Annie Ernaux

Literatur-Nobelpreis geht an Französin Annie Ernaux

Stand: 06.10.2022, 14:08 Uhr

Die französische Schriftstellerin Annie Ernaux wird in diesem Jahr mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet.

Das gab die für die renommierte Auszeichnung zuständige Schwedische Akademie am Donnerstag in Stockholm bekannt. Sie bekomme den Preis "für den Mut und die klinische Schärfe, mit der sie die Wurzeln, Entfremdungen und kollektiven Beschränkungen der persönlichen Erinnerung aufdeckt", sagte der Ständige Sekretär der Akademie, Mats Malm, bei der Preisbekanntgabe. Man habe sie telefonisch noch nicht erreichen können.

Der Nobelpreis für Literatur gilt als die prestigeträchtigste literarische Auszeichnung der Welt. Auf der sogenannten Longlist für den Preis standen in diesem Jahr 233 Kandidaten - welche Namen darunter sind, wird alljährlich streng geheim gehalten.

Von 1901 bis 2021 wurden 114 Literaturnobelpreise an 118 Personen vergeben. Bislang wurden 16 Frauen ausgezeichnet. In diesem Jahr kommt mit Annie Ernaux die 17. dazu.

Ernaux "Ethnologin ihrer selbst"

Seit über vier Jahrzehnten schreibt Annie Ernaux Bücher - Bücher über sich und ihre Herkunft. Dabei blickt sie nicht nur radikal auf ihr eigenes Leben, sondern reflektiert schnörkellos die Zeit und Gesellschaft, in die sie hineingeboren wurde. Die 82-jährige Schriftstellerin bezeichnet sich als "Ethnologin ihrer selbst"

Geboren 1940 im kleinen Ort Lillebonne in der Normandie, habe Ernaux schon früh mit der vielfältigen Erkundung ihrer Umgebung begonnen, erklärte die Akademie. In ihrem Werk befasse sie sich mit schwierigen Themen wie Scham, illegaler Abtreibung oder der Wahrnehmung von Konventionen. In ihrer Erinnerungsarbeit knüpfe sie an die Tradition Marcel Prousts an und führe diese zugleich in die heutige Zeit.

Ernaux gilt als eine der bedeutendsten französischsprachigen Schriftstellerinnen der Gegenwart. Zu ihren auch in Deutschland bekannten Werken zählen "Der Platz", "Erinnerung eines Mädchens" und "Die Jahre". In diesem Jahr stellte sie zudem bei den Filmfestspielen von Cannes ihre autobiografische Dokumentation "The Super 8 Years" vor.

920.000 Euro für die Preisträgerin

Der Literaturnobelpreis geht wie die weiteren traditionellen Nobelpreise auf das Testament des Preisstifters und Dynamit-Erfinders Alfred Nobel (1833-1896) zurück. An dessen Todestag, dem 10. Dezember, werden die Preise in Stockholm und Oslo verliehen. Dotiert sind die Auszeichnungen in diesem Jahr erneut mit zehn Millionen schwedischen Kronen pro Kategorie. Umgerechnet entspricht das knapp 920.000 Euro.

Im vergangenen Jahr war der Literaturnobelpreis an den bis dahin relativ unbekannten tansanischen Schriftsteller Abdulrazak Gurnah gegangen. Er wurde "für sein kompromissloses und mitfühlendes Durchdringen der Auswirkungen des Kolonialismus und des Schicksals des Flüchtlings in der Kluft zwischen Kulturen und Kontinenten" geehrt.

Zuvor schon drei Nobelpreise vergeben

Bereits in der ersten Wochenhälfte waren die diesjährigen Nobelpreisträger in den Kategorien Medizin, Physik und Chemie verkündet worden. Deutsche Preisträger waren nicht darunter, wohl aber der Schwede Svante Pääbo, der in Leipzig arbeitet. Er erhält den Medizinnobelpreis für seine Erkenntnisse zur menschlichen Evolution.

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