Tote unter dem Gästehaus des Landtags gefunden – Ausgrabungen in Düsseldorf

Lokalzeit aus Düsseldorf 21.05.2024 03:16 Min. Verfügbar bis 21.05.2026 WDR Von Helge Drafz

Tote unter dem Gästehaus des Landtags – Ausgrabung in Düsseldorf

Stand: 21.05.2024, 19:47 Uhr

In Düsseldorf gräbt ein Archäologen-Team derzeit menschliche Skelette aus. Nach dem Abriss des ehemaligen Gästehauses für Landtagsabgeordnete waren Baggerfahrer im vergangenen Herbst auf erste Knochen gestoßen.

Vorsichtig schaben und kratzen sie den gelbbraunen Lehmboden rund um die Knochen weg, hin und wieder greifen sie zu Pinsel oder Handfeger, um die gelöste Erde wegzufegen. Was die sechs Angestellten einer Ausgrabungsfirma tun, ist Präzisionsarbeit.

Stundenlang knien sie vor den Gerippen im Boden und präparieren die menschlichen Überreste frei. Was da unten in der etwa zehn Meter breiten Lücke zwischen den benachbarten Gründerzeit-Häusern passiert, ist von der Straße aus gar nicht zu sehen. Ein hoher Bauzaun schützt die Ausgrabungsstelle vor neugierigen Blicken und Besuchern.

Ein Friedhof aus dem 18. Jahrhundert

Dass einige Gerippe nicht nur hinter, sondern auch unter dem jetzt abgerissenen Haus von 1859 auftauchten, kann Stephan Weber, der wissenschaftliche Grabungsleiter, schnell erklären: "Die Knochen sind älter. Hier befand sich ein alter, im 18. Jahrhundert angelegter Garnisons-Friedhof", sagt er und zeigt einen historischen Stadtplan, auf dem der alte Totenacker eingezeichnet ist.

Das Gelände hier, sagt der Experte, lag vor fast 300 Jahren außerhalb der zur Festung ausgebauten Stadt. Bis 1810 wurden hier vor allem die in Düsseldorf stationierten Soldaten bestattet. Jahrzehnte später, als die Stadt wuchs, wurde der einstige Friedhof überbaut.

Rätsel um ein Massengrab

Dass die meist in Reih und Glied liegenden Skelette keinerlei Hinweise geben, welche Personen dort beerdigt sind, sei normal. Man hätte die Toten meist ohne Kleidung in Stoffsäcken begraben. Nur bei einem Skelett fanden die Archäologen metallene Griffe eines Sarges und Uniformknöpfe, die vielleicht Auskunft geben, zu welcher militärischen Einheit der Tote gehörte.

Die Skelette werden von 5 Personen freigelegt

Tote unter dem Gästehaus

Rätsel gibt eine Ecke der Baugrube auf, wo im Boden die Knochen zahlreicher Menschen völlig durcheinanderliegen und nur mit Mühe einzelnen Personen zuzuordnen sind.

Das war möglicherweise ein Massengrab, so Grabungsleiter Weber, und er erinnert an den Siebenjährigen Krieg: Im Konflikt zwischen dem preußisch-britischen Bündnis auf der einen und der französisch-österreichischen Koalition auf der anderen Seite stand Düsseldorf auf der Seite Frankreichs und wurde von Feinden 1758 massiv mit Kanonen beschossen und stark zerstört. Dabei könnte es so viele Tote gegeben haben, dass man sie schnell in einem Loch verscharrt hat.

Umbettung der Gebeine

Jedes frei gelegte Grab wird von dem Ausgrabungsteam vermessen, es werden Fotos gemacht und die Knochen verpackt. Aufgabe ist es, die Fundstätte genau zu dokumentieren und dann frei zu räumen, denn die Bauarbeiten für das neue Gästehaus des Landtags von NRW sollen möglichst bald beginnen.

Die geborgenen Toten werden später irgendwo anders bestattet, um dann ihre möglichst ewige Ruhe zu finden. Dass solche Funde bei Bauarbeiten gemacht werden, wundert den erfahrenen Ausgrabungsleiter überhaupt nicht: "Der Niederrhein ist 8000 Jahre altes Kulturland, es gibt hier kaum einen Fleck, den Menschen nicht schon betreten und irgendetwas hinterlassen haben." Und dazu gehören eben auch die eigenen Knochen.

Quelle:
Reporter vor Ort