Ein Schild mit der Aufschrift "Bewohner mit Parkausweis frei" kennzeichnet eine Zone mit Anwohnerparkberechtigungen in der Innenstadt.

Viele Städte wollen Sozialtarif beim Anwohnerparken - dürfen aber nicht

Stand: 03.07.2023, 20:39 Uhr

Der Städtetag NRW fordert von der Ampel in Berlin eine Gesetzesänderung zum Anwohnerparken. Städte dürfen die Parkgebühren zwar verzehnfachen, sie dürfen aber keinen Sozialtarif einführen. Was ist da los?

Von Philip Raillon

Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgericht vor drei Wochen, sorgen Anwohnerparkgebühren für eine politische Diskussion. Der nordrhein-westfälische Städtetag, ein Zusammenschluss von 39 NRW-Kommunen, setzt sich für eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes ein. Mit dieser Änderung könnten Kommunen künftig ihre Anwohnerparkgebühren, die vielerorts kräftig steigen sollen, sozial staffeln.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Anwohnerparkgebühren der Stadt Freiburg in dem viel beachteten Urteil für rechtswidrig erklärt. In Freiburg wurden per Satzung bis zu 480 Euro pro Jahr verlangt. Gleichzeitig waren deutlich günstigere Tarife für zum Beispiel sozial schwache Anwohner vorgesehen. Die Höhe der Gebühren befand das Gericht grundsätzlich für angemessen.

Bundesgesetz verhindert soziale Staffelung

Allerdings dürften Städte sozial gestaffelte Gebühren nicht, wie in Freiburg geschehen, per Satzung festlegen, so die Richter des höchsten deutschen Verwaltungsgerichts. Mit Satzungen können Kommunen eigene Angelegenheiten regeln, etwa eine Hunde- oder Bettensteuer einführen. Dabei haben sie einen eigenen Spielraum.

Die Anwohnerparkgebühren dürfen hingegen nur durch sogenannte Rechtsverordnung bestimmt werden. Das steht so im Straßenverkehrsgesetz, das der Bundestag beschließt. Anders als bei Satzungen, besteht bei Rechtsverordnungen kein Entscheidungsspielraum. Deshalb müssen die Anwohnerparkgebühren sich streng danach richten, was das Straßenverkehrsgesetz vorgibt.

Düsseldorf will hohe Parkgebühren - aber nur mit Sozialtarif

Eine Staffelung nach sozialen Unterschieden sieht das Straßenverkehrsgesetz aber bislang nicht vor. Das solle sich ändern, meint der Städtetag NRW. "Ein Entwurf für die Reform liegt ohnehin auf dem Tisch. Das ist die beste Gelegenheit, die rechtlichen Lücken schnell zu schließen", sagt Helmut Dedy, Geschäftsführer des NRW-Städtetags.

Diese Änderung würde vielen Städten aus einer Zwickmühle helfen. Sie wollen einerseits die Gebühren anheben, dies aber gleichzeitig sozial abfedern. Die Stadt Düsseldorf hat beispielsweise bereits einen Grundsatzbeschluss für die Erhöhung der Gebühren gefällt, eine Umsetzung war ursprünglich für den Herbst geplant.

Die Pläne sehen auch eine soziale Komponente vor. Da aber nach dem Urteil ein Sozialtarif nicht mehr möglich sei, müssten die Höhe der Gebühren aber neu abgewogen werden, sagte Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU).

Änderung des Gesetzes würde Städten Handlungsspielraum bringen

Die Stadt Bonn hat die Gebühren bereits angehoben und übernimmt bei einer bestimmten, sozial schwachen Gruppe einen Teil der Kosten. Bonn möchte das Urteil des BVerwG aus Leipzig nun prüfen.

Viele Städte würden von einer Änderung des Straßenverkehrsgesetzes profitieren, weil sie mehr Handlungsspielraum bekämen, meint der Städtetag. Wie die Chancen dafür stehen, ist derzeit aber kaum absehbar.

In der Fassung des neuen Straßenverkehrsgesetzes, die das Bundeskabinett vor zwei Wochen verabschiedet hat, ist die Anpassung nicht vorgesehen. Das von Volker Wissing (FDP) geführte Bundesverkehrsministerium plant sie derzeit auch nicht mehr nachzuholen.

Verkehrsministerium lehnt Forderung ab

Auf WDR-Anfrage wird auf die Ziele des Straßenverkehrsgesetzes verwiesen. Das solle bislang nur dem Verkehr dienen. Mit der aktuellen Reform werde als Ziel zwar noch zum Beispiel der Klima- und Gesundheitsschutz ins Gesetz aufgenommen. Ein sozialer Ausgleich durch das Straßenrecht gebe es bislang aber nicht, die Sozialstaffelung sei daher nicht möglich.

Auch die FDP im Düsseldorfer Landtag sieht die Forderung des Städtetags kritisch. "Die Digitalisierung bietet hier eine bessere Lösung", sagt Christof Rasche, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion in NRW. Gemeint sind etwa Parkleitsysteme, die den Autofahrern direkt einen freien Parkplatz zeigen.

Aus der CDU kommt vorerst ebenfalls eine Absage zur Forderung. "Es braucht zielführende Maßnahmen im Bereich des Anwohnerparkens, bevor über eine soziale Staffelung nachgedacht werden kann", sagt Florian Müller, CDU-Mitglied des Verkehrsausschusses im Bundestag. Der Abgeordnete aus dem Sauerland steht hohen Gebühren insgesamt eher kritisch gegenüber.

SPD-Fraktion stellt sich gegen Verkehrsministerium

Die SPD-Fraktion im Bundestag kann der Sozialstaffelung aber durchaus etwas abgewinnen. "Bei hohem Parkdruck wollen viele Kommunen die Gebühren erhöhen. Das darf dann aber nicht dazu führen, dass sich nur noch Gutverdiener das wohnortnahe Parken ihres Autos leisten können", sagt der SPD-Verkehrspolitiker Matthias Stein.

Seine Fraktion wolle sich im laufenden Gesetzgebungsverfahren noch für die geforderte Änderung einsetzen – und mit den Koalitionspartnern sprechen.

Über dieses Thema berichtet der WDR am 3.7.2023 im Westblick auf WDR 5 und in den Hörfunknachrichten.