Das feierliche Ende eines Tages mit nachdenklichen, kritischen aber auch Mut machenden Worten: Der Oberrabbiner und frisch geehrter Karlspreisträger Pinchas Goldschmidt besuchte die Aachener Synagoge. Begleitet wurde er unter anderem von Aachens Bischof Helmut Dieser. Vertreter zweier Religionen gemeinsam - ganz im Sinne des neuen Karlspreisträgers, der immer wieder das Verbindende von Juden, Christen und Muslimen betont.
Gemeinsamer Kampf gegen Antisemitismus
Weil er sich für den Dialog der Religionen einsetzt und für europäische Werte wie Toleranz, Vielfalt und Verständigung wurde Pinchas Goldschmidt am Donnerstagvormittag mit dem Karlspreis ausgezeichnet. Er nahm den Preis stellvertretend für alle jüdischen Gemeinschaften in Europa entgegen.
Das Zeichen der Solidarität in dieser Zeit tue ihm gut, sagte der Karlspreisträger und Präsident der europäischen Rabbinerkonferenz in seiner Dankesrede.
Das Karlspreisdirektorium wollte mit dem Preis ein Signal setzen, dass jüdisches Leben selbstverständlich zu Europa gehört und in Europa kein Platz für Antisemitismus sein darf. Doch leider sei jüdisches Leben eben nicht selbstverständlich, sagte Goldschmidt, und in Europa viel Platz für Antisemitismus. Auch hier in Deutschland werde zu wenig für die Sicherheit jüdischer Menschen getan:
Aber er sei "noch zu jung, um aufzugeben". Und er habe Hoffnung, Mut und Vertrauen, wenn so viele gemeinsam - mit ihm und anderen Juden zusammen - gegen Antisemitismus kämpften.
Juden in ganz Europa bedroht
In seiner Festrede wies Vizekanzler Robert Habeck auf die erneut bedrohliche Lage der Juden in Europa hin. Antisemitismus ziehe sich wie ein blutiger roter Faden durch die Geschichte Europas ziehe.
Und das sei ein Auftrag an uns alle: Gerade in dieser Zeit müssten alle aufstehen, wenn Menschen unterdrückt, Minderheiten bedroht oder Gewalt eingesetzt wird.
Zusammenleben zwischen Juden und Moslems möglich
Der albanische Ministerpräsident Edi Rama verwies auf die Toleranz zwischen den Religionen in seiner Heimat. Am Ende des Zweiten Weltkriegs sei Albanien das einzige Land Europas gewesen, in dem mehr Juden lebten als vor dem Krieg. Diese Toleranz gelte auch heute. Ein friedliches und respektvolles Zusammenleben zwischen Juden und Muslimen in einem mehrheitlich muslimischen Land sei also möglich.
"Hamas kann den Krieg sofort beenden”
Oberrabiner Pinchas Goldschmidt forderte mehr Solidarität mit dem jüdischen Staat und den jüdischen Gemeinden weltweit. Er habe zwar auch Probleme mit der heutigen israelischen Regierung, vor allem mit den rechtsradikalen Regierungsmitgliedern. Aber die Hamas habe den Krieg begonnen und könne ihn sofort beenden. Und zwar indem sie die Geiseln freilassen, die Waffen strecken und ihrem Volk ein echtes Leben ermöglichen würde.
Demonstrationen am Rande der Karlspreisverleihung
Am Rand der Verleihung gab es auch mehrere Demonstrationen. Die größte mit rund 130 Teilnehmern lief unter dem unter dem Motto "Auch die Stimme Palästinas muss gehört werden". Eine zweite - pro-russische - Kundgebung, an der rund 50 Menschen teilnahmen, wurde gegen Mittag beendet. Die Polizei sprach insgesamt von einem friedlichen Verlauf rund um den Karlspreis.
Bürgerfest auf dem Katschhof
Nach der Verleihung zeigte sich der Preisträger auf dem Katschhof hinter dem Aachener Rathaus beim traditionellen Bürgerfest mit rund 3.000 Menschen. Auch in diesem Jahr war die Polizei wieder mit einem Großaufgebot im Einsatz. Die Sicherheitsvorkehrungen erreichten aber nicht das gleiche Ausmaß, wie im vergangenen Jahr, als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit dem Karlspreis ausgezeichnet wurde.
Und dann am späten Nachmittag die Feierstunde in der Synagoge. Mit großen Sicherheitskontrollen für die Gäste. Pinchas Goldschmidt erinnerte an die Geiseln im Gazastreifen, bedankte sich für die Unterstützung durch den Preis und zog dann seine persönliche Bilanz: Es sei für ihn ein sehr emotionaler Tag und ein schönes Zeichen der Solidarität und Nächstenliebe gewesen.
Unsere Quellen:
Über dieses Thema berichten wir am 09.05.2024 auch im Fernsehen bei WDR aktuell und in der Aktuellen Stunde um 18.45 Uhr sowie im Radio auf WDR 2.