Hinter Bäumen ist auf einem Hügel die Eifelhöhenklinik in Marmagen zu erkennen.

Land verfehlt seine Ziele bei Unterbringung von Flüchtlingen

Stand: 12.03.2023, 13:00 Uhr

34.500 Flüchtlinge wollte die Landesregierung bis März in eigenen Einrichtungen unterbringen. Das sollte die Kommunen entlasten. Doch mehr als 5.000 Plätze fehlen noch.

Von Daniela BeckerHenrik HübschenHenrik HübschenTorsten ReschkeTorsten Reschke

Gut 2.000 zusätzliche Plätze hat das Land seit dem Jahreswechsel in neuen Notunterkünften in Marmagen, Herne und Bielefeld geschaffen. Auf dem Papier. Denn wegen Personalmangels und Brandschutzvorschriften können die 750 Plätze in der ehemaligen Eifelhöhen-Klinik in Marmagen bisher nicht mal zur Hälfte genutzt werden. Und auch bis Ende des Monats wird der Ausbau der Landeskapazitäten nicht mehr wesentlich voran kommen.

Den Zuzug von rund 12.000 weiteren Flüchtlingen seit Anfang des Jahres kann das alles nicht ansatzweise auffangen. Deren Unterbringung müssen stattdessen hauptsächlich Städte und Gemeinden stemmen. Irgendwie. Mancherorts wie in Eitorf und Korschenbroich werden schon wieder Turnhallen belegt, um Flüchtlingen zumindest ein Dach über dem Kopf anbieten zu können.

Diskussion um Notunterkunft in Mülheim-Raadt

Seit Monaten fordern die Bürgermeister deshalb von der NRW-Landesregierung, neue Einrichtungen zu schaffen. Doch das ist nicht so einfach. Beispiel Mülheim an der Ruhr. Hier sollen im Juni 650 Flüchtlinge in ein ehemaliges Verwaltungsgebäude der Telekom einziehen. Die Bezirksregierung Düsseldorf hat das Gebäude im Auftrag des Landes für zwei Jahre gemietet. Es liegt in Mülheim-Raadt, einem ländlich geprägten kleinen Stadtteil mit vielen Neubauwohnungen. Und dort werden die Flüchtlinge von vielen nicht gerade mit offenen Armen empfangen.

Es gebe keine Grünflächen, der Bus hält nur einmal pro Stunde, keinen Supermarkt in der Nähe. Wie soll da Integration gelingen, in einem Stadtteil, in dem nur 5.000 Menschen wohnen, fragen sich viele. Andere befürchten Krawall und Unruhe auf der Straße. Viele wollen sich gar nicht äußern - aus Angst vor Konflikten mit den Nachbarn.

Fußballverein will helfen – aber braucht selbst Hilfe

Der örtliche Fußballverein SV Raadt will dagegen gern helfen und Kinder und Jugendliche aufnehmen. Allerdings gibt es schon jetzt für viele Mannschaften eine Aufnahmesperre, denn der Platz reicht einfach nicht aus. Um mehr Mannschaften trainieren zu können, müsste ein zusätzlicher Trainingsplatz her.

Die Flüchtlinge sollen bis zu 6 Monate in dem ehemaligen T-Systems-Gebäude leben, bevor sie auf die Kommunen weiter verteilt werden. Oberbürgermeister Marc Buchholz (CDU) beschwichtigt: An anderer Stelle werde gerade eine dezentrale Flüchtlingsunterkunft mit Wohnungen für 700 Menschen gebaut. Doch bis die fertig ist, brauche man die Notunterkunft des Landes.

Regierungspräsident Thomas Schürmann betonte in der vergangenen Woche auf einer Informationsveranstaltung in Mülheim, es sei jetzt die drängendste Aufgabe, Obdachlosigkeit zu vermeiden und die Belegung von Turnhallen zu verhindern.

Land sucht nach weiteren Standorten

Deswegen sucht die Landesregierung aktuell händeringend weiter nach Gebäuden, in denen sie zusätzliche Notunterkünfte einrichten kann. In den letzten Wochen hat sie neben Mülheim Mietverträge in Gütersloh, Leverkusen und Weeze abgeschlossen. In der Regel – so das Flüchtlingsministerium - dauere es aber drei, vier Monate bis die Objekte auch tatsächlich belegt werden können und genug Personal für die Betreuung zur Verfügung steht. Vor Juni dürfte das die Kapazitäten des Landes also nicht erhöhen.

Der Druck auf die Kommunen steigt damit weiter. Zumal sie die versprochenen 34.500 Plätze des Landes ohnehin für deutlich zu wenig halten, um wirklich für Entlastung zu sorgen.

Über dieses Thema berichtet die Sendung "Westpol" im WDR-Fernsehen am 12.03.2023 ab 19:30 Uhr.

Flüchtlinge - wer darf eigentlich noch rein?

WDR RheinBlick 14.10.2022 27:54 Min. Verfügbar bis 12.10.2028 WDR Online


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