Die Foto-App "Lensa" gibt es schon seit 2018. Bisher bot sie nicht viel mehr als andere Foto-Bearbeitungs-Programme für das Smartphone, also die Möglichkeit zum schnellen Retuschieren und Verbessern von Fotos. Ende November ist aber das Feature "Magic Avatars" hinzugekommen und seitdem liegt das Programm in den App-Stores an der Spitze der Download-Charts.
Kunst-Selfies für Social-Media-Postings
Bei der Funktion wird eine Künstliche Intelligenz mit Porträt-Fotos eines Menschen gefüttert und erstellt daraus Bilder in verschiedenen Kunststilen. Zum Beispiel als Comic, Aquarell oder Zeichnung, mal realistisch, mal als Fantasy-Figur.
Diese Porträt-Fotos sind aktuell immer häufiger als Avatar-Bilder in den sozialen Netzwerken zu sehen. Denn wenn es funktioniert, dann sehen diese Porträts zum einen ungewöhnlich aus und die Porträtierten erscheinen auch besonders attraktiv, beziehungsweise weichgezeichnet und retuschiert.
Trotz der Popularität der App gibt es aber auch Kritik.
Gratis-App mit Kostenfalle
Los geht es schon beim ersten Installieren der App, die in den App-Stores bei den Gratis-Programmen aufgeführt wird. "Lensa" ist zwar kostenlos, aber für einige Funktionen wird ein Jahres-Abo benötigt, das um die 30 Euro kostet. Für das Erstellen der Avatare braucht man dieses Abo übrigens nicht. Doch die Avatare kosten dann nochmal im Paket von 50 bis 200 Bildern zwischen 7 und 15 Euro. Selbst wenn man das Jahresabo abgeschlossen hat, muss man für diese Funktion extra zahlen. Und der Nutzer zahlt für jedes Paket im Voraus, also bevor die Bilder nach etwa 20 Minuten Rechenarbeit in die App geladen werden - ohne zu wissen, welche "Kunstwerke" die KI fabriziert hat.
Obwohl der Download kostenlos ist, ist die App in den USA inzwischen die umsatzstärkste. Nach Angaben der Analyse-Firma Sensor Tower gaben US-Kunden in den ersten fünf Dezembertagen 8,2 Millionen Dollar in der App aus.
Künstler kritisieren KI-Klau
Aber nicht nur die Kosten werden kritisiert. Auch Künstler beschweren sich: Die künstliche Intelligenz, die die Bilder erstellt, wurde mit Bildern, Fotos und Zeichnungen aus dem Netz gefüttert, um die Avatare erstellen zu können. Die Künstlerinnen und Künstler, auf deren Werken basierend die Bilder erstellt werden, bekommen kein Geld dafür von der App. Es gibt inzwischen eine Internet-Seite, auf der sich Kreative informieren können, ob ihr Bild bereits von einer KI benutzt wurde.
Das liegt an einer rechtlichen Grauzone. Die Firma hinter "Lensa", Prisma Labs, benutzt zum Erstellen der Fotos ein Open-Source-Netzwerk und eine wissenschaftliche Datenbank - für jeden zugänglich und nicht kommerziell. Das Erstellen der Fotos lässt sich Prisma Labs trotzdem bezahlen. In der App wird das damit begründet, dass die Rechenleistung so viel koste.
Laut Beschreibung von "Lensa" kopiert die KI Bild-Muster, aber nicht die Arbeit von Künstlern. Die US-Künstlerin Lauryn Ipsum vergleicht die App hingegen mit einem Bäcker, der die Zutaten für sein Brot stiehlt, es dann aber als seine Arbeit verkauft. Die KI von "Lensa" würde sogar die Unterschriften von Künstlern kopieren und in die Bilder einbauen, kritisierte sie auf Twitter.
Befürworter der künstlichen Kunst sagen aber, dass auch "klassische Kunst" immer von anderen Stilen und Kunstwerken beeinflusst wurde.
Teilweise sexualisierte Bilder von Frauen
Einige Nutzerinnen berichten, dass "Lensa" Avatare in lasziven Posen generiert habe, obwohl die hochgeladenen Selfies keine solchen Posen enthalten hätten. Darüber hinaus können Nacktbilder eigentlich generell nicht hochgeladen werden. Die Entwickler sagen, dass es am Algorithmus liegt, der Bilder von Frauen eher sexualisiert als die von Männern. Die Bilddatenbank sei mit Millionen von öffentlich verfügbaren Bildern unterschiedlicher Kunst-Stile trainiert worden, darunter auch offenbar zahlreiche, die den typischen "männlichen Blickwinkel" auf eine Frau repräsentierten.
Datenschutz mit Lücken
Ein weiterer Kritikpunkt ist der Datenschutz. "Lensa" macht die Bildbearbeitung in der Cloud, das heißt, dass alle Bilder an die Server des Unternehmens übertragen werden. Diese Fotos werden nach eigenen Angaben nach dem Erstellen der "Magic Avatars" wieder gelöscht. Das Unternehmen sagt zudem, die erstellten Bilder würden nicht weiter verwendet und für Werbung genutzt. Laut AGBs ist dies aber rechtlich in Zukunft möglich.
Und theoretisch lassen sich mit der App auch Fake-Fotos von fremden Menschen erstellen. Als Nutzer könnte man Fotos von anderen hochladen, die dann in zufällig generierten Posen erscheinen - womit nicht jeder einverstanden sein könnte.