15 Monate Haft ohne Bewährung statt lebenslänglich. Weil die Richter dem 33-Jährigen ein Gewaltverbrechen nicht nachweisen konnte. Im Zweifel für den Angeklagten. Das lag vor allem daran, dass Rechtsmediziner festgestellt hatten, dass das 90-jährige Opfer sehr wahrscheinlich eines natürlichen Todes, genauer gesagt, an einem Herzinfarkt, gestorben war.
Auch wenn die Experten ein Gewaltverbrechen nicht gänzlich ausschließen konnten, reichte das dem Gericht nicht.
Richter: Was muss man für ein Mensch sein
Verurteilt wurde der Angeklagte, weil er seiner bereits toten Nachbarin Schmuck, Bargeld und die EC-Karte gestohlen hatte. Das Gericht fand deutliche Worte für diese Tat: "Was muss man für ein Mensch sein, wenn man einer toten Nachbarin die Ringe vom Finger zieht und die Kette vom Hals reißt", so der Vorsitzender der 4. Großen Strafkammer wörtlich.
Bereits vor knapp zwei Wochen hatte sich die Wende in dem Mordprozess angedeutet: Damals hatte das Bonner Landgericht den Haftbefehl gegen den 33-Jährigen am Mittwoch aufgehoben. Nach acht Monaten Untersuchungshaft. Und selbst die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft forderte in ihrem Plädoyer eine Verurteilung des Angeklagten wegen Unterschlagung – und nicht mehr wegen Mordes.
Unklare Todesursache
Die Staatsanwaltschaft war bis zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen, dass die Frau mit einen weichen Gegenstand erstickt worden war. Die Seniorin war Mitte Februar tot in ihrer Erdgeschosswohnung gefunden worden. Sie lag rücklings auf ihrem Bett. Zunächst war auch der Notarzt von einem natürlichen Tod ausgegangen.
Dann aber stellten Angehörige mehrere Auffälligkeiten in der Wohnung fest: Die Wohnungstüre war abgeschlossen, der Schlüssel fehlte, die Handtasche der Seniorin war nicht an ihrem üblichen Platz, sondern in einem Wäschekorb unter einem Kissen. Im Portemonnaie fehlten 300 Euro und die EC-Karte. Auch goldene Ringe sowie eine Halskette fehlten.
Angehörige schalteten Polizei ein
Als die Familie außerdem entdeckte, dass nach dem festgestellten Todeszeitpunkt auch noch an verschiedenen Automaten in Sankt Augustin Zigarettenpackungen mit der EC-Karte der Frau gekauft worden waren, schaltete die Familie die Polizei ein.
Schnell geriet der Angeklagte, ein einschlägig vorbestrafter Nachbar aus dem Haus, ins Visier der Ermittler. Ihn sollen kurz vor der Tat Geldsorgen geplagt haben. Er soll dringend eine Summe von 1.000 Euro gebraucht und vergeblich versucht haben, sich das Geld bei Freunden oder Bekannten zu leihen.
Angeklagter hatte offenbar Geldsorgen
In seiner Vernehmung soll er der Polizei eine Geschichte aufgetischt haben, die nicht schlüssig war. Die Obduktion der Leiche konnte zwar von Anfang an auch einen natürlichen Tod nicht ausschließen – ebenso wenig aber auch eine Gewalttat. Da an der Bekleidung des Opfers DNA-Spuren des Verdächtigen gefunden wurden, klagte die Staatsanwaltschaft ihn wegen Mordes an.
Bis heute sagt die Staatsanwaltschaft, dass der 33-Jährige eine Tatgelegenheit und ein Motiv hatte. Aber nach den Aussagen der Rechtsmediziner sagt sie auch: im Zweifel für den Angeklagten. Man müsse davon ausgehen, dass die Frau schon tot war, als der Mann diesen Umstand schäbig ausgenutzt und EC-Karte, Bargeld und Schmuck der Frau an sich genommen habe.
Nach kurzer Haft wieder in Freiheit?
Wenn das Urteil rechtskräftig ist, wird die Bonner Staatsanwaltschaft den 33-Jährigen zum Haftantritt laden. Weil er aber bereits acht Monate in Untersuchungshaft saß und diese Zeit auf das Urteil angerechnet wird, muss er möglicherweise nur zwei Monate ins Gefängnis. Denn nach Verbüßung der so genannten Zweidrittelstrafe könnte er wieder aus der Haft entlassen werden.
Quelle:
- Landgericht Bonn
- Reporter vor Ort