Suche eingestellt: Ist die Löwin eine Wildsau?

Aktuelle Stunde 21.07.2023 35:25 Min. UT Verfügbar bis 21.07.2025 WDR Von Stefan Wittke

Wohl keine Berliner Löwin: Laborergebnisse sprechen für Wildschwein

Stand: 24.07.2023, 16:41 Uhr

Die Analyse-Ergebnisse der Haar- und Kotproben von der Sichtungs-Stelle der vermeintlichen Löwin an der Berliner Stadtgrenze sind da: Sie stammen wahrscheinlich von einem Wildschwein.

"Wir können ausschließen, dass es eine Löwin ist", sagte Martina Bellack, Gemeinde Pressesprecherin von Kleinmachnow in Brandenburg. Sie verweist auf erste Resultate der Laboruntersuchungen des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin. Der untersuchte Kot enthalte demnach einen hohen Anteil von Pflanzenmaterial - das spreche dagegen, dass es sich um ein hauptsächliches Fleisch fressendes Tier wie eine Löwin handele.

Vieles spricht für ein Wildschwein

Auch das bei der Suche gefundene Haar habe bei einer Untersuchung keine Eigenschaften eines Katzenhaares gezeigt. Rein visuell spreche also bereits eine Menge dafür, dass es sich um ein Wildschweinhaar handelt, zitiert die Gemeindeverwaltung von Kleinmachnow aus dem Laborbericht.

Dem Labor hätten allerdings für eine erste Untersuchung noch keine Wildschweinhaare für einen abschließenden Vergleich vorgelegen, Löwenhaare jedoch schon. Die Fachleute stellten aber bereits fest, dass die ihnen vorlegten Haare "grundverschieden" seien zu denen einer Löwin oder einer Katze. Anders als das gefundene Haar sei Löwenhaar unter anderem sehr dünn und außerdem leicht verformbar.

Ob das Tier wirklich ein Wildschweinhaar sei, lasse sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht mit absoluter Sicherheit sagen, es gelte aber als wahrscheinlich, sagte die Gemeinde-Sprecherin auf Nachfrage. Deswegen liefen die aufwendigen Analysen des Haars weiter, ebenso wie die des aufgefundenen Kots.

Suche nach Löwin am Freitag eingestellt

In Brandenburg und Berlin war die Suche nach einer möglicherweise freilaufenden Löwin im Laufe des Freitags eingestellt worden. Zwei Wildtierexperten gingen auch da schon davon aus, dass das Tier auf dem Video keine Wildkatze sei. Auch sie gingen von einem Wildschwein aus.

Die Kleinstadt Kleinmachnow, südlich von Berlin, hatte Ende voriger Woche einige Berühmtheit erlangt. Denn angeblich streifte eine Löwin durch die Wälder der Region. Dann wurde die Suche nach dem Raubtier eingestellt, wie die Polizei Freitagmittag mitteilte.

Erste Analyse mithilfe einer Zeichnung

Einerseits gebe es keine "ernstzunehmenden Hinweise" auf die Existenz einer Löwin oder eines anderen Raubtiers, sagte der Bürgermeister von Kleinmachnow in Brandenburg, Michael Grubert (SPD). Andererseits habe eine erneute Analyse des Sichtungsvideos durch zwei Experten ergeben, dass es sich höchstwahrscheinlich nur um ein Wildschwein handelte, so Grubert, der die Analyse der Experten mithilfe einer Zeichnung auf der Fotografie von der vermeintlichen Löwin erklärte.

Polizisten wollen Löwin gesehen haben

Aufnahme der vermeintlichen Löwin

Aufnahme der vermeintlichen Löwin

Erfahren hatte die Polizei von dem mutmaßlich frei laufenden Raubtier nach eigener Aussage erstmals in der Nacht zu Donnerstag. Die geschilderte Situation wurde am Donnerstag zunächst noch als glaubwürdig angesehen. Auch, weil das Tier - nach Erhalt des Videos - noch zweimal von Polizisten gesehen worden sei.

