Parteien in Deutschland zur Wahl - Wahlzettel mit Stift Symbolbild zum Thema Stimmzettel

Das bedeuten die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen für NRW

Stand: 01.09.2024, 19:36 Uhr

Erstmals ist in einem Bundesland die AfD stärkste Kraft geworden. Das könnte große Auswirkungen haben - auf den Bund und auch NRW.

Von Rainer StriewskiRainer Striewski

In Thüringen liegt die AfD laut Hochrechnung von infratest dimap mit 32% klar vorne. Die CDU kommt auf 24,2%, die Linke auf 12,6%. Die SPD kommt demnach auf 6,4%, das BSW auf 15,7%. Die Grünen sind mit 3,5% nicht im Landtag vertreten, auch die FDP scheitert mit 1,2% an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung lag laut infratest dimap bei 73,5 Prozent. Bei der letzten Landtagswahl 2019 hatte die Beteiligung bei 64,9 Prozent gelegen.

Laut aktueller Hochrechnung von infratest dimap liegt die CDU in Sachsen mit 31,7% vorne. Die AfD kommt hier auf 30,6%. Die Linke könnte mit 4% den Einzug in den Landtag verpassen. Die Grünen kommen auf 5,2%, die SPD auf 7,8%. Das BSW wäre mit 12% erstmals im Landtag vertreten. Die FDP ist mit 1% nicht im Landtag vertreten.

Sähe das Wahlergebnis tatsächlich so aus, wäre in Sachsen eine Fortsetzung des Regierungsbündnisses von CDU, Grünen und SPD unter Ministerpräsident Kretschmer möglich.

Bis zum frühen Nachmittag hatten in Sachsen 35,4 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben, wie das Statistische Landesamt in Kamenz mitteilte. Bei der vorangegangenen Landtagswahl 2019 hatte der Wert zum gleichen Zeitpunkt bei 35,1 Prozent gelegen, Briefwähler noch nicht mit einberechnet.

Der Osten am Rande der Unregierbarkeit?

Da keine andere Partei in Thüringen mit der AfD zusammenarbeiten will, könnte sich die Regierungsbildung in Erfurt schwierig gestalten. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sieht den Auftrag zur Regierungsbildung nun bei der CDU unter deren Spitzenkandidat Mario Voigt. Und auch das BSW hat schon Ansprüche angemeldet: "Wir hoffen sehr, dass wir am Ende mit der CDU eine gute Regierung zustandebekommen", erklärte Sahra Wagenknecht.

Laut infratest dimap könnte die AfD in Thüringen auf 30 Sitze im Landtag kommen. Damit hätte sie eine Sperrminorität von mehr als einem Drittel der 88 Mandate. Gegen sie wäre beispielsweise keine Verfassungsänderung mehr möglich.

Landtagswahlen mit großer Bedeutung

Die beiden ostdeutschen Länder haben zusammen nur rund 6,2 Millionen Einwohner - ein Bruchteil der rund 84 Millionen Menschen in Deutschland. Trotzdem gilt den beiden Wahlen ungewöhnlich viel Aufmerksamkeit. Denn die Wahlen können vielfältige Auswirkungen auf den Bund und auch NRW haben.

Auswirkungen auf NRW und den Bund

Landesfahne vor dem NRW-Landtag (Archivbild)

Auswirkungen der Wahlen bis nach NRW

Sachsen und Thüringen haben im Bundesrat, also der "Länderkammer", in der die Bundesländer mitbestimmen, jeweils 4 Sitze. Zusammen verfügen sie also über 8 Sitze in der insgesamt 69 Sitze umfassenden Länderkammer. Das klingt nach nicht viel, könnte aber bei knappen Abstimmungen entscheidend sein. "Dann könnte eine Landesregierung mit einer Partei, die durchaus auch ein Interesse an Blockade haben könnte, womöglich den Unterschied machen. Nicht sofort, aber mittelfristig", meint Politikwissenschaftler Marcel Lewandowsky. Denn die Länder im Bundesrat können ihre Stimmen nur in einer Einheit abgeben. Eine Landesregierung in Thüringen oder Sachsen muss sich also vorher darauf einigen, ob sie mit ihren 4 Stimmen im Bundesrat mit "Ja" oder "Nein" stimmen möchte.

Auswirkungen auf die AfD in NRW

Politikwissenschaftler Dr. Marcel Lewandowsky

Lewandowsky: AfD-Positionen könnten legitimer werden

In NRW kam die AfD bei der letzten Landtagswahl 2022 auf 5,4 Prozent, bei der Europawahl 2024 auf 12,6 Prozent. Das aktuell gute Abschneiden der Partei in Thüringen und Sachsen muss sich nicht direkt auf die Ergebnisse der AfD in NRW auswirken. Denn die Menschen in NRW würden eher etablierte Parteien bevorzugen, das Protestpotential wäre kleiner als etwa in Ostdeutschland, weiß Politikwissenschaftler Marcel Lewandowsky - betont aber auch: "Wenn die AfD weiter etabliert wird als Partei, dann bedeutet das auch, dass ihre Positionen legitimer werden." Denn Parteien wie die CDU würden weiter glauben, dass man die Themen und Positionen der AfD aufgreifen und kopieren müsse, um sie in Schach zu halten. Das funktioniere jedoch nicht, betont Lewandowsky.

BSW in NRW profitiert vom "Trittbrettfahrer-Effekt"

Logo mit der Aufschrift "Bündnis Sahra Wagenknecht" wird auf eine Leinwand projiziert.

BSW auch im Landtag NRW?

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) könnte in NRW vom "Trittbrettfahrer-Effekt" profitieren. Denn wenn eine Partei in anderen Bundesländern erfolgreich ist, könnte sie auch in NRW interessanter werden, vermutet Politiwissenschaftler Lewandowsky. Bei der Europawahl 2024 kam das BSW in NRW nur auf 4,4 Prozent. Mittelfristig sieht der Politikwissenschaftler Lewandowsky aber auch hier großes Potential, mittelfristig über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen. "Und das wird natürlich auch das Regieren in NRW womöglich nicht einfacher machen", so Lewandowsky.

Das sagen die Menschen aus NRW zu den Wahlen

Als am Abend die ersten Hochrechnungen bekannt werden, herrscht teilweise Unverständnis. "Ich persönlich halte die AfD nicht für eine wählbare Partei", sagt eine junge Frau in Köln dem WDR. Ein junger Mann ist der Meinung, dass die Partei zwar "sehr viel Propaganda macht", jedoch keine Substanz darinter habe. "Man sagt viel, weiß aber nicht was man dagegen tun kann."

Reaktionen aus der NRW-Politik

Die AfD in NRW zeigte sich "hocherfreut" über die Ergebnisse ihrer Partei in Sachsen und Thüringen. "Die Wähler haben der AfD, in beiden Ländern, einen klaren Regierungsauftrag erteilt. Die Bevölkerung wünscht sich eine blau schwarze Koalition", teilte AfD-Landessprecher Martin Vincentz mit. Dabei forderte er die CDU auf, ihre "lächerliche Brandmauer einzureißen und in Koalitionsverhandlungen mit der AfD zu treten." 

Über dieses Thema berichten wir am Sonntag (01.09.) in den Hörfunknachrichten, WDR aktuell und in der Aktuellen Stunde.

Unsere Quellen:

  • Prognose und Hochrechnungen von infratest dimap
  • Gespräch mit Politikwissenschaftler Marcel Lewandowsky
  • Pressemitteilung der NRW-AfD

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