Massenpanik in Seoul

Bochumerin erlebt Tragödie in Seoul: Wie kam es zu der Massenpanik?

Stand: 31.10.2022, 17:12 Uhr

Die tödliche Massenpanik in Seoul hat Giulia M. aus Bochum aus nächster Nähe miterlebt. Wie kommt es eigentlich zu einem solchen Unglück?

Giulia M. aus Bochum muss erst noch verarbeiten, was sie am Samstag in Seoul erlebt hat. Die 22-Jährige war selbst im Ausgehviertel Itaewon unterwegs, als sich praktisch neben ihr die Massenpanik ereignete. "Das, was ich gesehen habe, möchte ich in meinem Leben nie wieder sehen", berichtet sie dem WDR.

Giulia M. aus Bochum

Giulia M. aus Bochum

Die Studentin von der Uni Düsseldorf kennt Seoul schon seit einigen Jahren. Derzeit ist sie für ein Marketing-Praktikum für einige Wochen in der Stadt.

Auch Giulia M. war in Itaewon Halloween feiern

Am Samstagabend besuchte Giulia M. mit zwei koreanischen Freunden in Itaewon eine beliebte Bar, um dort Halloween zu feiern. "Wir hatten Spaß", erzählt die junge Frau. Doch dieser verkehrte sich gegen 23.15 Uhr ins Gegenteil. M. wollte gehen, um die letzte U-Bahn zu erwischen. Aber dazu kam es gar nicht mehr.

Massenpanik in Seoul

"Draußen vor der Bar hatte sich eine Gasse gebildet. Bewusstlose Menschen wurden hergetragen. Zivilisten leisteten erste Hilfe. Rettungskräfte waren noch gar nicht vor Ort. Es war in den Straßen einfach unfassbar voll", so Giulia M., der das Erlebte noch in den Knochen steckt.

"Ich wusste zu dem Zeitpunkt noch gar nicht, was passiert ist", so M. Dann habe sie gehört, dass drei Menschen gestorben seien.

"Ich war total überfordert mit der Situation." Guilia M. aus Bochum in Seoul

Inzwischen ist klar: Bei der Massenpanik in Seoul starben mehr als 150 Menschen. Sie selbst sei höchstens 100 Meter von den schlimmsten Ereignissen entfernt gewesen, so Giulia M.

Katastrophenforscher Voss: So konnte es zur Massenpanik kommen

Wie konnte es zu der Massenpanik in Seoul mit so vielen Toten kommen? Katastrophenforscher Prof. Dr. Martin Voss von der FU Berlin sagt:

"Das Muster solcher Unglücke ist immer sehr ähnlich." Prof. Dr. Martin Voss, Katastrophenforscher

Bei dem Unglück in Seoul sei es zu Dynamiken gekommen, die man auch bei anderen Ereignissen dieser Art habe beobachten können, beispielsweise der Loveparade in Duisburg, sagte Voss dem WDR.

Er spricht jedoch nicht von einer Massenpanik, weil Panik nicht die Ursache sei, sondern von einer Massenbewegung. Dabei strebten viele Menschen von verschiedenen Seiten auf ein Ziel zu.

Wie bei einem Flaschenhals, auf den alles zulaufe, wird der Raum immer begrenzter und so gebe es ein Mengen-Verteilungsproblem. "Wenn sie dann gedrängt und gedrückt werden, empfinden sie das als hilflos und es kommt zu panikartigen Reaktionen."

Massenpanik in Seoul

Itaewon am Samstagabend - Aufnahme von Guilia M.

Ähnlich erlebt es Giulia. Bereits am frühen Abend, als sie die U-Bahn-Station im Ausgehviertel Itaewon verließ, war ihr unwohl, berichtet sie. "Schon in der U-Bahn-Station war es extrem voll, aber noch geordnet. Draußen war man dann Schulter an Schulter."

"Man hatte gar keine Kontrolle darüber, in welche Richtung man läuft", so M. Der Weg von der U-Bahn-Station zur Bar, der sonst fünf Minuten dauere, habe diesmal viermal so lang gedauert, wenn nicht noch mehr.

Wie lässt sich so etwas verhindern?

Was lässt sich tun, damit es nicht zu einem solchen Ereignis kommt? "Entscheidend ist, dass der Flaschenhals verhindert wird", sagt Prof. Voss. Sicherheitskonzepte müssten daraufhin nicht nur erarbeitet, sondern auch entsprechend konsequent umgesetzt werden.

Aus Seoul wird nun berichtet, dass es im Viertel Itaewon schon in früheren Jahren zu großen Halloween-Partys gekommen sei. Waren die Menschenmengen also absehbar? Sicherheitskräfte, die zum Beispiel den Zugang zu der engen Unglücks-Gasse beschränkt hätten, habe sie jedenfalls nicht gesehen, berichtet Giulia M.

Südkoreas Innenminister Lee Sang Min hat mittlerweile Vorwürfe zurückgewiesen, die Behörden hätten versagt. Die Halloween-Party sei keine angemeldete Veranstaltung gewesen und die Massen hätten auch nicht durch mehr Polizei verhindert werden können, zitiert ihn die Tageszeitung "Korea Herald".

Giulia M.: "Wir hatten einfach nur Glück"

Massenpanik in Seoul

Nach den schockierenden Erlebnissen am späten Abend vor der Bar habe sie dann so schnell wie möglich nach Hause gewollt, berichtet Giulia M. Die letzte U-Bahn aber war längst weg. Auch Busse fuhren nicht. Dafür habe sie nun endlich viele Krankenwagen gesehen.

"Wir sind alle sehr geschockt. Wir hatten einfach nur Glück", sagt Giulia M. "Ich bin dankbar, dass es mir und meinen Freunden gut geht. Und es tut mir im Herzen weh, dass so viele Eltern sich von ihren Kindern verabschieden müssen."