Hitzeschutz im Pflegeheimen

Warum Pflegeheime einen weiteren Hitzesommer fürchten

Stand: 19.06.2022, 09:06 Uhr

Hitze trifft ältere und kranke Menschen besonders hart. Umso wichtiger, dass sie richtig geschützt werden. Die Pflegeheime tun zwar, was sie können. Aber sie vermissen Hilfe aus der Politik in NRW.

Von Anja Lordieck und Jule Zentek

Noch ist es im Gemeinschaftsraum auszuhalten. Doch klettern die Temperaturen im Sommer auf über 30 Grad, wird es in den Räumlichkeiten des Altenheims "Haus Elisabeth" in Ennepetal schnell heiß. Die Bewohnerinnen und Bewohner suchen sich dann ein schattiges Plätzchen auf der Terrasse.

Wird es aber auch draußen so richtig heiß, bleiben sie lieber in ihren Zimmern. Dort könne man die Hitze noch aushalten, sagen die Bewohnerinnen Helga Fernholz und Siegrid Haselbeck. Das Tückische: Ältere Menschen merken häufig nicht, wann die Hitze für sie gefährlich wird.

Hitze bedeutet mehr Arbeit für die Pflegekräfte

Wenn sie dann durch Hitze gesundheitliche Probleme bekommen, kann es schnell zu spät sein. "Ältere Menschen trinken in der Regel sowieso schon nicht genug und sie nehmen häufig Medikamente, die das Hitze- oder Kälteempfinden beeinflussen“, sagt Tuin. Außerdem können ältere Menschen sich nicht so leicht auf Temperaturveränderungen einstellen wie jüngere Menschen. Das mache Hitze sie so gefährlich für sie.

Für die Pflegekräfte ist der Arbeitsaufwand an heißen Tagen besonders groß: immer wieder Wasser reichen, Speisepläne anpassen, regelmäßig Blutdruck messen und hin und wieder Wasserbäder für Füße, Arme und Hände. Doch das reicht nicht, um sich vor Hitze zu schützen.

Träger fordern finanzielle Unterstützung und Investitionsprogramme

Viele der Gebäude stammen aus einer Zeit, als das Thema Hitze noch nicht so im Fokus stand. „Wir haben nicht alle Räume mit Jalousien ausgestattet, wir haben keine Klimaanlage. Solche Dinge sind schon wünschenswert“, sagt Pflegedienstleiterin Petra Tuin.

Doch dafür fehlen die finanziellen Mittel. So geht es vielen Einrichtungen im Land, teilen mehrere gemeinnützige Träger und Spitzenverbände auf Anfrage des WDR-Magazins Westpol mit.

Nachrüstung finanziell nicht machbar

"Baulich notwendige Klimamaßnahmen werden vom Ministerium als 'nice to have' beurteilt“, sagt der Pressesprecher der Caritas NRW, Markus Lahrmann. Eine Nachrüstung sei deshalb für die allermeisten gemeinnützigen Träger finanziell nicht machbar. Bei der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe fordert man zudem Investitionsprogramme für mehr Klimaschutz.

NRW-Ministerium sieht kein Problem

Das NRW-Gesundheitsministerium sieht da kein Problem. "Maßnahmen, die zur Erfüllung bauordnungsrechtlicher Anforderungen und sonstiger verbindlicher Vorgaben erforderlich sind, werden als angemessene Investitionskosten refinanziert. Das gilt auch für Hitzeschutzmaßnahmen“, hieß es auf Nachfrage. Zudem werde die Baukostenhöchstgrenze im Alten- und Pflegegesetz jährlich angepasst. Das nächste Mal sei es im Juli 2022 soweit.

Die Professorin für Klimaanpassung im Gesundheitsbereich, Dr. Henny Anette Grewe von der Hochschule Fulda, fordert außerdem flächendeckende Konzepte wie ein Hitzeaktionsplan, die Städten und Kommunen dabei helfen, mit kurzfristigen und langfristigen Maßnahmen in Hitze-Situationen richtig zu reagieren.

In NRW tue sich in den letzten Jahren zwar etwas, doch bezogen auf gesetzliche Vorgaben und Akutmaßnahmen sei da noch viel Luft nach oben. "Wenn Hitzeschutz auf freiwilliger Basis passiert, wird er nach hinten geschoben, weil die Arbeitslast durch die verpflichtenden Aufgaben zu hoch ist“, kritisiert Grewe.

Hitze-Knigge aus Köln

Eine Idee, wie so ein Hitzeaktionsplan aussehen könnte, gibt es in Köln. Als gemeinsames Projekt mit dem Universitätsklinikum Bonn, der Stadtentwässerungsbetriebe und Rhein Energie hat die Stadt einen ersten Hitzeaktionsplan entworfen. Kernstück sind ein Elf-Punkte-Plan und ein "Hitze-Knigge“, die erklären, wie man sich bei Hitze richtig verhält und schützt.  

Dafür wurden ältere Menschen und auch Pflegeeinrichtungen der Stadt zu ihrem Umgang mit Hitze befragt. "Durch diese Studie wissen wir, dass sich die Zahl der heißen Tage in der Stadt perspektivisch deutlich erhöhen wird und wir natürlich eine besonders vulnerabel Gruppe besonders informieren und schützen müssen“, sagt der Leiter des zuständigen Umweltschutz- und Verbraucherschutzamtes, Konrad Peschen. Ende Juli läuft das Projekt aus. Ein Abschlussbericht soll dann weitere Informationen liefern, mit denen die Stadt weitere Maßnahmen zur Anpassung an Hitze entwickeln und umsetzen will.

Wenig Licht, viel Luft und Wasser

Auch Petra Tuin würde gern weitere Maßnahmen ergreifen und zum Beispiel die Räume im Haus Elisabeth gern so aufrüsten, dass sie sich weniger stark aufheizen. Doch solange die nötigen finanziellen Mittel fehlen, wird hier weiter das getan, was zumindest ein wenig gegen die Hitze hilft: Die Fenster werden abgedunkelt, es wird gelüftet, Ventilatoren werden aufgestellt und es wird Wasser gereicht. 

Patientenschützer fordern neue Bauvorschriften

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz fordert ebenfalls einen besseren Hitze-Schutz für die Pflegeheime. "Der Klimawandel macht vor den Heimen nicht Halt", sagt Vorstand Eugen Brysch und fordert Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf, die Bauvorschriften für Neubauten der Heime sofort anzupassen. "Bei den Altbauten muss spätestens in drei Jahren Schluss mit überhitzten Pflegeheimen sein."

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