Messer abgeben für Netflix-Abo? Ein Tauschvorschlag, der polarisiert
Stand: 07.08.2024, 19:12 Uhr
Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei fordert materielle Anreize und Straffreiheit für Menschen, die freiwillig gefährliche Messer abgeben. Ein Vorschlag, der für Diskussionen sorgt.
Von Stefan Erdmann
Wer ein verbotenes Butterfly-Messer abgibt, soll zum Beispiel ein kostenloses Jahresabo des Streaming-Dienstleisters Netflix erhalten. Das schlägt GdP-Bundesvorsitzender Jochen Kopelke vor.
Neben materiellen Anreizen und Straffreiheit bei der Abgabe fordert Kopelke langfristig eine Vereinfachung der Regelungen zum Führen von Messern in der Öffentlichkeit. Das deutsche Waffenrecht sei zu kompliziert, um den Umgang mit Messern klar zu regeln. Die Bekämpfung von Messerdelikten stecke "in der Sackgasse".
GdP verweist auf frühere Waffenamnestien in Deutschland
Interview-Anfragen des WDR zum Thema Waffenamnestie hat die GdP abgelehnt. In einer Mitteilung von Mittwoch (07.08.24) wiederholt die Gewerkschaft Kopelkes Vorschlag eines kostenlosen Netflix-Abos zudem nicht explizit.
Nur in einer Zwischenüberschrift wird das Thema kurz angerissen, dort heißt es: "Netflix für dein Butterfly – Keine Erfindung der GdP!". Die GdP betont dabei noch einmal, dass es Waffenamnestie-Programme in Deutschland 2009 und 2017/2018 gegeben habe; damals konnte man illegale Waffen straffrei abgeben.
Rückgabe-Programme seien im Ausland "etablierte Elemente"
Auch außerhalb Deutschlands hätten laut GdP erfolgreiche Rückgabeprogramme in der Vergangenheit die Zahl der verfügbaren Waffen reduziert, unter anderem in Australien.
Die Australische Regierung hat laut Guardian nach einem Massaker 1996 die Gesetze massiv verschärft. Unter anderem kaufte sie über 650.000 Schusswaffen für umgerechnet mehr als 200 Millionen Euro zurück, um sie einzuschmelzen. Einer Studie der Australian National University zufolge sind Suizide mit Schusswaffen und auch Tötungsdelikte zu einem Großteil zurückgegangen.
Viel Häme für Netflix-Vorschlag
Auf Plattformen wie X reagieren viele Nutzer belustigt oder hämisch auf den GdP-Vorstoß. Insbesondere der Vorschlag, materielle Anreize wie ein Streaming-Abo zu bieten, stößt auf Unverständnis.
Manche schlagen vor, sich selbst ein verhältnismäßig günstiges Messer zu besorgen, um bei den Streaming-Gebühren zu sparen. Andere befürchten ein Geschäftsmodell beim Tausch "Messer gegen Netflix".
In einer Videobotschaft fragt Heiko Teggatz, der Vorsitzende einer weiteren Gewerkschaft, nämlich der Bundespolizeigewerkschaft DPolG: "Was ist das für ein Signal an die Opfer von Messerangriffen, deren Angehörige oder Polizistinnen und Polizisten?". Seine Gewerkschaft fordere, Straftäter in Deutschland nicht zu belohnen, sondern hart zu bestrafen und gegebenenfalls, "wenn möglich", abzuschieben.
Kritik aus der Politik
Christos Katzidis (CDU)
Auch aus der Politik kommt Kritik. Der NRW-CDU-Abgeordnete Christos Katzidis sagte gegenüber dem WDR, er könne die Debatte nicht ernst nehmen. Der Vorschlag führe "völlig an der Realität vorbei". Es gebe ein Gewaltproblem in unserer Gesellschaft. Die Messerattacken seien ein Symptom davon, betonte Katzidis.
Der stellvertretende bayerische Ministerpräsident Hubert Aiwanger schreibt bei X: "Nein, mit einem #Netflix-Abo können wir Gewalttäter leider nicht bekämpfen. Sondern nur, indem man sie konsequent einsperrt und anschließend oder sofort abschiebt wenn sie keinen dt. Pass haben."
Tragen bestimmter Messer-Arten nicht erlaubt
In Deutschland sind bestimmte Messer und Stichwaffen grundsätzlich verboten. Dazu zählen zum Beispiel sogenannte "Butterfly"-Messer und Faustmesser.
Außerdem darf man bestimmte Messer nicht mit sich tragen, wenn sie nicht für Brauchtum oder Sport benötigt werden. Das gilt beispielsweise für Messer mit einhändig feststellbarer Klinge oder feststehende Messer mit Klingen über zwölf Zentimeter.
Unsere Quellen:
- Mitteilungen der Gewerkschaft der Polizei (GdP)
- Hubert Aiwanger auf X
- DPolG Bundespolizeigewerkschaft auf X
- dpa
- The Guardian
- Studie "Do Gun Buybacks Save Lives? Evidence from Panel Data?" (2010)
- Waffengesetz/Bundesministerium der Justiz