Landwirte stehen mit ihren Traktoren auf der Straße des 17. Juni in Berlin

Die Aktionswoche endet - aber auch die Bauern-Proteste?

Stand: 15.01.2024, 09:07 Uhr

Eine Woche lang haben Landwirte mit zahlreichen Aktionen in ganz Deutschland gegen die Regierung protestiert – zum Abschluss ziehen sie durch Berlin.

Die ganze Woche haben Landwirte in ganz Deutschland protestiert, es gibt kaum eine Kommune, in der es keine Aktionen gab: Von Traktor-Sternfahrten über Autobahnblockaden bis zu Dialog-Treffen – tausende Bauern haben sich in den vergangenen Tagen organisiert.

Bauern in einem Reisebus nach Berlin

Bauern fahren mit Bussen nach Berlin

Zum Abschluss steht am Montag jetzt eine Großdemo in Berlin an. Rund 3.000 Traktoren, 2.000 Lkw und 10.000 Teilnehmende werden in Berlin erwartet – einige Landwirte sind bereits dort. Auch aus NRW reisten viele hundert Bauern an, um in der Hauptstadt zu protestieren. So machte sich beispielsweise in Münster in den frühen Morgenstunden ein Bus mit 50 Landwirten in Richtung Berlin auf.

Zu den bundesweiten Protesttagen hatte der Deutsche Bauernverband aufgerufen, um gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung zu demonstrieren. Auslöser war die geplante Streichung von Subventionen. Die Bundesregierung wollte ursprünglich die Befreiung von der Kfz-Steuer und die Steuervergünstigung von Agrardiesel beenden.

Landwirte stehen mit ihren Erntemaschinen und Traktoren vor dem Brandenburger Tor

Erste Bauern sind schon in Berlin

Die Pläne zur Kfz-Steuer hatte die Bundesregierung nach den ersten Protesten bereits zurückgenommen und die Steuerbegünstigung beim Agrardiesel soll nun schrittweise enden – doch den Bauern reichte das nicht.

Wut geht über aktuelle Sparpläne hinaus

Denn in der vergangenen Woche wurde deutlich: Den Landwirten geht es nicht nur um die aktuellen Pläne. Immer wieder betonten die Bauern und ihre Vertreter, dass die neuen Sparmaßnahmen das Fass nur zum Überlaufen gebracht hätten.

Seit Jahren werde es für Bauern durch zahlreiche Auflagen bei gleichzeitig steigenden Kosten und niedrigen Lebensmittelpreisen immer schwerer rentabel zu arbeiten.

"Ich glaube aber, dass es gar nicht so sehr um den Agrardiesel nur geht", sagte auch Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) am Freitag im ZDF-Morgenmagazin. Das Problem sei, dass vorherige Regierungen viel versprochen und wenig gehalten hätten.

Gespräche mit Regierung geplant

Für Montag haben die Ampelparteien die Verbände jetzt zum Gespräch eingeladen, um Kompromisse zu finden. Die Subventionen für Agrardiesel sollen sowieso nur noch stufenweise über drei Jahre auslaufen – jetzt wird nach weiteren Ansätzen gesucht.

Aber: Die Rahmenbedingungen für die Politik haben sich nicht geändert: Sie muss sparen und sie muss umweltschädliche Subventionen abbauen – äußert aber Dialogbereitschaft.

Gibt es mögliche Lösungen?

Beim Agrardiesel bleibt die Regierung bisher allerdings hart. Finanzminister Christian Lindner (FDP), der am Montag in Berlin vor den Landwirten sprechen will, hatte zwar bereits einen Bürokratie-Abbau angeboten.

Er werde bei der Kundgebung "nicht versprechen können, dass alle Bereiche der Gesellschaft Konsolidierungsbeiträge leisten müssen - nur einer nicht", sagte Lindner am Sonntag beim Neujahrsempfang der nordrhein-westfälischen FDP in Düsseldorf. Soll heißen: Einen kompletten Verzicht auf Subventionsstreichungen wird es nicht geben.

Agrarminister Özdemir will für mehr Planungssicherheit sorgen. Dazu hat er eine dauerhaft gesicherte Finanzierung für den Umbau der Tierhaltung ins Spiel gebracht. Bessere Haltung könnte über eine Tierwohlabgabe finanziert werden.

Bauernverband: Kein "fauler Kompromiss"

Doch der Bauernverband macht schon vorab klar:

"Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Beim Gespräch am Montag kann es zunächst nur um den Agrardiesel gehen." Joachim Rukwied, Präsident Bauernverband

"Ein fauler Kompromiss, wie er derzeit auf dem Tisch liegt, kann keine Lösung sein", sagte Rukwied zu den angepassten Plänen beim Agrardiesel. "Der wird keinen Traktor von der Straße holen."

Rückblick: Eine Woche Proteste in NRW

Die größten und meisten Aktionen gab es direkt zum Start der Aktionswoche am vergangenen Montag, oft in Form von Traktor-Konvois. In vielen Städten kam es zu Verkehrsbehinderungen, auch Autobahnauffahrten wurden blockiert.

