Gülle ohne Methan: Wie Bonner Forscher das möglich machen wollen
Stand: 18.03.2023, 06:00 Uhr
Mit einer einfachen Methode können Wissenschaftler der Uni Bonn verhindern, dass Gülle aus dem Kuhstall klimaschädliches Methan produziert. Doch eine Verordnung verhindert die breite Anwendung.
Von Sebastian Tittelbach
Anschauungsmaterial für seine Forschungsarbeit findet Felix Holtkamp mehr als genug. Auf dem Campus Frankenforst der Universität Bonn produzieren Kühe jede Menge Gülle. Pro Liter Milch sind es etwas zwei Liter Kot und Urin, die ein Roboter zusammenschiebt. Das Güllelager vor dem Stall ist nach dem Winter fast komplett gefüllt, an der Oberfläche steigen kleine Blasen auf: "Das ist Methan und trotz der niedrigen Außentemperaturen arbeiten die Mikroorganismen fleißig weiter."
Die Landwirtschaft in Deutschland verursacht laut Umweltbundesamt besonders große Mengen klimaschädlicher Gase. Methan spielt dabei eine besondere Rolle. Eine Tonne Methan ist auf 100 Jahre gesehen so klimaschädlich wie 25 Tonnen Kohlendioxid.
Kaum Mehrkosten, 99 Prozent weniger Methan
Eine einfache Lösung ist aus Sicht der Bonner Forscher Kalkstickstoff. Es ist eine Chemikalie, die seit mehr als 100 Jahren als Dünger eingesetzt wird. In Gülle eingerührt, unterbricht Kalkstickstoff in weniger als einer Stunde fast vollständig den Prozess, bei dem Bakterien und Pilze die Gülle zersetzen und Methan entsteht.
Gülle im Labor.
Wichtig ist dabei, dass der eingesetzte Kalkstickstoff möglichst frei von Nitratstickstoff ist, andernfalls entsteht statt Methan das noch klimaschädlichere Lachgas. Pro Liter Milch rechnen die Wissenschaftler mit Mehrkosten von etwa einem halben Cent.
Abwasserschutzverordnung verhindert Einsatz auf vielen Bauernhöfen
Dennoch können viele Landwirte die Ergebnisse der Labortests nicht auf ihrem Hof anwenden. Als Grund nennt Manfred Trimborn vom Institut für Landtechnik an der Universität Bonn die Abwasserschutzverordnung. Diese schreibe vor, dass Gülle besonders sicher gelagert werden muss, sobald ihr etwas beigemischt wird. Die meisten Bauernhöfe verfügten nicht über solche Schutzeinrichtungen. Trimborn kann die Regelung nicht nachvollziehen, da nach einem halben Jahr Lagerung der Kalkstickstoff in der Gülle nicht mehr nachzuweisen sei.
Doktorand Felix Holtkamp
Doktorand Felix Holtkamp sieht das Bundesumweltministerium in der Pflicht: "Natürlich müsste die Politik schnell reagieren, um den Klimawandel jetzt zu stoppen und nicht erst in fünf Jahren." Eine WDR-Anfrage zu dem Sachverhalt hat das Bundesumweltministerium bislang nicht beantwortet.
Über dieses Thema haben wir am 15. März 2023 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Bonn, 19:30 Uhr.