Kontroverse um Justizminister Buschmanns Unterhaltsreform

Aktuelle Stunde 25.08.2023 33:32 Min. UT Verfügbar bis 25.08.2025 WDR Von Astrid Houben

Reform zu Unterhalt geplant: Wer mehr betreut, soll weniger zahlen

Stand: 25.08.2023, 15:34 Uhr

Justizminister Buschmann will das Unterhaltsrecht reformieren. Mitbetreuende Elternteile sollen weniger Unterhalt als bisher zahlen müssen. Alleinerziehende aus NRW sind skeptisch. Fragen und Antworten.

Von Dominik Reinle und Jörn Seidel

Väter und Mütter getrennt lebender Kinder könnten bald weniger Unterhalt zahlen müssen, wenn sie sich zeitlich spürbar in die Betreuung einbringen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will das Unterhaltsrecht reformieren. Am Freitag hat er dazu ein Eckpunktepapier vorgelegt.

Mit welchem Ziel soll das Unterhaltsrecht reformiert werden?

Marco Buschmann, Bundesminister der Justiz, aufgenommen im Rahmen einer Kabinettssitzung im Bundeskanzleramt

Bundesjustizminister Marco Buschmann

"Ziel ist es, eine partnerschaftliche Betreuung minderjähriger Kinder zu fördern - und das Unterhaltsrecht fairer und weniger streitanfällig zu machen", heißt in dem Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums.

"Unsere Reform, das ist mir ganz wichtig, soll kein Väter-Gesetz werden und kein Mütter-Gesetz, sondern ein echtes Familiengesetz - mit dem Kindeswohl als oberstem Maßstab", teilte der Justizminister am Freitag mit.

Um welche Eltern und Fälle geht es konkret?

Als Beispiel nannte Minister Buschmann vor wenigen Tagen in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe einen Vater, der 4.000 Euro im Monat verdient und 40 Prozent der Erziehungsleistung übernimmt. Wenn die hauptbetreuende Mutter des gemeinsamen Kindes 2.000 Euro verdient, zahle der Vater bislang rund 500 Euro Unterhalt.

"Wenn unsere Pläne umgesetzt werden, wird der Vater etwas mehr als 400 Euro zahlen. Der Unterschied kann in einem solchen Fall somit mehr als 100 Euro betragen", sagte Buschmann.

Die Reform des Unterhaltsrechts betrifft nur jene getrennt lebenden Eltern, die sich die Betreuung nicht exakt hälftig teilen. Das sogenannte "asymmetrische Wechselmodell", das Buschmann nun vorschlägt, gilt nach dem Eckpunktepapier ab einem Betreuungsanteil von mehr als 29 Prozent. Grundlage hierfür soll etwa die Zahl der Übernachtungen des Kindes beim jeweiligen Elternteil pro Jahr sein.

Wie viele Familien in NRW würde die Reform betreffen?

In Nordrhein-Westfalen sind dem Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) NRW zufolge rund 20 Prozent der Familien mit minderjährigen Kindern alleinerziehend. "Das entspricht aktuell 588.000 Alleinerziehenden", sagte VAMV-Pressereferentin Ute Zimmermann dem WDR. Und weiter:

"Davon sind 85 Prozent Mütter und 15 Prozent Väter." Ute Zimmermann vom VAMV
zu Alleinerziehenden in NRW

Bundesweit lag die Anzahl der Alleinerziehenden 2021 bei knapp 1,5 Millionen. "Von den rund 13 Millionen Kindern unter 18 Jahren leben inzwischen 18 Prozent mit einem Elternteil im Haushalt. In neun von zehn Fällen ist dies die Mutter", heißt es auf der Homepage des Bundesfamilienministeriums.

Was kritisieren Alleinerziehende aus NRW an dem Vorschlag?

Buschmann argumentierte im Interview mit der Funke-Gruppe: "Wenn wir Väter dazu motivieren, sich stärker in der Betreuung der Kinder zu engagieren, hilft das auch den Müttern. Sie können dann etwa stärker berufstätig sein." Doch das sieht der NRW-Landesverband alleinerziehender Mütter und Väter skeptisch.

Vater spielt mit Kind

Buschmann will Betreuungsanreiz für Männer setzen

"Wir warnen davor, dass die Unterhaltsreform am Ende auf Kosten der Kinder geht", sagte VAMV-Sprecherin Zimmermann. "Schon jetzt sind 42 Prozent der Trennungskinder arm, obwohl viele Alleinerziehende in Vollzeit oder vollzeitnah arbeiten." Da sei der Spielraum für mehr Erwerbsarbeit gering, selbst wenn der andere Elternteil noch einen Nachmittag mehr übernehme.

Heidi Thiemann, Initiatorin der Stiftung "Alltagsheld:innen" für die Rechte von Alleinerziehenden, findet die Vorschläge von Buschmann "überhaupt nicht fair". Sie sagte dem WDR: "Schon jetzt ist fast jedes zweite Kind in einer Ein-Eltern-Familie betroffen, wenn jetzt noch weniger Unterhalt reinkommt, dann ist das jetzt sehr unfair für die Kinder."

Heidi Thiemann, Initiatorin der Stiftung "Alltagsheld:innen" für die Rechte von Alleinerziehenden

Heidi Thiemann von der Stiftung "Alltagsheld:innen"

Thiemann schlägt stattdessen eine steuerliche Entlastung des Unterhaltsleistenden vor - "wenn er sich wirklich auch entsprechend mit der Care-Arbeit in der Familie engagiert." Der angemessene Weg führe über die Steuern und nicht über eine Kürzung von Unterhaltsleistungen.

Wann kommt die Reform?

Das ist noch völlig offen. Ein Eckpunktepapier, wie es nun vorgelegt wurde, ist noch längst kein Gesetzentwurf. Minister Buschmann sagte am Freitag: Das Papier solle eine Diskussionsgrundlage "in der Bundesregierung, mit der Wissenschaft und mit der Rechtspraxis - und natürlich auch mit den betroffenen Trennungsfamilien" bieten. Eine offene Diskussion sei hier der beste Weg zum Ziel, so der Minister.

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