Bauernprotest: "Es geht so einfach nicht weiter"
Lokalzeit Bergisches Land. 08.01.2024. 03:20 Min.. Verfügbar bis 08.01.2026. WDR. Von René Rabenschlag.
Bauernprotest: "Es geht so einfach nicht weiter"
Stand: 08.01.2024, 20:46 Uhr
Gegen die Sparpläne der Bundesregierung sind auch die Bauern im Oberbergischen auf die Straße gezogen. Einer von ihnen ist Milchviehbauer Heinz Raffelsieper.
Von Antonia Rüller
Es dämmert noch um 9 Uhr am Morgen in Wipperfürth. Dicke Schneeflocken kommen vom Himmel. Schon von Weitem kann man die orangenen Leuchten der Traktoren blinken sehen. Rund 100 Traktoren stehen bei minus fünf Grad dort bereit, behängt mit Plakaten: "Wenn Unrecht zum Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht" oder "Weg mit dem geAMPEL" steht auf den Schildern. Die geplante Protestfahrt soll durch das Oberbergische bis zur Kundgebung nach Gummersbach gehen.
Mit dabei ist Heinz Raffelsieper. Für ihn ist es die erste Demonstration seines Lebens. Aber als er von dem Bauernprotest gehört hat, war ihm klar, er will dabei sein. Neben den Bauern haben sich Arbeiter aus Handwerksbetrieben und von Speditionen angeschlossen.
Milchviehbauer Heinz Raffelsieper aus Wipperfürth
Alle begrüßen sich herzlich. Es wird sich ausgetauscht. Tüten mit Brötchen werden verteilt. In Gruppen stehen sie zusammen und warten auf den Konvoi, der am frühen Morgen in Radevormwald gestartet ist.
Um halb zehn startet Heinz Raffelsieper seinen vorgewärmten Traktor. Jetzt rollen 160 Traktoren durch die Wipperfürther Stadt. Auf den Bürgersteigen bleiben die Leute stehen, winken den Bauern zu. Immer wieder gibt es "einen Daumen hoch" vom Bürgersteig. Raffelsieper winkt zurück und lächelt. "Es geht einfach so nicht weiter. Und das sehen viele so", sagt der Landwirt. Er ist Milchviehbauer in elften Generation in Wipperführt.
Das Fass ist übergelaufen
"Es gab immer schon schwere Zeiten. Das hatten mein Vater schon und mein Großvater auch. Aber so wie im Moment mit uns umgegangen wird, das geht nicht." Heinz Raffelsieper ist, wie viele Landwirte, frustriert. Die massiven Kürzungen bei den Subventionen für die Landwirtschaft können sie nicht mehr verstehen. Die letzten Ereignisse haben für sie das Fass nur zum Überlaufen gebracht.
Die Fahrt durchs Oberbergische bis nach Gummersbach
"Und wir sind schon eine sehr anpassungsfähige Berufsgruppe." Sein Urgroßvater hat eine andere Landwirtschaft betrieben als sein Vater. Seit seiner Zeit sind viele Veränderungen dazu gekommen. "Natürlich entwickelt sich die Landwirtschaft. In 100 Jahren wird auch Vieles anders sein. Aber Vieles jetzt macht keinen Sinn."
Die neuen Anforderungen könne man kaum noch umsetzen. Den Milchviehbetrieb hat er 1993 von seinem Vater übernommen. Damals hatten sie noch 70 Milchkühe. Heute sind es 700 Tiere. Dazu kommen 350 Hektar Grünfläche und 30 Hektar Ackerland.
"Das schafft man nur als Familienunternehmen." Er hat groß gedacht. "Zum Glück - heute sind so große Höfe nicht mehr gewünscht. Die Betriebe müssen wachsen, sonst kann man sich den gewünschten Fortschritt nicht mehr leisten."
Kleine Betriebe müssen kämpfen
Den kleinen Betrieben geht es aber nicht mehr gut. "Die Selbstmordrate bei Landwirten ist hoch. Es sind zum Teil hohe Summen, mit denen wir uns umtreiben." Das könne einen verzweifeln lassen und am Ende in die Knie zwingen.
In Marienheide klart der Himmel auf. Die Sonne scheint in den großen, grünen Traktor. Die Wipper schlängelt sich entlang der Landstraße.
Sein Alltag sei abwechslungsreich. Ob es um Dünger oder Pflanzen geht, einer seiner Mitarbeiter ausfällt oder eine Kuh krank wird. Sein Tag beginnt morgens um 6 Uhr und endet um 19 Uhr. Eine 70-Stunden-Woche ist für den 54-Jährigen seit Jahren normal. "Die Gewerkschaft GDL streikt für eine 35 Stunden Woche. Das ist die Hälfte von dem, was die Landwirte im Durchschnitt arbeiten."
"Wir wollen ernst genommen werden"
Rund 500 Menschen waren zur Kundgebung gekommen
Gegen 12 Uhr rollen die Traktoren Richtung Zielgerade. Sternenförmig sind Landarbeiter aus dem Märkischen Kreis, Rheinisch-Bergischen und Oberbergischen Kreis nach Gummersbach auf den Heiner-Brand-Platz gekommen. Mehrere Hundert Menschen: Männer unterschiedlichen Alters, Frauen mit Kinderwagen pfeifen, als die Kundgebung losgeht.
Sie kämpfen um den Erhalt der Argardiesel-Rückgabevergütung und der KFZ-Steuerbefreiung. Sie wollen ihren Status behalten, sie wollen ernst genommen werden. Sie wollen weiter gute, regionale Lebensmittel garantieren, hört man von der Bühne.
Und sie wollen weiter Landwirte bleiben können. Dafür jubeln sie. Auch Heinz Raffelsieper. Er ist zufrieden mit seiner ersten Demonstration - und wenn sich nichts ändert, will er auch wieder auf die Straße gehen. So wie viele andere Landwirte auch.