Ditib Moschee in Köln Ehrenfeld.

Muezzin darf ab Freitag in Köln-Ehrenfeld rufen

Stand: 12.10.2022, 17:14 Uhr

Die Türkisch-Islamische Union Ditib in Köln kann am Freitag erstmals den Muezzin über Lautsprecher zum Gebet rufen lassen. Doch es gibt weiterhin Kritik an den Plänen.

Eine Sprecherin der Stadt Köln sagte am Mittwoch, dass am Donnerstag ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen der Stadt und der Ditib unterzeichnet werde, der den Weg für den Muezzin-Ruf frei macht. Alles weitere liege dann bei der Ditib. Die habe bereits unterschrieben, am Donnerstag werde noch die Unterschrift von Seiten der Stadt erfolgen.

Die Ditib steht dann in der Pflicht, die Anwohner unter anderem mit Flyern zu informieren. Für Donnerstagnachmittag hat die Ditib zu einer Informationsveranstaltung in die Zentralmoschee im Stadtteil Ehrenfeld eingeladen.

Befristetes Pilotprojekt

Ein Muezzin ruft zum Gebet

Ein Muezzin ruft zum Gebet

Der maximal fünf Minuten lange Muezzin-Ruf dürfe bei den Anwohnern der Moschee nur mit einer Lautstärke von höchstens 60 Dezibel ankommen, so die Sprecherin der Stadt. Das Pilotprojekt sei zunächst auf zwei Jahre befristetet. Basis sei die im Grundgesetz verbriefte Freiheit der Religionsausübung. Während in Kirchen die Glocken läuteten, um die Gläubigen zum Gottesdienst zu rufen, seien es in den Moscheen die Rufe des Muezzins.

Der Berliner Islamismus-Experte Ahmad Mansour kritisiert den Muezzinruf als "Machtdemonstration des politischen Islam". Er ist der Auffassung, dass die Ditib der verlängerte Arm der türkischen Religionsbehörde in Ankara sei und Präsident Recep Tayyip Erdogan die Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld persönlich eröffnet habe. "Es ist verheerend, wenn ausgerechnet dieser Organisation jetzt eine derartige öffentliche Anerkennung zuteil wird", so der Psychologe und Autor.

Kritik: Glockenläuten sei nicht mit Muezzin-Ruf zu vergleichen

Der Vergleich mit dem Läuten der Kirchenglocken überzeuge ihn nicht. "Beim Glockengeläut geht es um Klang, beim Muezzinruf geht es um konkrete religiöse Botschaften." Der Muezzin rufe, dass es keinen anderen Gott als Allah gebe und dass Mohammed sein Gesandter sei. "Das ist also ein deutlicher Unterschied zu einfachem Läuten."

Man übersehe auch leicht, dass viele junge Muslime in Deutschland es gerade zu schätzen wüssten, dass die Religion im öffentlichen Raum nicht so sichtbar sei wie in den islamischen Herkunftsländern ihrer Familien. "Sie finden das entspannend, sie finden das gut", sagt Mansour. "Wenn sie pünktlich zum Gebet erscheinen wollen, dann stellen sie einfach ihre Handys ein."

Dagegen teilte die Ditib mit: "Das Freitagsgebet ist im Islam das wichtigste Gebet der Woche und in seiner religiösen Bedeutung vergleichbar mit dem christlichen Sonntagsgottesdienst oder dem jüdischen Schabbat." Durch den Gebetsruf würden Muslime an das gemeinschaftliche Gebet erinnert. "Die Gemeinschaft hat bei den Muslimen einen hohen Stellenwert."

Grundsätzliche Fragen nicht geklärt

Mansour kritisiert insbesondere, dass die Entscheidung von der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker einfach verkündet worden sei, ohne dass vorher eine Diskussion stattgefunden habe. Dabei gehe es hier doch um sehr grundsätzliche Fragen: "Welche Stellung hat der Islam in unserer Gesellschaft? Ist er wirklich gleichberechtigt? Wenn das so ist, dann müssten Muslime auch staatliche Feiertage einfordern können und vieles andere mehr. Und eben das wird jetzt geschehen: Die Konservativen fühlen sich bestätigt, sehen dies als einen wichtigen Schritt hin zur Islamisierung Europas und werden immer mehr fordern." Für Glaubensfreiheit sei natürlich jeder. "Aber den Muezzin-Ruf einfach nur in diesen Kontext zu stellen, ist sträflich naiv."

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