Neben dem Kaffee gehört zu den Morgenritualen von Röstmaschinen-Hersteller Wim Abbing eigentlich die Lektüre von US-Zeitungen. Doch Letztere vermiesen dem Geschäftsführer des mittelständischen Traditionsbetriebs aus Emmerich gerade den Kaffeegenuss. Den Ausgang der bevorstehenden Wahlen betrachtet Abbing, wie andere Unternehmer aus NRW, mit Skepsis. Es gehöre nicht zur DNA eines Unternehmers, besorgt zu sein, meint er. Aber er gesteht: "Ich bin in Sorge. Über den Zustand des amerikanischen politischen Systems generell – und in dieser Woche besonders".
Vertrauen in Gefahr
Egal, wer am Ende ins Weiße Haus einzieht: Wirtschaftlich werde es Folgen für NRW und auch bis an den Niederrhein haben. Dort arbeiten etwa die Hälfte der weltweit rund 1.200 Mitarbeitenden des Konzerns. Durch Abbings Röstanlagen werden fast Dreiviertel des Kaffees veredelt, der rund um den Globus getrunken wird. Auch in den USA - einem der führenden Kaffee-Importländer und der Top-Konsument von Kaffee. Für Abbing mit der eigenen US-Tochtergesellschaft Probat Inc. einer der wichtigsten Märkte.
Wim Abbing, Probat AG
Als einziger Nicht-Amerikaner hat es der CEO aus Emmerich sogar in den Vorstand der National Coffee Association of USA geschafft – einer der wichtigsten Handelsverbände der US-Kaffeeindustrie. Transatlantischer Handel brauche vor allem Vertrauen und klare Strukturen.
Und die hängen jetzt gerade an einem dünnen Faden, meint nicht nur Abbing. "Von einer Kamala Harris erwarten wir eine Stabilität der bisherigen Situation unter Weiterführung der Politik von Joe Biden, die vielleicht mal in die ein oder andere Richtung etwas anders wird - aber vom Grundsatz her Stabilität. Während wir unter einem Donald Trump Chaos und Instabilität erwarten", sagt Abbing.
1.700 US-Firmen in NRW
NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) sieht das ganz ähnlich. "In Trumps Legislatur haben wir erlebt, wie viel an guten transatlantischen Kontakten, Formaten und Austausch schlicht mutwillig zerstört wurde“, sagte Neubaur dem WDR. "Die großen Herausforderungen unserer Zeit erfordern internationale Zusammenarbeit und die USA als starken Partner", so Neubaur weiter. Dafür brauche es in den USA echte Demokratinnen und Demokraten am Steuer und niemanden, der nur auf Populismus, Spaltung und Protektionismus setze.
Für das größte Bundesland steht einiges auf dem Spiel: 2023 exportierten Unternehmen von Rhein und Ruhr nach Infos des Statistischen Landesamts Waren im Wert von gut 15,5 Milliarden Euro in die USA - chemische und Pharma-Erzeugnissen, Maschinen, Stahl, Dienstleistungen.
Zugleich machen mehr als 1.700 US-Konzerne hierzulande Geschäfte – ob Ford in Köln, 3M in Neuss, Coca Cola und Co. Mit über drei Milliarden Euro tätigt Microsoft die größte Einzelinvestition der Unternehmensgeschichte in Deutschland: für ein KI-Rechenzentrum im Rheinischen Revier.
Viermal so viele Exporte wie nach China
Die USA sind einer der wichtigsten Wirtschaftspartner, weiß der Geschäftsführer des Zentrums für Innovation und Technik in NRW ZENIT, Hans Stein. "Die Exporte liegen auf Platz drei nach den Niederlanden und Frankreich und die Importe auf Platz vier", sagt der langjährige Leiter der NRW-Landesvertretung in Brüssel. "Die NRW-Unternehmen exportieren viermal soviel in die USA wie nach China. Das macht deutlich wie wichtig die Wahl an dieser Stelle ist", so Stein.
