leider nicht in Aussicht, sagt Sandra Clöer. Problematisch sei, dass man die Krankheit erst so spät entdeckt habe. Aufgeben will die 43-Jährige trotzdem nicht. Sie hofft, dass sie zumindest zeitnah eine Reha machen kann.

Unsere Quellen:

  • WDR-Reporter
  • Centrum für Blutgerinnungsstörungen und Transfusionsmedizin Bonn
  • Sandra und Lara Clöer