Die Aula im Hauptgebäude der RWTH Aachen erstrahlt in EU-blauem Licht – so soll es sein, wenn in der Karlsstadt die Auszeichnung für besondere Verdienste in Europa ins Haus steht. Als der Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt den Saal betritt, begleitet von seiner Familie, wird es sehr schnell sehr ruhig. Zu hören ist nur noch das Streichquintett der Universität, das Goldschmidt auf seinem Weg durch den Mittelgang zur Bühne begleitet.
Freundliche Art und klare Botschaften
Den bärtigen Mann mit dem freundlichen Gesicht umgibt eine Aura, die Respekt gebietet und doch Nähe zulässt. Dass Goldschmidt sagt, was er meint und meint was er sagt, das können die vielen Zuhörinnen und Zuhörer im Saal schon an der Bildsprache der Aula erkennen: Goldschmidt trägt auf dem überlebensgroßen Porträt, mit dem der Hintergrund der Bühne ausgeleuchtet ist, genau dieselbe Kleidung, die er Mittwoch auch am Leibe hat.
Eine Auszeichnung der Solidarität mit Jüdinnen und Juden
Und so kommt er auch in seiner Ansprache an die Studierenden zügig auf den Punkt. Jüdinnen und Juden hätten Deutschland über viele Jahrhunderte geprägt und seien ein selbstverständlicher Teil der Gesellschaft, sagt er.
Um genau das zu betonen, wird er Donnerstag schließlich stellvertretend für alle jüdischen Gemeinschaften in Europa mit dem Karlspreis ausgezeichnet. Doch Antisemitismus sei auch an europäischen Universitäten auf dem Vormarsch. Jüdische Studierende würden von ihren Kommilitonen vielerorts "mit einem Vordiplom in Judenhass von der Tik-Tok-University" angegangen. Auch deshalb stellt sich nun wieder vielen Jüdinnen und Juden die Frage: Bleiben oder Gehen?
Mehr Bücher, mehr Geduld
Damit ist der Ton gesetzt für eine Fragerunde mit ausgewählten Studierenden und zusätzlicher Publikumsbeteiligung. Dabei nimmt sich Goldschmidt, Präsident der Konferenz der europäischen Rabbiner, viel Zeit für seine Antworten zu Fragen rund um Glauben, die europäische Gemeinschaft und den russischen Staat. Als langjähriger Oberrabbiner Moskaus hat er das Zugehen auf und die Abkehr von Europa in Russland hautnah mitverfolgt.
Nur auf eine Frage ist seine Antwort kurz und bündig: Von Studierenden darauf angesprochen, welche Empfehlungen er für sie habe, sagt Goldschmidt: "Erstens mehr Bücher und weniger Instagram und zweitens: Mehr Geduld." Und die braucht er dann gleich selbst, als er den Saal in Richtung seines nächsten Termins verlassen möchte, denn ohne das ein oder andere Selfie und die ein oder andere Unterschrift lässt man den Oberrabbiner nicht gehen.
Unsere Quellen:
- WDR-Reporter vor Ort
- Gespräch mit Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt