Weniger Nachwuchs in NRW: Aber nicht überall
Aktuelle Stunde . 03.01.2025. 09:39 Min.. Verfügbar bis 03.01.2027. WDR. Von Meike Hendriksen.
Zahl der Neugeborenen in NRW sinkt erneut
Stand: 03.01.2025, 15:09 Uhr
In NRW wurden 2024 weniger Babys geboren als im Vorjahr. Als Gründe gelten globale Krisen, aber auch Wohnungs- und Betreuungsnot.
Im dritten Jahr in Folge sind 2024 in Nordrhein-Westfalen weniger Babys geboren worden. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes in Düsseldorf kamen im vergangenen Jahr rund 153.800 Kinder in NRW zur Welt. Das waren nach ersten Schätzungen etwa 1.700 oder 1,1 Prozent weniger als 2023. Auch in den Vorjahren gab es mit 6,2 Prozent (2022) und 5,5 Prozent (2023) laut IT-NRW Rückgänge bei den Geburten.
Für 31 der 53 Kreise und kreisfreien Städte in NRW werden niedrigere Geburtenzahlen als im Vorjahr erwartet. Die deutlichsten Rückgänge gab es 2024 im Kreis Olpe (minus 8,9 Prozent), in Duisburg (minus 7,3 Prozent) und in Mülheim an der Ruhr (minus 6,1 Prozent). Anders sah es dagegen im Kreis Höxter aus: Dort stiegen die Zahlen um 4,1 Prozent. Auch in Paderborn (3,6 Prozent), im Kreis Steinfurt (3,1 Prozent) und in Bottrop (3,1 Prozent) gingen die Zahlen nach oben.
Die am Freitag veröffentlichten Zahlen basieren auf Schätzungen und vorläufigen Daten. Die endgültigen Daten mit Infos zum Alter der Mütter und durchschnittlicher Kinderzahl sowie Mehrlingsgeburten sollen ab Juni 2025 vorliegen.
Junge Menschen verunsichert durch Klimawandel, Kriege und Krisen
Martin Bujard vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung bezeichnet den Rückgang der Geburtenrate in den vergangenen zwei Jahren als "massiv". Er verweist auf die Vielzahl an aktuellen Krisen, über die sich die Menschen Gedanken machten: "Nach der Corona-Pandemie kam der Ukraine-Krieg, dann die Inflation, man merkt den Klimawandel immer stärker, es gibt Probleme durch Rechtspopulismus." Vor allem in den sozialen Medien würden junge Menschen permanent mit Katastrophenszenarien konfrontiert und dadurch verunsichert. "Und Verunsicherung ist Gift für die Familienplanung", so Bujard.
Mehr Geld für Kitas gefordert
Neben Krisen und Einflüssen von außen gebe es laut Bujard aber auch "hausgemachte Probleme" in diesem Bereich, die man politisch angehen könne. Zu nennen sei dabei der Zustand der Kinderbetreuung: "Die fällt oft aus und wird als unzuverlässig erlebt, es gibt zu wenig Geld und zu wenig Fachkräfte." Auch die Situation beim Wohnungsmarkt, auf dem es zu wenig Wohnraum für Familien gebe, sieht er kritisch.
"Kinder sind die Zukunft"
Wenn die Geburtenrate beim derzeitigen Stand von 1,3 Kindern pro Frau bleiben sollte, würde laut Berechnungen der Bevölkerungsstatistik die kommende Generation rund ein Drittel kleiner werden als die jetzige. Das Ergebnis wären laut Bujard "erhebliche Nachteile für die gesellschaftliche und ökonomische Zukunft des Landes", vom Fachkräftemangel über die Rente bis zu den Sozialsystemen.
Was also tun? Bujard spricht sich dafür aus, den Menschen trotz aller Krisen Mut zu machen, eine Familie zu gründen und Kinder zu bekommen. "Wir leben in Deutschland immer noch in einer sehr reichen, sehr sicheren Gesellschaft. Und Kinder sind die Zukunft."
Haben sinkende Geburtenraten auch Vorteile?
Der Publizist und Sozialrecht-Dozent Martin Staiger sieht hingegen in einer sinkenden Geburtenrate Vorteile: Der Betreuungsnotstand in den Kitas und Schulen ginge genauso zurück wie die Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt, so seine Prognose. Auch um die Rentenkassen müsse man sich keine Sorgen machen, schreibt er in einem Kommentar in der "Frankfurter Rundschau" mit dem Titel "Warum weniger Kinder gut für die Rente sind". Bei sinkenden Geburtenraten gäbe es weniger Staatsausgaben wie etwa Kinder- und Elterngeld, gleichzeitig hätten Personen ohne Kinder mehr Zeit für bezahlte Erwerbsarbeit - was wiederum der Staatskasse zugute käme.
Auch der bekannte britische Wissenschaftsjournalist und Naturfilmer David Attenborough glaubt: "Alle unsere Umweltprobleme lassen sich leichter lösen, wenn es weniger Menschen gibt." Er unterstützt die britische Organisation "Population Matters", die sich gegen die weltweite Überbevölkerung engagiert, um so dem Ressourcenverbrauch entgegenzuwirken.
Unsere Quellen:
- Landesbetrieb IT.NRW
- Nachrichtenagentur dpa
- Interview mit Martin Bujard für die "Aktuelle Stunde"
- Homepage "Population Matters"
- Frankfurter Rundschau