Warum Prinz Harrys Buch Großbritannien schockiert

Stand: 07.01.2023, 12:12 Uhr

Prinz Harry hat ein Buch über sein Leben geschrieben. Es erscheint offiziell erst nächste Woche, aber Details sind schon jetzt bekannt geworden. Sie sind nicht nur Klatsch, sondern für das Vereinigte Königreich auch politisch brisant.

Von Christina Höwelhans

Am kommenden Dienstag (10. Januar) erscheint die Autobiografie "Spare" (deutsch: "Reserve") von Prinz Harry. Das Buch ist in dieser Woche in Spanien allerdings - vermutlich versehentlich - schon früher in den Handel gekommen. Britische Medien haben das sofort genutzt, um erste Details zu veröffentlichen. Harry greift demnach das Königshaus an, eine Annäherung zwischen ihm und seiner Familie scheint damit kaum noch möglich. Gleichzeitig ist das Buch eine Belastung für die britische Politik.

Harry berichtet über Tötung von Afghanen

Harry erzählt nämlich nicht nur teils sehr intime Momente aus seinem privaten Leben, etwa von seinem ersten Mal in einem Feld hinter einem Pub und seinem Kokain-Konsum als Siebzehnjähriger. Er berichtet auch von seiner Zeit im Militär:

"Eine der wichtigsten Dinge, die ich in der Armee gelernt habe, ist, dass ich für meine eigenen Handlungen verantwortlich bin. Also meine Zahl: 25." Prinz Harry

So viele Menschen habe er bei seinen Einsätzen gegen die radikalislamischen Taliban in Afghanistan getötet. Harry benutzt dabei auch das Wort "Schachfiguren".

"'Da wird es wirklich ernst, weil das nicht nur hochrangige Militärs in Großbritannien gegen ihn aufgebracht hat, die sagen, dass man darüber nicht spricht", so ARD-Korrespondentin Annette Dittert: "Es ist auch ein enormes Sicherheitsrisiko für ihn selbst." Der hochrangige Taliban Anas Hakkani hat bei Twitter reagiert: "Diejenigen, die Sie getötet haben, waren keine Schachfiguren, sie waren Menschen; sie hatten Familien, die auf ihre Rückkehr warteten." Harry mache sich selbst und möglicherweise auch seine ehemaligen Militärkollegen zum Angriffsziel, so Dittert.

Harry berichtet auch von einem Streit über seine Ehefrau Meghan mit seinem Bruder William, bei dem der Thronfolger ihn zu Boden geworfen haben soll. Das sei "kein sehr schmeichelhaftes Bild für einen zukünftigen König", so der Köngishausexperte Richard Fitzwilliams. Harrys Angriffe auf das Königshaus könnten einen entscheidenden Einfluss auf die Haltung der Briten zu ihrem Königshaus haben, schätzt der britische Verfassungsexperte Craig Prescoot. "Harrys Buch hat das Zeug dazu, die Monarchie zu entzaubern", meint ARD-Korrespondentin Imke Köhler.

Großbritannien politisch und gesellschaftlich verunsichert

Die Veröffentlichung des Buches trifft Großbritannien in einer Situation, in der Politik und Gesellschaft ohnehin sehr verunsichert sind. Nach dem Rückzug von Boris Johnson als Premierminister gab es bereits zwei Nachfolger: Die glücklose Liz Truss und aktuell Rishi Sunak. In Schottland wird weiterhin über eine mögliche Unabhängigkeit von Großbritannien diskutiert.

Im unterfinanzierten Gesundheitssystem NHS gab es in den vergangenen Wochen zudem die größten Streiks seit Jahrzehnten. Auch mit Beginn des neuen Jahres geht es weiter: Pflegekräfte, Rettungssanitäter, Lehrer, Busfahrer, Bahnmitarbeiter - sie alle wollen streiken. Es ist die hohe Inflation, die die Menschen auf die Straße treibt, viele sind ausgebrannt und bemängeln die katastrophale Krankenversorgung.

Prinz Harry hat mit dem britischen Königshaus bereits vor knapp drei Jahren gebrochen, wohnt inzwischen mit seiner Ehefrau Meghan in Kalifornien. Beim Zwist mit Harrys Familie geht es vor allem um verlorenes Vertrauen zwischen Harry und seinem Vater Charles und seinem Bruder William.

In einer Netflix-Doku haben Harry und Meghan vor Kurzem ihre Version der Geschichte erzählt. Sie beschweren sich darin auch über die Behandlung durch die britischen Medien. Die Doku-Serie war vor Weihnachten in Großbritannien die meistgesehene Streaming-Sendung. Harry und Meghan sollen laut Medienberichten für ihren Vertrag mit Netflix 100 Millionen Dollar bekommen haben.

Der Palast schweigt

Am Sonntag (8. Januar) erscheint im britischen Sender ITV ein vorab aufgezeichnetes Interview mit Prinz Harry. Darin geht es auch um die Krönung von Charles am 6. Mai. Wird Harry dabei sein? "Bis dahin kann viel passieren", sagt Harry in einem bereits veröffentlichten Ausschnitt. Er wünsche sich seinen Vater und seinen Bruder zurück - der Ball liege aber nun im Spielfeld des Palastes, so Harry.

Das Königshaus schweigt zu den Vorwürfen von Harry. ARD-Korrespondentin Dittert geht davon aus, dass die Familie bei der Strategie bleibt: "In der Hoffnung, dass sich die Aufregung um das Buch bald totläuft."

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