Liminski

US-Wahl: NRW-Regierung erwartet "massive Folgen"

Stand: 05.11.2024, 17:00 Uhr

Nathanael Liminski, Chef der NRW-Staatskanzlei und Minister für Internationales, sieht "eine große Baustelle" auf Nordrhein-Westfalen zukommen - egal, unabhängig vom Wahlausgang in den USA. Im WDR-Interview erklärte Liminski vor der Wahlnacht, um was es geht. Das ganze Interview können Sie im Beitrag nachhören.

Herr Liminski, sind Sie nervös angesichts der anstehenden Wahl?

Liminski: Ich bin angespannt, weil das, was heute Nacht in den USA passiert, für uns in Nordrhein-Westfalen direkt massive Folgen haben wird - sowohl für den Wirtschaftsstandort als auch politisch und gesellschaftlich. Insofern ist es gut, wenn wir das eng verfolgen.

Was für Folgen könnten das sein?

Liminski: Beim Thema Handel kann man den Worten von Donald Trump entnehmen, dass er Handel als Waffe einsetzen will. Aber auch wenn man auf die Seite der Demokraten schaut, stellt man fest, dass, nicht zuletzt aufgrund des Widerstands der Gewerkschaften, auch Kamala Harris beim Thema Freihandel sehr restriktiv argumentiert. Auch sie möchte die Jobs zurück nach Amerika holen. Für uns als sehr exportorientierten Wirtschaftsstandort sehe ich eine große Baustelle auf uns zukommen.

Sie sprachen von gesellschaftlichen Folgen. Was genau meinen Sie?

Liminski: Die Art und Weise, wie der Wahlkampf dort geführt worden ist, war ja nicht dazu angetan, das Land zusammenzuführen. Das ist etwas, was sich natürlich die Populisten und Extremisten in anderen Ländern abgucken, weil sie sagen: Es funktioniert ja selbst in einer so vitalen Demokratie wie in den USA. Insofern befürchte ich, dass manches auch in europäischen Ländern probiert wird.

Was macht man dagegen, dass es bei uns auch so ausartet?

Liminski: Nehmen wir das Bild der Medien als Lügenpresse: Das hat ganz massiv zugenommen, seit Donald Trump 2016 die politische Bühne betreten hat. Das ist ein Beispiel, was dann zu uns herübergeschwappt ist, weil es von vermeintlich "berufener Stelle" aus geäußert wurde. Das hat auch bei uns das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Medien verändert. Das muss uns Sorgen machen.

Das Gleiche gilt auch für die Frage, wann Gewalt ein probates politisches Mittel ist. Der Sturm auf das Kapitol vor bald vier Jahren ist vielen Menschen in Erinnerung - zum Glück bei den allermeisten als Warnung und Mahnung. Andere aber sagen: Wenn das in Washington DC, im Herzen dieser großen Demokratie, möglich ist, warum soll das dann bei uns verboten sein?

Was kann die Landesregierung tun, damit wir uns auf so eine Situation einstellen?

Liminski: Vor allem: Mit den Amerikanern selber reden. Das habe ich für uns als Landesregierung getan. Auf zwei Reisen in die USA im letzten November und in diesem September habe ich sowohl bei Demokraten als auch bei Republikanern dafür geworben, im Bereich Wirtschaft im Bereich Handel die transatlantische Partnerschaft wiederzubeleben. Also ganz anders als die aktuelle Erzählung das Potenzial darin zu sehen, was an Gemeinsamem da ist.

US-Wahl wird auch massive Folgen für NRW haben

WDR 5 Westblick - aktuell 05.11.2024 09:56 Min. Verfügbar bis 05.11.2025 WDR 5


Download

Wir müssen uns aber auch realistisch darauf vorbereiten, was kommt. Das war der Grund, warum ich vor zwei Wochen in Brüssel die dafür zuständige Generaldirektorin aufgesucht und gefragt habe, wie sich die Europäischen Union auf einen möglichen Handelskrieg mit Amerika vorbereitet.

Das dritte ist, dass wir uns darauf vorzubereiten, resilient zu sein, also etwa selber zu gucken: Haben wir unsere Lieferketten diversifiziert. Aber wir müssen politisch das Ziel verfolgen, zum gegenseitigen Nutzen das Potenzial zu erkennen.

Sie haben sich hier klar positioniert gegenüber Trump. Ähnlich hat das auch ihre Regierungskollegin, die grüne Wirtschaftsministerin Mona Neubaur, getan. Was machen Sie, wenn Trump gewinnt?

Liminski: Das ist der Grund, warum ich auf meiner USA-Reise auch das Trump-Lager aufgesucht habe. Damit macht man sich in Deutschland nicht nur Freunde. Aber ich halte das für meine Aufgabe als politischer Vertreter aus Nordrhein-Westfalen. Ich habe sowohl im Bereich Sicherheit als auch im Bereich Wirtschaft als auch im Bereich Gesellschaftspolitik diejenigen aufgesucht, die Stichwortgeber sind für Trump und sein Wahlkampfteam, um dafür zu werben, was uns verbinden könnte - aber natürlich auch um zu verstehen: Was treibt diese Leute um?

Was glauben Sie, warum Trump so beliebt ist? Und was heißt das für die Demokratie?

Liminski: Also erst einmal habe ich in den letzten Wochen dafür geworben, Kamala Harris nicht durch die rosarote Brille zu sehen. Wenn sie Präsidentin wird, wird sie Europa und Deutschland viel abverlangen - sowohl beim Thema Handel als auch beim Thema Sicherheit. Sie wird es sicherlich freundlicher verpacken.

Mit Blick auf Donald Trump habe ich dafür geworben, differenziert auf seine erste Amtszeit zu schauen. Im Bereich der Außenpolitik, Stichwort Abraham-Accords (Verträge zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn, die Red.) gibt es durchaus Verdienste dieser Administration. Oder auch wenn es darum geht, China als Gefahr zu erkennen.

Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass wir in unserer Haltung klar sind, was wir ablehnen. Und da gibt es vieles in der Wahlkampfführung von Donald Trump, was ich als Christdemokrat nicht teilen kann. Das ist mir auch persönlich wichtig.

Das Interview führte Benjamin Sartory.

Weitere Themen