Essen will Arbeitspflicht für Bürgergeldempfänger
Lokalzeit Ruhr. 15.01.2025. 02:35 Min.. Verfügbar bis 15.01.2027. WDR. Von Carmen Krafft-Dahlhoff.
Essen will Arbeitspflicht für Bürgergeldempfänger
Stand: 16.01.2025, 13:36 Uhr
Die Stadt Essen will Beziehern von Bürgergeld die Leistungen kürzen. Es sei denn, sie arbeiten in gemeinnützigen Einrichtungen.
Peter Renzel ist Dezernent für Soziales und Arbeit in Essen. Er hat ein Konzeptpapier für das NRW-Arbeitsministerium geschrieben, in dem er sich dafür ausspricht, Empfänger von Bürgergeld zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten.
Der Gesellschaft etwas zurückgeben
Das Bürgergeld, so seine Begründung, werde schließlich vom Steuerzahler - und damit von der Allgemeinheit - aufgebracht. Da sei es nur recht und billig, dass die Menschen, die es bekommen und die arbeiten können, der Allgemeinheit etwas zurückgeben. Wer eine Leistung bekommt und drei Stunden am Tag arbeiten kann, soll dazu verpflichtet werden, eine vom Jobcenter zugewiesene gemeinnützige Arbeitsgelegenheit anzunehmen.
Um festzustellen, wer arbeitsfähig ist, sollen nach den Plänen einmal jährlich alle Leistungsempfänger unter 65 Jahren auf Erwerbsfähigkeit durch den öffentlichen Gesundheitsdienst überprüft werden - gegebenenfalls durch Psychologen. "Mir geht es nicht darum jemanden zu diffarmieren oder über Faulheit von Menschen zu sprechen. Mir geht es um Beteiligung, um Mitwirkung", so Peter Renzel.

Der Essener Sozialdezernent Peter Renzel
Träger von gemeinnützigen Einrichtungen sind skeptisch, ob das funktioniert. Sie haben bisher die Erfahrung gemacht, dass die Fehlzeiten bei Bürgergeldempfängern, die das Jobcenter zu unfreiwilliger Arbeit schickt, sehr hoch sind. Außerdem sei es sehr aufwändig, diese Menschen anzuleiten und zur Arbeit zu motivieren.
Politik des Hinterherlaufens
Sozialdezernent Peter Renzel ist das durchaus klar. Kürzungen, wie sie die Bundesregierung vorsieht, seien in seinem Konzept nicht vorgesehen. Ganz im Gegenteil. Bürgergeldempfänger in Arbeit zu bringen, erfordere in vielen Fällen eine Politik des Hinterherlaufens.
"Hinterherlaufen bedeutet Ressource. Ressource durch Personal, durch Anleitung. Das müssen wir machen." Essens Sozialdezernent Peter Renzel
"Das bedeutet Ressource. Ressource durch Personal, durch Anleitung. Und das müssen wir machen." Er habe, so Renzel weiter, in seinem Impulspapier deutlich gemacht, dass das eine Investition in die Zukunft sei. "Und die brauchen wir auch."
Wenig Motivation durch Arbeitspflicht
Bernd Fitzenberger ist Chef des Nürnberger Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, welches zur Bundesagentur für Arbeit gehört. Seiner Meinung nach hätte eine Arbeitspflicht gravierende Nachteile und würde einen hohen bürokratischen Aufwand verursachen. Vor allem wäre aber die Arbeitsmotivation gering, weil sich die Menschen die Jobs nicht ausgesucht hätten und diese auch nicht mit ihrer Qualifikationen übereinstimmten.
Außerdem besteht die Gefahr, dass eine Arbeitspflicht reguläre, oft produktivere Beschäftigung verdrängt. Bernd Fitzenberger, Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)
Fitzenberger erkennt aber auch positive Aspekte einer Arbeitspflicht. Zum einen könnte weitere Berufserfahrung gesammelt werden und die Möglichkeit zur Schwarzarbeit reduziere sich.
"Bürgergeld war eine falsche Entscheidung"
NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann nennt das Bürgergeld im WDR-Interview eine falsche Entscheidung. Man sehe jetzt, dass es so nicht funktioniere. Mit der Akzeptanz des Bürgergeldes habe man auch deshalb so viele Probleme, weil die Menschen sehen, dass es einen großen Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel gebe. Gleichzeitig kriege man Langzeitarbeitslose nicht in diese Jobs.
"Wenn etwa ein Drittel der Menschen, die die Jobcenter einladen, um mit ihnen über ihre beruflichen Perspektiven zu sprechen, erst gar nicht kommen, dann muss man mal ganz klar sagen, dass sich das ein staatliches System nicht erlauben kann", so Laumann.
Für die Zukunft, so Laumann, sei es wichtig, den Fokus noch mehr auf das Vermitteln zu legen. Es gehöre das Fordern und Fördern zusammen und man müsse sich die Einzelfälle anschauen.
Aber ich sage auch ganz klar, wir müssen auch erwarten dürfen, dass sich die Menschen, die von der Grundsicherung leben, wirklich auch selber bemühen und Anstrengungen unternehmen, wieder in Arbeit zu kommen. Karl-Josef Laumann, NRW-Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales
Die Arbeitspflicht ist eine politische Entscheidung
Grundsätzlich könnte man Bürgergeldempfänger durchaus verpflichten, das sei aber eine politische Entscheidung, heißt es von der Bundesagentür für Arbeit:
"Das Sozialgesetzbuch II erlaubt es, erwerbsfähige Leistungsberechtigte in Arbeitsgelegenheiten zuzuweisen. Allerdings gilt, dass die Zuweisung zu einer Arbeitsgelegenheit im Rahmen der Integrationsstrategie für die jeweilige Kundin oder den Kunden notwendig und zielführend sein muss. Leitendes Ziel ist dabei stets der Erhalt oder die Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit."
Unsere Quellen:
- Stadt Essen
- Diakonie Essen
- epd-Service
- WDR-Interview mit Karl-Josef Laumann
- Bundesagentur für Arbeit