Fenster mit Plakaten dahinter

Düsseldorf: Bewohntes Haus soll abgerissen werden

Stand: 19.07.2024, 16:41 Uhr

Ein Investor will das Haus im Düsseldorfer Stadtteil Golzheim abreißen. Das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum und Mieter protestieren.

Von Johannes HoppeJohannes Hoppe

Das Treppenhaus in der Mauerstraße 32 in Düsseldorf ist mit rotem Linoleum ausgelegt. Die Plastikfolie im hellbraunen Fliesenlook hat teilweise dunkelbraune Klebestreifen. Ganz oben in der fünften Etage wohnt Barbara Kalisch in einer knapp 60 Quadratmeter großen, hellen, einladenen Wohnung. Die 78-Jährige lebt hier seit 42 Jahren.

Ich hab gedacht, ich bleib bis zum Schluss hier. Reicht für mich vollkommen aus. Aber ich hab von Anfang an gesagt, wo das hier die Investmentfirma gekauft hat: das ist kein gutes Zeichen. Barbara Kalisch, Mieterin

Insgesamt leben zehn Mietparteien in dem in die Jahre gekommenen Haus. Darunter auch eine Frau mit einem Kind mit Behinderung. Seit Ende 2020 ist es im Besitz der PrivatCapital Immobilien GmbH/DUS Invest GmbH & Co. KG aus Düsseldorf. Vorher gehörte es einem privaten Vermieter.

Kündigung war ein Schock

Ein Frau in ihrer Küche

Barbara Kalisch lebt seit 42 Jahren in ihrer Wohnung, sie will nicht ausziehen.

Barbara Kalisch sagt, in den vergangenen Jahrzehnten seien alle Mieter zu einer tollen Gemeinschaft im Haus zusammen gewachsen. Dass das Gebäude aus dem Jahr 1920 saniert werden muss, haben alle Mieter gewusst, so die 78-Jährige.

Die Art und Weise in der die Kündigung kam, war aber nicht schön. Ich war schockiert. Barbara Kalisch, Mieterin

Ende April erhalten die Bewohner ein Kündigungsschreiben der DUS Invest Gruppe. Zwei Haushalte sollen bis zum 31. Juli 2024 ausziehen. Die weiteren Mieter haben eine Frist zum 31. Januar nächsten Jahres erhalten. Auf Bitten wurde die Frist bis zum 30. Juni 2025 verlängert.

Begründung: Ein Neubau ist geplant

Das Unternehmen nennt in der Kündigung mehrere Gründe für das Vorgehen. Sie schreibe mit dem Gebäude rote Zahlen, es gebe großen Sanierungsbedarf, unter anderem bei Elektrik, Heizung, Fenstern und Fassaden. Zudem hätte ein Gutachter dem Gebäude eine Restnutzungsdauer von 15 Jahren gegeben. Ein Neubau mit zwölf anstatt zehn Wohnungen sei notwendig.

Ihr Mietverhältnis - wie auch die anderen Mietverhältnisse in der Immobilie - steht bedauerlicherweise dieser einzig sinnvollen wirtschaftlichen Verwertung entgegen. Verwertungskündigung, DUSInvest Gruppe Düsseldorf

Für ein Interview steht die Immobilienfirma aus Urlaubsgründen nicht zur Verfügung, so eine Sprecherin. Es gibt eine schriftliche Stellungnahme. Unter anderem steht dort, dass der Neubau die doppelte Wohnfläche schaffe, energetisch optimiert und altersgerecht geplant sei. Den betroffenen Mietern sei Hilfe bei der Wohnungssuche angeboten worden.

Das Düsseldorfer Bündnis für bezahlbaren Wohnraum beschäftigt sich oft mit solchen Fällen. Aktuell lägen die Kaltmieten in dem Haus zwischen 6,90 Euro und 9,90 Euro. Dieser bezahlbare Wohnraum werde für neuen teuren und mutmaßlichen Luxuswohnraum zerstört, heißt es in einem Schreiben an mehrere Medien. Ersatzwohnraum in der Preisklasse sei nur schwer zu finden.

Stadt: Abriss ist rechtlich in Ordnung

Fenster mit Plakaten dahinter

Die Mauerstraße 32 in Düsseldorf-Golzheim.

Das Wohnungsamt der Stadt Düsseldorf hat den Abriss des alten Gebäudes genehmigt. Ein Sprecher reagiert schriftlich auf WDR-Nachfragen zu dem Sachverhalt. Man habe geprüft, ob in der Mauerstraße Luxuswohnraum entstehen würde. Das sei nicht der Fall.

Zudem sei die Schaffung von Ersatzwohnraum auf demselben Grundstück zugesichert worden. Der geplante Neubau würde den aktuellen Bauvorgaben und den aktuellen Wohnstandards entsprechen. Die Miete dürfe dem höheren Wohnwert entsprechend angepasst werden.

Mieter überlegen, ob sie klagen sollen

Die Recherche bei mehreren Anwälten für Mietrecht ergibt, dass eine sogenannte Verwertungskündigung, die die Investmentfirma ausgesprochen hat, "exotisch", also sehr selten ist. Rein rechtlich ist sie für den Gelsenkirchener Anwalt Arndt Kempgens aber in Ordnung.

Die Begründung lese sich schlüssig, da dass Gebäude so marode sei, dass es unwirtschaftlich sei. Juristisch scheint mir das Vorgehen der Gesellschaft sauber zu sein. Auf die Frage, ob es auch moralisch so zu bewerten sei, antwortet der Anwalt:

Geschmacksache. Einerseits ärgerlich für die Mieter, andererseits wirtschaftlich wohl unumgänglich. Arndt Kempgens, Rechtsanwalt

Ob das wirklich so ist, bezweifeln Barbara Kalisch und die anderen Mieter. Sie überlegen gegen die Kündigungen zu klagen, auch wenn die Erfolgsaussichten nicht absehbar sind. Währenddessen ist die 78-jährige schon auf Wohnungssuche mit Hilfe ihrer Schwester in Berlin. Die sei da einfach fitter am Computer, sagt sie.

Unsere Quellen:

  • Mieterinnen und Mieter der Mauerstraße 32 in Düsseldorf-Golzheim
  • Stadt Düsseldorf
  • Rechtsanwalt Arndt Kempgens
  • Trust

Über das Thema berichteten wir im Fernsehen in der Lokalzeit Düsseldorf am 19.07.2024.

Düsseldorf: Bewohntes Haus soll abgerissen werden

WDR Studios NRW 16.07.2024 00:43 Min. Verfügbar bis 19.07.2026 WDR Online