"Klimaticket"? Das könnte der Nachfolger des Neun-Euro-Tickets sein

Stand: 01.07.2022, 16:35 Uhr

Das Neun-Euro-Ticket läuft Ende August aus. Ob es eine Nachfolge geben wird, steht noch nicht fest. Aber offenbar denkt die Bundesregierung über ein "Klimaticket" nach.

Von Christian WolfChristian Wolf

Seit genau einem Monat gibt es das Neun-Euro-Ticket für den Nah- und Regionalverkehr. Die Fahrt mit Bus und Bahn soll dadurch einfacher und attraktiver werden. Doch wird das befristete Angebot auch in der Praxis angenommen? Die nackten Zahlen legen diesen Schluss nahe. Laut Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) gibt es bereits 26 Millionen Nutzer in ganz Deutschland. Bei 83 Millionen Bundesbürgern ein nicht ganz schlechter Wert.

Doch was halten die Menschen von dem Neun-Euro-Ticket? Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen lässt seit Wochen regelmäßig Umfragen vom Meinungsforschungsinstitut Forsa durchführen. Demnach halten 76 Prozent das Ticket für ein insgesamt sehr attraktives Angebot. Die Gründe für den Kauf sind unterschiedlich: 71 Prozent nennen den Preis, 40 Prozent den Verzicht auf Autofahrten, 39 Prozent die flexible Nutzung am Wohnort und 34 Prozent die deutschlandweite Gültigkeit.

Kommt ein Nachfolger für das Neun-Euro-Ticket?

Verkehrsminister Wissing sprach schon am zweiten Tag des Neun-Euro-Tickets von einem "Kassenschlager" und einem "Erfolg". Da stellt sich die Frage, wie es dann ab September weitergehen soll, wenn das Ticket ausläuft, obwohl es bei den Menschen so gut ankommt? In der Bundesregierung macht man sich darüber offenbar schon Gedanken.

Am Montag meldeten mehrere Medien, dass es Überlegungen gebe, das Neun-Euro-Ticket in veränderter Form als "Klimaticket" fortzuführen. Dies solle Teil des Klimaschutz-Sofortprogrammes werden, das Mitte Juli beschlossen werden soll. Wie genau ein solches "Klimaticket" aussehen und was es kosten würde, ist noch unbekannt. Bislang heißt es nur, dass es ebenfalls vergünstigt und einheitlich für alle Länder als Monats- oder Jahreskarte gelten soll. Es gehe um den Nah- und Regionalverkehr mit Zügen und anderen Verkehrsmitteln.

SPD-Politiker sieht Perspektive im Jahresticket

SPD-Politiker Mustafa Güngör ist nach dem Testlauf des 9-Euro-Tickets davon überzeugt, dass die Menschen bereit seien umzusteigen. "Wir würden jetzt gerne für ein Jahr ein Preismoratorium mit einem 365-Euro-Ticket einführen. Dann haben wir eine Planungssicherheit für Bund und Länder", so Güngör im WDR.

"In dieser Zeit wäre es dann trotzdem möglich, mit quasi einem Euro pro Tag zu fahren und dann die gesamte ÖPNV-Tarifstruktur plus den Ausbau auf eine neue Grundlage zu stellen", so der Sozialdemokrat weiter. Einen Brief mit diesem Vorschlag hat Güngör als SPD-Fraktionschef im Bremer Senat bereits an die Fraktionschefs aller Länder geschickt.

Ab September zurück in den "Normal-Modus"? Das hält Güngör für keine gute Idee. Die Gelegenheit für weniger Staus und eine Maßnahme im Kampf gegen den Klimawandel müsse jetzt genutzt werden.

Eine Frage des Geldes

Ob ein solches oder ein anderes Nachfolger-Ticket tatsächlich kommt, ist aber noch offen. Denn eigentlich sind für den öffentlichen Nahverkehr die Länder zuständig. Die müssen also - wie beim Neun-Euro-Ticket - erneut mit ins Boot geholt werden. Ein Problem könnte das Geld sein. Denn wenn es dauerhaft ein günstiges Ticket gibt, fallen Einnahmen weg. In Medienberichten heißt es, der Bund sei bereit, ein solches Ticket "finanziell zu unterstützen". Dabei hat erst am Montag Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die Erwartungen an einen Nachfolger des Neun-Euro-Tickets gedämpft.

Warnung vor weniger Angebot

Die Verkehrsbranche verlangt sowieso mehr Geld. Sie beklagt, dass sie zu wenig Mittel von der Politik bekommt, um das Angebot an Bussen und Bahnen zu bezahlen. "Die Bundesregierung kommt aktuell schon ihren finanziellen Zusagen aus dem Koalitionsvertrag nicht nach und zudem explodieren auch in unserer Branche seit Monaten die Kraftstoff- und Energiekosten", sagt Ingo Wortmann, Präsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen. Wenn das nicht schnellstmöglich gelöst werde, müsse man über "Angebotseinschränkungen" ab Herbst sprechen, statt über eine Fortsetzung eines Neun-Euro-Tickets.

Ob und wie es ab September mit dem Neun-Euro-Ticket weitergeht, ist also noch offen. Am Ende könnte es - wie so häufig - am Geld scheitern, dass ein Nachfolgemodell entsteht.

Umweltbundesamt macht Vorschlag zur Finanzierung

Zustimmung für ein Nachfolgemodell kommt auf jeden Fall vom Umweltbundesamt. Schon Anfang Juni hatte die Behörde nach dem Auslaufen des Tickets weiterhin vergünstigte Jahrestickets gefordert. Finanziert werden könnte das durch die Streichung klimaschädlicher Subventionen im Verkehrssektor - zum Beispiel für Diesel. Da gehe es um rund 30 Milliarden Euro. Damit könne schätzungsweise die Hälfte der Betriebskosten von Bus und Bahn in Deutschland gedeckt werden.

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