Hans Stein
Nach Umfragen der Industrie- und Handelskammern rechnet ein Großteil der NRW-Unternehmen mit negativen Folgen der Wahl. Auf der einen Seite ein gegen deutsche Importe pöbelnder Republikaner Donald Trump, der damit droht, Einfuhren Made in Germany mit heftigen Strafzöllen zu belegen. Auf der anderen Seite eine Demokratin Kamala Harris ohne klar erkennbares Wirtschaftsprofil.
Doch ganz gleich, ob Trump oder Harris – es werde härter für die NRW-Wirtschaft, sagt Stein: "Mit Blick auf Wirtschaft wird es auch kein Schmusekurs mit einer möglichen Präsidentin Kamala Harris". Auch Joe Biden habe nicht die Maßnahmen zurückgedreht, die Donald Trump damals als Präsident mit eingeführt hat.
Ameria first - soft oder hart
America First auf demokratisch – softer verpackt aber wirksam. So hat Biden mit einer 430 Milliarden schweren Subventionsspritze, dem Inflation Reduction Act, schon einige deutsche Unternehmen in die USA gezogen. Jetzt schon sind sie der drittgrößte ausländische Arbeitgeber in den USA.
Rasmus Beck, Duisburg Business und Innovation
Ein Präsident Trump werde darauf drängen, dass noch mehr Produkte direkt in den USA produziert werden, statt sie – etwa in Deutschland - zu fertigen, glaubt auch Unternehmensberater Rasmus Beck, Geschäftsführer von Duisburg Business und Innovation. "Wir haben hier eine ambivalente Situation", sagt er. Sowohl ein Präsident Trump als auch eine Präsidentin Harris würden sich mehr auf den asiatischen Raum konzentrieren und die amerikanischen Interessen wahrnehmen.
"Sie werden sich stärker darauf konzentrieren, dass es eine Re-Industrialisierung in den USA selbst gibt", meint Beck. "Und dass natürlich ausländische Produkte, dort, wo sie gebraucht werden, weiter importiert werden. Aber dort, wo sie dann eben durch amerikanische Produkte ersetzt werden können, auch natürlich besteuert werden."
Gelassener Blick auf Drohgebärden
Politikwissenschaftler Beck will die Wirtschaft in Duisburg aufmöbeln – wo etwa auch der US-Wasserstoff-Brennstoffzellen-Spezialist Plug Power mit einem Logistikzentrum im Freihafen sitzt. Jährlich sollen dort 500 Tonnen grüner Wasserstoff produziert werden. Die regionale Industrie schaue gebannt auf die Entwicklungen in den USA, "weil natürlich große Teile der Industrie aber auch der produzierenden Unternehmen in NRW exportorientiert sind", sagt Beck. "Das sind sehr oft Hidden Champions und Weltmarktführer in ihren Segmenten, die nicht nur den deutschen oder europäischen Markt bedienen, sondern auch den amerikanischen".
Das Gefühl der Unsicherheit, das gerade herrsche, sei für strategische Partnerschaften nicht förderlich. Dennoch sieht Beck nicht schwarz. Ganz gleich, welche Drohungen im Raum stünden: Sie könnten nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. Wichtig sei es, den Dialog aufrecht zu erhalten. Und dass die NRW-Wirtschaft gut und selbstbewusst aufgestellt sei. Besonders bei Produkten, die nicht so einfach zu ersetzen sind, wenn es um den Aufbau einer nachhaltigen Wirtschaft geht.
So sieht es auch Kaffeeröstmaschinen-Hersteller Abbing: "Mit entsprechender Innovationskraft, mit Stärke, in der Zusammenarbeit mit vielen Freunden auf beiden Seiten, werden das auch überstehen."
Unsere Quellen:
- Interview mit Wim Abbing, Probat AG, Emmerich
- Interview mit Hans Stein, Zentrum für Innovation und Technik in NRW ZENIT
- Interview mit Rasmus Beck, Duisburg Business und Innovation
- IT-NRW
- Statement von NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne)
Über das Thema berichten wir am 5.11.24 u.a. im Morgenecho auf WDR5