Rettungsdienststudie der Johanniter in NRW
Aktuelle Stunde . 30.01.2024. 03:34 Min.. UT. Verfügbar bis 30.01.2026. WDR. Von Katharina Spreier.
Rettungsdienst-Studie: Das sind die Herausforderungen in der Notfallversorgung
Stand: 30.01.2024, 20:38 Uhr
Rettungssanitäter sehen die Notfallversorgung in NRW am Limit. Was Experten fordern, damit der Rettungsdienst auch künftig funktioniert - und was die Politik plant.
Es ist eine Krux: Die Rettungsdienste suchen händeringend Fachkräfte. Gleichzeitig sind Beschäftigte wegen steigender Notrufzahlen immer höheren Belastungen ausgesetzt. Das zeigt eine am Dienstag veröffentlichte Studie der Johanniter in NRW. Hierfür hatte ein unabhängiges Forschungsinstitut knapp 20 Fachleute zu Herausforderungen und Zukunftsperspektiven des Rettungsdienstes befragt.
Die Befragten sind sich einig: Bei der Notfallversorgung sei es "15 nach 12". Die Rettungsdienste stehen der Studie zufolge vor einigen Herausforderungen, zum Beispiel:
Mangel an Fachkräften: In den Rettungsberufen fehlt es an Fachkräften, das bedroht die Versorgungssicherheit in NRW – alle Befragten sind dieser Ansicht.
Vorgeschlagene Lösung: Die Krankenkassen und Kommunen sind in der Pflicht, die Investitionen in die Ausbildung der Rettungsberufe stark zu erhöhen. Die Ausbildung muss für Azubis künftig komplett kostenfrei sein. Vor allem müssen künftig mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen.
Zu oft wird unberechtigt die 112 gewählt: Im Notfall wird die 112 gewählt – und das immer öfter ohne medizinische Notlage. Alarmierungen dieser Art belasteten die Rettungskräfte, die kaum noch Pausen zwischen den Einsätzen hätten, heißt es in der Studie. Zugleich seien sie blockiert für lebenskritische Notfalleinsätze.
Vorgeschlagene Lösung: Die Rufnummern 112 und 116 117 (kassenärztlicher Bereitschaftsdienst) erreichen künftig eine digital integrierte Gesundheitsleitstelle. Geschultes Personal priorisiert eingehende Anrufe und leitet sie weiter - und das alles auf Basis eines einheitlichen Beurteilungssystems.
Nicht immer einen Rettungswagen rausschicken: Aktuell kommt der Studie zufolge zu fast allen gemeldeten Notrufen ein Rettungswagen, der für jeden medizinischen Einsatz gleich ausgestattet ist – ohne die Hilfsmittel sauber nach Priorität und Bedarf der Notfälle aufzuteilen.
Vorgeschlagene Lösung: Eingehende Notfälle sind nach Bedarf zu den passenden Rettungsmitteln zu priorisieren. Für nicht lebensbedrohliche Fälle soll statt eines Rettungswagens ein Krankentransportwagen fahren.
Und das sieht die NRW-Politik vor:
Aufhänger der Studie ist die Novellierung des Rettungsgesetzes NRW. Ein Gesetzentwurf ist für dieses Jahr geplant. Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte im vergangenen Sommer in einer Sitzung des Gesundheitsausschusses ein paar Kernpunkte umrissen, unter anderem:
- Sektorenübergreifend soll die Zusammenarbeit der Leitstellen des Rettungsdienstes (112) mit dem kassenärztlichen Bereitschaftsdienst (116 117) gestärkt und die Überleitung von Patientinnen und Patienten vereinfacht werden.
- Eine bessere Vernetzung durch Digitalisierung wird geprüft.
- Die konkrete Ausgestaltung für die NRW-Reform hängt von den Reformen im Bund ab.
Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Notfallversorgung reformieren. Hierfür hatte er Anfang Januar ein Eckpunktepapier und einen Referentenentwurf vorgelegt. Das neue Gesetz soll im Januar 2025 in Kraft treten. Eine Reform des Rettungsdienstes hat der Bund ebenfalls geplant.
Laumann: Wollen Rettungsnummern zusammenlegen
Heute äußerte sich NRW-Gesundheitsminister Laumann gegenüber dem WDR noch einmal zum aktuellen Stand. Die Reform in NRW solle im Einklang mit den Maßnahmen des Bundes stehen. Den Vorschlag des Bundes, die Nummern für Rettungsdienste und den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst zusammenzulegen, werde NRW in diesem Jahr flankieren, so Laumann. Die Maßnahme halte er für "eine ganz wichtige Sache". Man habe damit schon probeweise Erfahrung in Ostwestfalen gemacht. "Das führt wirklich zu guten Ergebnissen, weil dann die Rettungswache im Gespräch klären kann, ob der Mensch nicht genau so gut in eine Notfallpraxis gehen kann oder wirklich ein Krankenhaus und Rettungsdienst braucht."
Nur in einem Punkt sieht er Diskussionsbedarf mit dem Bund. "Dass die Notfallpraxen aufhaben sollen, wenn auch die Arztpraxen geöffnet sind", sagt Laumann, damit habe er ein Problem. So schließe man vor allem die Hausarztpraxen. "Wie soll der Arzt gleichzeitig in seiner Praxis und Notfallpraxis sein?", bemängelt der Minister. Das wolle er mit dem Bundesgesundheitsministerium noch einmal in Ruhe besprechen.
Für das Land sieht Laumann (CDU) die Novellierung des Gesetzes noch in diesem Jahr vor. Vorher will er mit der Feuerwehr, den Rettungsdiensten, Städten und kreisfreien Städten in den Dialog gehen. "Damit wir am Ende auch einen Gesetzesentwurf haben, wo die Praktiker sagen, so ist es vernünftig", meint der Gesundheitsminister.
Unterschiedliche Befugnisse der Leitstellen vereinheitlichen
"Fest steht, der Rettungsdienst in NRW muss dringend und umfassend reformiert werden", sagte Tobias Eilers, Pressesprecher der Johanniter in NRW, dem WDR. Es gebe innerhalb des Landes viele Leitstellen, bei denen Rettungsdienst-Regularien und Einsatzbefugnisse unterschiedlich geregelt seien. Das führe im Alltag immer wieder zu Problemen.
Eilers nannte ein Beispiel: In einer Wache, etwa in einer großen Stadt in NRW, können ein paar Frauen und Männer grippebedingt nicht zum Dienst kommen. Von einer benachbarten Wache, die in einer anderen Kommune oder in einem anderen Kreis liegt, könne man sich keine personelle Unterstützung holen, da dort womöglich andere Vorschriften herrschten. Die Befugnisse von Rettungsdiensten müssten dringend landesweit vereinheitlicht werden, damit auch künftig Menschen in Not überall in NRW geholfen werden könne.
Unsere Quellen:
- Studie der Johanniter in NRW
- Tobias Eilers im WDR5-Interview