Seniorin steht am Fenster

Pflegeheime fürchten Bankrott durch Energiekosten

Stand: 25.08.2022, 17:15 Uhr

Pflegeheime schlagen Alarm: Explodierende Energiekosten könnten viele in die Insolvenz treiben. Einzelne Heime verhandeln bereits mit den Pflegekassen über Zuschüsse. Doch das dauere viel zu lange, warnen die Verbände.

Von Nina Magoley

Gut versorgt wollen wohl die allermeisten ihren betagten Vater oder die erkrankte Mutter wissen, wenn der Umzug ins Pflegeheim ansteht. Doch von der Gaskrise sind auch diese Einrichtungen betroffen. Überlegungen, auch in Alten- oder Pflegeheimen die Raumtemperatur herunterzuregeln oder die Flurbeleuchtung zu dimmen, gab es bereits. Der empörte Aufschrei folgte unmittelbar.

Zusätzlich zu den gestiegenen Strom- und Lebensmittelpreisen müssen Pflegeheime ab 1. September ihren Mitarbeitenden Tariflöhne zahlen. Kommt dann noch die Gasumlage hinzu, fürchten viele Einrichtungen jetzt offenbar ihr Aus. Und die Verbände, die sie vertreten, schlagen Alarm.

Klimaanlagen laufen auf Hochtouren

Beim Paritätischen Wohlfahrtsverband NRW gingen derzeit täglich Anrufe von Pflegeheimen ein, sagt Landesgeschäftsführer Christian Woltering. Heimleitungen fragten mehr oder weniger verzweifelt: "Was sollen wir tun?". Denn ein erhöhter Stromverbrauch werde dort nicht erst zum Problem, wenn es draußen kälter wird: Bei der aktuellen Hitze laufen die Klimaanlagen in den Heimen auf Hochtouren, "wir können die Zimmer der alten Menschen nicht auf 40 Grad aufheizen lassen".

Strom und Gas sparen werde natürlich auch in den Pflegeheimen ein Thema werden, sagt Woltering. In der Wäscherei, bei der Beleuchtung, beim Heizen. Aber die Möglichkeiten seien begrenzt: "Es geht um vulnerable Personen, alte Menschen, die sich schneller erkälten, die gesundheitlich angeschlagen sind." Das sei nicht vergleichbar mit Privathaushalten.

"Dramatisch gestiegene Kosten"

Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (BPA), der mehr als 12.000 private Pflegeheime in Deutschland vertritt, forderte bereits eine Direkterstattung der zusätzlichen Energiekosten. "Allein die Gaspreise haben sich im Schnitt verdreifacht, in manchen Fällen verzehnfacht", sagte BPA-Präsident Bernd Meurer. Die Einrichtungen seien mit Preisanhebungen der Gasversorger in Höhe von mehreren zehntausend Euro monatlich konfrontiert.

Finanziert werden Pflegheime über die Beiträge der Bewohner und über die Pflegekassen. Schon im Juni hätte man die Pflegekassen wegen der "dramatisch gestiegenen Kosten" zu schnellen Nachverhandlungen aufgefordert, so Meurer. Bislang aber sei in vielen Bundesländern keine Bereitschaft zu erkennen, "wirtschaftlich tragfähige Lösungen zu finden". Der BPA fordert daher, dass Pflegeeinrichtungen - ähnlich wie beim Pflege-Rettungsschirm in der Corona-Pandemie - die höheren Abschläge ihrer Energieversorger direkt bei den Kostenträgern geltend machen können.

Heime können Zuschüsse verhandeln

Der Verband der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen (GKV) gibt an, bislang "lediglich in Einzelfällen" von Problemen in Pflegeheimen "aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Situation" zu wissen. Ein Sprecher weist aber darauf hin, dass es laut Gesetz möglich sei, bei "unvorhersehbaren wesentlichen Veränderungen" die Pflegesätze für den laufenden Zeitraum neu zu verhandeln. Die steigenden Energiepreise könnten Anlass dazu sein.

Entweder führe solche Verhandlungen ein Vertretungsverband wie der BPA - sehr oft aber würden einzelne Heime mit den Pflegekassen individuell für sich verhandeln, erklärt der Sprecher. Für die rasante Preisentwicklung auf dem Gasmarkt seien solche Verfahren allerdings viel zu langsam, kritisiert der BPA.

Zuschuss-Pauschale für alle Heime?

Um die steigenden Kosten tragen zu können, bräuchten die Pflegeeinrichtungen jetzt finanzielle Unterstützung. Die gesetzlich möglichen Verhandlungen dauerten zu lange, sagt auch Christian Woltering vom Paritätischen Wohlfahrtsverband NRW. In einigen Bundesländern sei daher bereits eine Pauschale geplant, die die Pflegekassen an die Heime zahlen - um den extremen Aufwand der Einzelfallprüfung zu umgehen. In Niedersachsen wird diese Pauschale bereits ausgezahlt.

In NRW liege da die Hoffnung auch auf dem Gesundheitsministerium, sagt Woltering. Doch dort winkt man ab. Ein "Gießkannenprinzip" sei hier "nicht sinnvoll", antwortet ein Ministeriums-Sprecher auf WDR-Nachfrage: Die Auswirkungen der Energiekrise könnten "einrichtungsindividuell unterschiedlich sein". So hätten manche Heime Photovoltaikanlagen oder Fernwärmeanschluss, andere nicht.

Das Ministerium verweist auf die Möglichkeit zur Nachverhandlung - und die sei "originäre Aufgabe der Pflegeselbstverwaltung", sprich Heime und Kostenträger. Das Ministerium "erwartet daher, dass die Selbstverwaltung ihrer Pflicht nachkommt, in der aktuellen Krise schnelle, zielführende und pragmatische Lösungen zu finden, die dafür sorgen, dass weder Pflegeeinrichtungen in finanzielle Schieflage geraten noch der (finanzielle) Schutz der Pflegebedürftigen ausgehöhlt wird".

Für Christian Woltering steht fest: Finde sich keine Lösung, müssten die Mehrkosten auf die Bewohner der Heime umgelegt werden. "Aber das will wohl keiner."

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