Sexueller Missbrauch in Ennepetal: Haftstrafe für Altenpfleger

Lokalzeit aus Dortmund 29.02.2024 02:39 Min. Verfügbar bis 28.02.2026 WDR Von Jan Schulte

Sexueller Missbrauch in Ennepetal: Haftstrafe für Altenpfleger

Stand: 29.02.2024, 21:39 Uhr

Das Landgericht Hagen hat einen 51 Jahre alten Pfleger aus Ennepetal zu elf Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Der Mann hatte jahrelang demenzkranke und wehrlose Frauen in einem Heim sexuell missbraucht und vergewaltigt.

Von Jan Schulte

Schon eine halbe Stunde vor Prozessbeginn stehen knapp 30 Zuschauer vor dem Schwurgerichtssaal, in dem das Verfahren gegen Torben S. am Donnerstag zu Ende gehen wird. Familienmitglieder, ehemalige Arbeitskollegen, Angehörige der Opfer – sie alle wollen dabei sein, wenn das Strafgericht sein Urteil gegen den 51-jährigen Familienvater bekannt gibt.

Es liegt Anspannung in dem Saal, als Torben S. von zwei Justizbeamten zum Anklagestuhl gebracht wird. Der Wuppertaler hält sich eine Mappe vors Gesicht. Denn der Mann, der seit Juli 2023 in U-Haft sitzt, hat Angst, dass seine Mithäftlinge in der JVA Wuppertal mitbekommen, warum er inhaftiert ist.

Angeklagter starrt regungslos auf den Boden

Auf dem Foto ist ein Gerichtssal, in dem der Richter gegenüber eines Mannes sitzt, der sich eine Mappe vor sein Gesicht hält.

Richter Jörg Weber-Schmitz beginnt den letzten Verhandlungstag.

Als der Vorsitzende Richter Jörg Weber-Schmitz den Saal betritt, starrt der Angeklagte, wie in an den vorherigen Verhandelungstagen, regungslos auf den Boden. Auch als Staatsanwalt Florian Janzon mit seinem Plädoyer beginnt, kommt vom Angeklagten keine Reaktion. Die Vorwürfe gegen den Mann, der seit 2009 als Altenpfleger gearbeitet hat, wiegen schwer:

"Der Angeklagte hat sechs Frauen schwer missbraucht", führt der Hagener Staatsanwalt aus, "dabei wusste er, dass sie hilflos waren, dass sie hochbetagt waren." Für insgesamt 15 Taten ist Torben S. seit Januar angeklagt – denn diese sind ihm zweifelsohne nachzuweisen. Ermittler fanden beim Ennepetaler Videos und Fotos seiner Missbrauchs- und Vergewaltigungstaten, die er abgespeichert hatte, um darauf masturbieren zu können.

"Verrate mich nicht"

Durch einen Zufall war die Polizei auf Torben S. aufmerksam geworden. Ein Arbeitskollege hatte den Vater eines elf Jahre alten Sohnes nackt im Zimmer einer Heimbewohnerin erwischt, als dieser die bettlägerige und schwerdemente Frau offenbar entkleidet hatte und mit erigiertem Penis an ihrem Bett stand. "Verrate mich nicht", bat der Angeklagte seinen Kollegen, der den Vorfall zunächst nur intern gemeldet hatte.

Torben S. führte Doppelleben

Erst Tage später erhielt die Tochter der pflegebedürftigen Seniorin einen anonymen Anruf mit dem Hinweis auf die Tat, während ein ebenfalls anonymer Brief bei der Polizei Schwelm einging. Nur wenige Stunden später standen die Ermittler bei Torben S. vor der Tür, der schließlich Mitte Juli 2023 in U-Haft genommen wurde.

"Er hat eine Art Doppelleben geführt", beschreibt Staatsanwalt Janzon seine Erkenntnisse aus dem Verfahren, "er galt als nett, unauffällig und kompetent." Im Nachtdienst sei er dann laut Anklage mehr als zwei Jahre lang über die wehrlosen Frauen in dem Pflegeheim in Ennepetal-Voerde hergefallen, habe sich zudem selbst befriedigt.

Sexueller Missbrauch in Ennepetal: Haftstrafe für Altenpfleger

WDR Studios NRW 29.02.2024 00:45 Min. Verfügbar bis 28.02.2026 WDR Online


Familie des Angeklagten muss Haus verkaufen

Seine Ehefrau, die sich sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe von ihm getrennt hatte, hatte vor Gericht ausgesagt: "Ich habe mein Leben verloren." Sie habe das Haus im Stadtteil Voerde, in dem die Familie mit den pflegebedürftigen Großeltern gelebt hatte, alleine nicht mehr halten können. Sie tue nun alles, um den gemeinsamen Sohn vor Anfeindungen zu schützen.

Ihre Aussage im Prozess in Hagen war wichtig. Denn aus der U-Haft heraus hatte Torben S. ihr einen Brief geschickt, in dem er ihr eine Teilschuld für seine Taten gegeben hatte, da das eheliche Liebesleben zum Erliegen gekommen war und der Angeklagte offenbar unter Potenzproblemen litt.

"Win-Win-Situation"

Im Brief an seine Frau versuchte Torben S. auch, seine Taten zu erklären. Er habe festgestellt, dass auch Frauen in einem Pflegeheim durchaus noch "sexuelle Bedürfnisse" hätten. Die habe er befriedigt. Torben S. soll von einer "Win-Win-Situation" geschrieben haben.

Torben S. schämt sich

Der Verurteilte im Gerichtsaal verdeckt sein Gesicht mit roter Kladde

Angeklagter Torben S. mit seinen Verteidigern Franziska von der Beeck und Martin Düerkop.

Dass die meisten seiner sechs Opfer wegen ihrer Erkrankungen nicht einmal mehr sprechen oder ihren Willen kenntlich machen konnten, erwähnte er nicht. Das Geständnis, das der Pfleger schon am zweiten Prozesstag von seinem Anwalt verlesen ließ, sei durch den Brief "konterkariert", wie Rechtsanwalt Nils Buchartowski als Vertreter der Nebenklage anmerkt.

Die letzten Worte vor Urteilsverkündung hat schließlich der Angeklagte selbst. Mit weinerlicher, leiser, brüchiger Stimme sagt er: "Ich schäme mich für mein Handeln. Ich möchte mich entschuldigen. Bei allen. Ich würde es gerne ungeschehen machen."

Revision gegen Urteil möglich

Rund eine Stunde später teilt das Strafgericht sein Urteil mit: Für elf Jahre und acht Monate muss Torben S. ins Gefängnis, erhält außerdem ein lebenslanges Berufsverbot. Ein Schluchzen ist im Saal zu hören, ebenso ein Raunen unter den Anwesenden. Torben S. starrt auf den Boden.

Gegen das Urteil können Verteidigung und Staatsanwaltschaft innerhalb einer Woche Revision beantragen. Der Altenpfleger aus Ennepetal wird kurz nach dem Urteil zurück in die JVA gebracht, wo er wegen voller Schuldfähigkeit lange bleiben muss.

Quelle:

  • WDR-Reporter vor Ort
  • Gerichtssprecher
  • Verteidiger
  • Rechtsanwalt Nebenkläger
  • Zeugen