Allein in Westfalen-Lippe waren nach Angaben des dortigen Landwirtschaftsverbandes etwa 20.000 Bauern auf der Straße. Im Kreis Wesel zählte die Polizei rund 1.300 Landwirte und Spediteure, die mit mehr als 950 Treckern, Lkw und Autos unterwegs waren. Teils kam es auch zu nicht angemeldeten Versammlungen mit Traktoren, zum Beispiel am Rathaus in Sonsbeck.

Diskussionen über Unterwanderung von Rechts

Im Vorfeld der Protestwoche wuchs die Sorge vor einer Unterwanderung der Proteste durch rechte Gruppen. Die hatten schon zuvor zur Teilnahme an Protesten der Bauern aufgerufen und sollen auch zur Eskalation der Proteste an einer Fähre beigetragen haben, auf der sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck befand.

Dazu kamen auch teils extreme Formen des Protests, so wurde vereinzelt auch mit Galgen gegen die Regierung demonstriert. Aufrufe zu Gewalt und persönliche Bedrohungen hätten in der Demokratie nichts verloren, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz dazu.

"Galgen sind keine Argumente. Politische Gegner sind keine 'Vollpfosten'", so Scholz. Legitime Proteste dürften nicht "pauschal in Wut oder Missachtung für demokratische Prozesse und Institutionen" umkippen, sagte er vor der Großdemo am Montag in Berlin.

Landwirte in der Dortmunder Innenstadt

Bauernprotest in Dortmund

Aus Sicht von Bundesfinanzminister Lindner sind bei den Koalitionspartnern von SPD und Grünen "manche sehr schnell dabei gewesen, vor einer Radikalisierung der Landwirte zu warnen". "Wo waren diese Stimmen eigentlich, wenn Klimakleber gefährlich in den Straßenverkehr eingegriffen haben?", fragte der FDP-Chef am Sonntag in Düsseldorf.

Demos am Mittwoch vor NRW-Büros der Ampelparteien

Die Wut auf die Ampelparteien bekamen auch die Vertreter von SPD, FDP und Grünen in Düsseldorf zu spüren. Am Mittwoch waren Landwirtinnen und Landwirte mit mehr als hundert Traktoren vor die NRW-Büros der Parteien gefahren.

Gleichzeitig gab es Aktionen auf Märkten, zentralen Plätzen oder auch vor Supermärkten, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen - unter anderem in Dortmund, Iserlohn, im Kreis Borken, Kreis Herford, im Märkischen Kreis, im Kreis Minden-Lübbecke, in Münster und im Kreis Olpe. Mehrere Kreisverbände hatten zudem Mahnwachen organisiert.

Etwa 1.900 Traktoren bei Sternfahrt in Münster

Auch am Donnerstag ging es weiter: In Düren demonstrierten am Vormittag mehr als hundert Bauern. Am meisten waren aber in Münster unterwegs: rund 1.900 Trecker. Es gab "spürbare Verkehrsbehinderungen in der ganzen Stadt", sagte eine Polizei-Sprecherin.

Organisiert wurde die Aktion von "Land sichert Versorgung NRW". Der WLV warnte vor der Teilnahme von radikalen Kräften. "Eine Beteiligung, u.a. der niederländischen Farmers Defense Force, die in der Vergangenheit bereits durch radikale Verlautbarungen und Umgangsformen aufgefallen sind, ist für den Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband nicht tolerierbar", heißt es in einer Mitteilung. Von der Gruppierung Farmers Defense Force distanziere sich der WLV.

Autobahn-Blockaden im Rhein-Sieg-Kreis abgesagt

Immer wieder gab es während der Aktionswoche der Landwirte Vergleiche mit dem Protest der Letzten Generation, weil auch die Bauern Straßen und Autobahnen blockierten. Vielleicht auch deshalb wurden einige geplante Blockaden abgesagt.

Am Donnerstag sollte ursprünglich an den Zufahrten der A560 in Hennef und Sankt Augustin Niederpleis blockiert werden. Die sind aber von den Landwirten abgesagt worden. Man wolle die Autofahrer nicht über Gebühr strapazieren, so ein Landwirt gegenüber einem WDR-Reporter.

Kundgebung am Freitag in Kleve

Am Freitagnachmittag hatten Bauern in Kleve und Geldern ihre Aktionswoche mit einer Demonstration und einer Kundgebung beendet. Mit ihren rund 400 Traktoren sorgten sie für Staus.

Sonntag: Proteste in Südwestfalen

In Südwestfalen fanden auch am Sonntag nochmal Aktionen der Landwirte statt. Bis 22 Uhr wollten die Landwirte von zuhause aus ein Zeichen nach Berlin senden – Motto: "Lasset die Berge erleuchten". Dabei schmücken sie ihre Traktoren mit Rundumleuchten und fahren in ihren Heimatorten in kleinen Gruppen zu markanten Punkten.

Unsere Quellen:

  • Polizeimeldungen
  • WDR-Reporter vor Ort
  • Nachrichtenagentur dpa