Einheitstags: Nie waren Ost und West so unterschiedlich
Aktuelle Stunde . 03.10.2024. 31:24 Min.. Verfügbar bis 03.10.2026. WDR. Von Nadine Minger.
"Wessi-Ossi-Momente": Der lange Weg zur Deutschen Einheit
Stand: 02.10.2024, 17:56 Uhr
Potsdam und Bonn waren schon vor der Wiedervereinigung Partnerstädte. In vielen Begegnungen sind sich "Ossis" und "Wessis" dabei nähergekommen.
Dass BRD und DDR zwei verschiedene Staaten sind, ist seit 34 Jahren Geschichte. Dennoch wird die Frage, ob Ost- und Westdeutschland seitdem wirklich zu einem Land zusammengewachsen sind, immer wieder leidenschaftlich diskutiert. Ganze Generationen wurden schließlich auf völlig unterschiedliche Weise sozialisiert.
Bei der Annäherung geholfen haben sicherlich auch die vielen Städtepartnerschaften, die zwischen ost- und westdeutschen Kommunen inzwischen entstanden sind. Einige davon gab es sogar schon vor der Wiedervereinigung. So auch die Freundschaft zwischen Bonn und Potsdam. Der Verein "Potsdam-Club Bonn" ging 1988 eine offizielle Städtepartnerschaft mit dem damaligen DDR-Verein "Bonn-Club Potsdam" ein.
"Wessi-Ossi-Momente gibt es bis heute"
Zum Tag der Deutschen Einheit hat die Bonner Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Grüne) beide Vereine zu einem Austausch eingeladen. Vorab berichteten die beiden Vereinsvorsitzenden am Mittwoch im WDR von ihren Erfahrungen aus mehr als drei Jahrzehnten Ost-West-Städtepartnerschaft.
Und ja, auch sie beide stellen fest, dass es bis heute sogenannte "Wessi-Ossi-Momente" bei ihren Begegnungen gebe. "Die wird's auch weiterhin geben", sagt Jeannette Wachholz, Vorsitzende aus Potsdam.
Wobei sich die Menschen privat schon sehr weit einander angenähert hätten, sagt Wachholz. Die Unterschiede lägen vielmehr auf "politischer Ebene": Nach wie vor unterschiedliche Tarife in vielen Branchen, unterschiedliche Renten - "so viele Jahre nach der Wiedervereinigung".
Jeannette Wachholz, Vorsitzende des "Bonn-Club Potsdam"
Manchmal fehle es aber auch noch an "Akzeptanz für individuelle Lebenswege", so die Potsdamerin: Nicht jeder in Ostdeutschland aufgewachsene Mensch habe den von ihm oder ihr erträumten Lebensweg einschlagen können. "Mancher, der studieren wollte, bekam keine Möglichkeit dazu."
"Ostdeutsche fühlen sich als Ostdeutsche"
Walter Christian, Vorsitzender des "Potsdam-Club Bonn"
Auch Walter Christian, Vorsitzender des "Potsdam-Club Bonn", erinnert sich an "Wessi-Ossi-Momente". Bei einem Gespräch, zu dem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier 2020 eingeladen hatte, kamen jeweils 20 Ostdeutsche und Westdeutsche, die etwa zur Zeit der Wiedervereinigung, also um 1989/90 herum, geboren wurden. "In der Runde wurde sehr deutlich, dass junge Ostdeutsche das Bewusstsein haben, dass sie zu Ostdeutschland gehören", sagt Christian, "während Westdeutsche sagten, durch die Wiedervereinigung habe sich bei ihnen nichts geändert".
Die Teilnehmer aus dem Westen hätten dagegen gesagt: "Ich bin Deutscher - dass ich Westdeutscher bin, reflektiere ich gar nicht."
Nach Ausbau Ost: "Neue" Bundesländer
Dass bis heute oft von den "neuen" Bundesländern die Rede ist, klinge für sie gar nicht so falsch, sagt Jeanette Wachholz: "Ein bisschen fühlt man sich schon so." Seit der Wiedervereinigung sei "ziemlich viel Geld" aus dem Westen in Straßenbau oder Wohnungsbau im Osten geflossen.
Aber die Unterschiede zwischen Ost und West würden mit jeder Generation ein bisschen weniger, ist sich Wacholz sicher. Und schließlich gibt es auch etwas Verbindendes: Mit dem Wiederaufbau habe die Nachkriegsgeneration die größte Aufgabe gehabt - im Osten genauso wie im Westen.
Unsere Quellen
- Interview mit Jeannette Wachholz, Vorsitzende des Vereins Bonn-Club Potsdam
- Interview mit Walter Christian, Vorsitzender des Vereins Potsdam-Club Bonn