Drei Personen demonstrieren gegen den Neujahrsempfang der AfD in Duisburg

Sozialaktivist zu AfD-Plänen: "Es sieht ziemlich düster für Deutschland aus"

Stand: 13.01.2024, 17:33 Uhr

Die AfD denkt über die massenhafte Ausweisung von Migranten aus Deutschland nach. Wir sprachen mit dem Sozialaktivisten und Autor Ali Can darüber, was das bei Betroffenen auslöst.

Wut und helle Empörung über die AfD – das treibt die Menschen auf die Straßen. In Duisburg und Düsseldorf gab es am Samstag Proteste gegen die Partei, die nach Correctiv-Recherchen mit Rechtsextremen über eine massenhafte Ausweisung von Migranten aus Deutschland gesprochen haben soll. Ein Gespräch mit dem Sozialaktivisten und Autor Ali Can, Sohn einer immigrierten türkisch-kurdisch-alevitischen Familie.

WDR: Herr Can, was macht das mit Ihnen, wenn Sie hören oder lesen, dass die AfD Migranten massenhaft aus Deutschland ausweisen will?

Ali Can: Überrascht war ich, dass viele überrascht reagierten. Ich selbst war nicht wirklich überrascht. Denn die AfD ist in den vergangenen Jahren immer radikaler geworden, sie hat schon immer getrennt zwischen denen, die für sie Deutsche sind und andere, die nicht dazu gehören.

WDR: Kommen in Ihnen nicht Ängste hoch?

Porträt des Sozialaktivisten Ali Can

Der Sozialaktivist Ali Can

Ali Can: Doch, ich habe Angst. Und zwar Angst vor den anstehenden Wahlen. Meine Befürchtung ist, dass die AfD zur stärksten Macht werden könnte und eines Tages in der Lage ist, ihre abstrusen Ideen wie etwa die massenhafte Ausweisung – oder nennen wir es doch Deportation – von Migrantinnen und Migranten auch durchzusetzen. Das Perfide ist doch, dass die AfD ihre menschenverachtende Politik so offen macht. Sie sind sich offenbar ihrer Sache sehr sicher, sonst würden sie es nicht so offen tun.

WDR: Was bedeutet das konkret für Sie?

Ali Can: Ich bin dabei, für mich und für meine Familie einen Plan B zu schmieden. Und zwar denken wir konkret über Auswanderung nach. Ich überlege, welche Länder infrage kommen könnten. Griechenland? Portugal? Oder vielleicht doch weiter weg – eventuell Kanada? Verstärkt werden solche Gedankenspiele durch andere, die ebenfalls überlegen auszuwandern.

WDR: Kann aus Ihrer Sicht ein Verbot der AfD die Lösung sein?

Ali Can: Das kann nur teilweise eine Lösung sein. Man muss sich doch mal klarmachen, wie viele zehntausende Menschen hinter der AfD stehen. Würde die AfD verboten, dann würde dies bei ihren Anhängern viel Unmut erzeugen. Deren Unzufriedenheit würde weiter wachsen – und auch das kann nicht gut enden. Statt eines AfD-Verbots wäre es besser, wenn sich ein politisches Bündnis bilden würde, das aufzeigt, wie menschenverachtend eigentlich die AfD ist.

WDR: Können die Proteste, die es aktuell in einigen Städten gibt, Auftakt eines breiteren Widerstands sein?

Ali Can: Es müsste sich eine echte und starke Widerstandsbewegung in Deutschland bilden, die der AfD Paroli bietet. Ob es dazu kommen wird, weiß ich nicht. Einzelne Proteste und die Lippenbekenntnisse von Menschen, die die AfD verurteilen, reichen nicht. Und sehr wichtig wäre, wenn es vor allem unmittelbar vor Wahltagen zu Protesten gegen die AfD kommt – um gerade unentschlossenen Wählern ins Bewusstsein zu rufen, dass sie der AfD keinesfalls ihre Stimme geben sollten.

WDR: Welche Hoffnungen haben Sie?

Ali Can: Ehrlich gesagt – nach meiner Meinung sieht es ziemlich düster für Deutschland aus, vor allem, falls die AfD auf Wachstumskurs bleiben sollte. Deutschland braucht doch so dringend Fachkräfte aus aller Welt. Aber Menschen aus anderen Ländern werden sich dreimal überlegen, ob sie nach Deutschland zum Arbeiten gehen, wenn die AfD das Sagen hat.

Was mich so traurig stimmt: Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es Ausländer, die dazu beigetragen haben, dass Deutschland ein Wirtschaftswunder erlebte. Wie können viele in diesem Land das offenbar vergessen? Dennoch träume ich manchmal von einem Einwanderungswunder nach dem Motto "Vielfalt ist die neue Kohle". Wenn jetzt alle Demokraten aufstehen und gegen die AfD Front machen, dann muss ich meinen Traum vielleicht doch nicht begraben.

Das Interview führte Sabine Meuter.