Allerdings wurden am Drehort des Videos keine Hinweise auf Blut oder Kot eines Wildtieres gefunden worden. Auch die Meldungen, dass ein Wildschwein von der Löwin erlegt worden sei, bestätigte die Polizei bei der Pressekonferenz nicht.

Löwengebrüll aus dem Lautsprecher

Dennoch war die Suche am frühen Freitagmorgen zunächst intensiviert worden. Unter anderem wurde auf einem Campingplatz im Raum Kleinmachnow gesucht. Professionelle Tierspurensucher sollten zusätzlich vor allem die Orte begehen, an denen es vermeintliche Sichtungen der Löwin gegeben habe.

Seitdem das Augenzeugenvideo des mutmaßlichen Raubtiers am Donnerstag aufgetaucht war, hatte nicht nur die Suche nach der Wildkatze die Behörden auf Trab gehalten. Nach Angaben der Brandenburger Polizei hatten sich in der Nacht zu Freitag Jugendliche einen Scherz erlaubt.

Wie eine Polizeisprecherin sagte, hätten diese an der Landesgrenze von Brandenburg zu Berlin per Bluetooth-Box lautes Löwengebrüll abgespielt. Bei der Polizei kam die Aktion nicht gut an. "Das hilft weder der Gemeinde noch der Polizei weiter bei der Suche nach dem Tier", so die Sprecherin.

Privater Halter überprüft

Im Zuge der Suche hatte die Polizei einen privaten Tierhalter überprüft. Das Landesamt für Umwelt teilte mit, im Tierbestandsverzeichnis seien 23 Löwen aus drei Zirkusunternehmen, zwei Zoos und einer privaten Haltung in Brandenburg erfasst. Der Polizei seien die Kontaktdaten übermittelt worden - die daraufhin Zoos, Tierparks, Zirkusse und Tierschutzeinrichtungen überprüft habe.

Ob in dieser Kartei alle Wildtiere registriert sind, die in Brandenburg gehalten werden, ist eine andere Frage. Dort gibt es - genau wie in vielen Bundesländern - keinerlei Beschränkungen oder Verbote zur Haltung wilder Tiere. Ähnlich ist die Lage in NRW. Hier gibt es zwar seit 2021 das sogenannte Gifttiergesetz, dass die Haltung von Gifttieren regelt. Andere gefährliche Tiere, darunter auch Löwen, könnten jedoch ohne jede Einschränkung gehalten werden, so Katharina Lameter von Pro Wildlife im Gespräch mit dem WDR.

Mögliche Sichtung in Zehlendorf im Süden Berlins

Am Donnerstagnachmittag hatte die Polizei mitgeteilt, es habe eine mögliche Sichtung des Tieres im Süden Berlins nahe der Stadtgrenze zu Brandenburg gegeben. Das Berliner Veterinäramt und der Stadtjäger seien informiert, hieß es. Später wurde ergänzt, das Wildtier könnte sich im Berliner Ortsteil Zehlendorf befinden.

"Die Gegend wurde abgesucht. Es fanden sich keine Hinweise oder Spuren, dass das Tier sich dort tatsächlich befunden hat", teilte die Polizei auf Twitter mit.

Von Angst bis Gelassenheit: So reagierten die Anwohner

Die Menschen vor Ort gingen ganz unterschiedlich mit der Situation um, berichtet Reporterin Silke Mehring im WDR. Eine Anwohnerin habe solche Angst gehabt, dass sie sich von dort abholen ließ. Eine andere Frau sagte dagegen: "Ach, die Löwin hat ja schon ein Wildschwein gerissen - dann ist die ja erstmal satt und schläft jetzt erstmal einen Tag."

Medienpsychologe: "morbide Neugier"

Dass die vermeintliche Löwin deutschlandweit eine solche Aufmerksamkeit erregen konnte, ist für den Medienpsychologen der Uni Würzburg, Frank Schwab, keine Überraschung. "Natürlich ist das eine ideale Geschichte." Sie sei spannend und erwecke so eine morbide Neugier in den Menschen. Aber auch die Medien hätten ihren Anteil daran, so Schwab. "Die Medien versuchen diese Ängste zu bedienen und zu füttern."

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