Muezzinruf in Köln: Was dafür spricht und was dagegen

Stand: 14.10.2022, 13:39 Uhr

Der Muezzinruf, der von nun an regelmäßig an der Zentralmoschee in Köln ertönt, ist umstritten. Statements und Argumente pro und contra.

Von Freitag an ertönt nun wöchentlich an der Zentralmoschee in Köln öffentlich per Lautsprecher der Muezzinruf. Groß ist nicht nur die Freude, sondern auch die Kritik daran. Was spricht dafür und was dagegen? Eine kleine Auswahl an Argumenten.

Pro: Was spricht für den Muezzinruf an der Zentralmoschee?

10.07.2019, Nordrhein-Westfalen, Köln: Abdurrahman Atasoy, Generalsekretär, spricht bei einer Pressekonferenz des Islamverbandes Ditib

Abdurrahman Atasoy, Ditib-Vize

Der Muezzinruf sei ein wichtiger Schritt zur Wahrnehmung der muslimischen Glaubensgemeinschaften als Teil der Gesellschaft, sagte Abdurrahman Atasoy, stellvertretender Vorsitzender der türkisch-islamischen Organisation Ditib, zu der die Kölner Zentralmoschee gehört.

"Das Freitagsgebet ist im Islam das wichtigste Gebet der Woche und in seiner religiösen Bedeutung vergleichbar mit dem christlichen Sonntagsgottesdienst oder dem jüdischen Schabbat", so die Ditib. Durch den Gebetsruf würden Muslime an das gemeinschaftliche Gebet erinnert.

Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker

Henriette Reker, Kölner Oberbürgermeisterin

Der Gebetsruf sei prinzipiell durch die Religionsfreiheit gedeckt, sagte Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) bei der Ankündigung, den regelmäßigen Muezzinruf zu genehmigen.

Während in Kirchen die Glocken läuteten, um die Gläubigen zum Gottesdienst zu rufen, seien es in den Moscheen die Rufe des Muezzins, so eine Sprecherin der Stadt.

"Zur Religionsfreiheit gehört nach meinem Verständnis, dass man seinen Glauben nicht nur im privaten Kämmerlein ausüben kann, sondern dass dies auch öffentlich geschehen kann", sagte der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, am Freitag dem WDR.

Damit der Muezzinruf nicht zu laut ist, hat die Moscheegemeinde ein Schall-Gutachten erstellen lassen - eine Vorgabe der Stadt. Der Muezzinruf wird demnach nur in unmittelbarer Nähe der Moschee zu hören sein. Er darf die Lautstärke von 60 Dezibel nicht überschreiten, was etwa der Lautstärke eines normalen Gesprächs entspricht.

Ditib-Vertreter Zekeriya Altuğ versicherte, niemanden mit dem Muezzinruf "vergraulen" zu wollen. "Es ist uns sicherlich daran gelegen, unsere Nachbarn nicht zu stören in ihrem Alltag."

Contra: Was spricht gegen den Muezzinruf an der Zentralmoschee?

Ahmad Mansour, Portätfoto von 2019

Ahmad Mansour, Islamismus-Experte

Scharfe Kritik gibt es vor allem daran, dass der Muezzinruf an einer Moschee der Organisation Ditib ertönt. Der Berliner Islamismus-Experte Ahmad Mansour ist der Auffassung, dass die Ditib der verlängerte Arm der türkischen Religionsbehörde in Ankara sei.

Er kritisierte den Muezzinruf als "Machtdemonstration des politischen Islam". Der Vergleich mit den Kirchen überzeuge ihn nicht. "Beim Glockengeläut geht es um Klang, beim Muezzinruf geht es um konkrete religiöse Botschaften." Der Muezzin rufe, dass es keinen anderen Gott als Allah gebe und dass Mohammed sein Gesandter sei. "Das ist also ein deutlicher Unterschied zu einfachem Läuten."

Widerspruch zu der These des Muezzinrufs als "Machtdemonstration" kam nicht nur vom Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sondern auch von Murat Kayman vom Beirat der Alhambra-Gesellschaft, die die Ditib generell sehr krititisch sieht. Dafür sei die Gemeinde der Ditib-Zentralmoschee zu vielfältig, denn sie bestehe aus Muslimen unterschiedlicher Herkunft, sagte Kayman in einem Interview.

Susanne Schröter bei der Vorstellung der neuen Denkfabrik "R21"

Susanne Schröter, Islam-Forscherin

Die Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam, Susanne Schröter, befürchtet, dass der Muezzinruf an der Ditib-Moschee von "islamistischen Hardlinern" als "Punktsieg" verstanden werden könnte. "Die Befürchtung habe ich einfach", sagte sie am Freitag dem WDR. "Und dann, dass dieses Signal eben auch an den türkischen Präsidenten geht." Das halte sie "wirklich für ungut".

Die Ditib stehe seit vielen Jahren in der Kritik, "weil sie abhängig ist von der türkischen Religionsbehörde Diyanet, die wiederum unmittelbar Herrn Erdogan unterstellt ist", so Schröter. AKP-Politiker nutzten die Ditib-Moscheen, um Wahlkampf zu machen.

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Soziologin Necla Kelek sprach in der Vergangenheit noch einen anderen Aspekt an. Sie kritisierte Oberbürgermeisterin Reker dafür, dass sie Moscheen den Muezzinruf gestatte, obwohl diese jahrelang zu wenig für die Integration getan hätten. Moschee-Gemeinden seien meist "rückständige Männervereine" mit einem veralteten Frauenbild.

Über dieses Thema berichtete am 14.10.2022 auch die "Aktuelle Stunde" im WDR Fernsehen.

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