Warum ein Pharma-Lobbyist in der NRW- Staatskanzlei arbeitet

Stand: 12.01.2021, 20:37 Uhr

Weil sie Pharma-Lobbyisten in die Staatskanzlei geholt hat, steht die NRW-Landesregierung in der Kritik. Der Mann arbeitet seit Jahresbeginn für den „Krisenkoordinationsrat Corona“.

Von Doro Blome-Müller

Ein führender Lobbyist der Impfsparte des Pharmakonzerns Sanofi arbeitet seit Beginn des Jahres für den „Krisenkoordinationsrat Corona“ der Landesregierung. Das wurde am Dienstag bekannt. Der Mann sei befristet bis Juni als Referent in der Geschäftsstelle des Koordinationsrates eingestellt worden, bestätigte die Staatskanzlei auf Nachfrage.

Das Unternehmen erklärte: „Stefan Kentrup aus dem Team Public Affairs in Deutschland wurde von der Staatskanzlei in NRW aufgrund seiner Expertise angefragt, bei der Organisation der Impfzentren in NRW zu unterstützen.“

Opposition sieht Interessenkonflikt

Sanofi erklärte weiter, Kentrup sei dafür frei gestellt worden und es gebe in diesem Zusammenhang keinen Informationsaustausch zwischen dem Unternehmen und der Staatskanzlei.

SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty hält es "für nicht akzeptabel, dass ein Mitarbeiter eines Unternehmens, was selbst Impfstoffe herstellt, auf den Markt kommen möchte, im Augenblick noch etwas zeitlich zurückhängt, an solch zentraler Stelle in einem Ministerium mitarbeiten kann. Da ist doch der Interessenkonflikt vorprogrammiert“, sagte Kutschaty dem WDR.

Lobbycontrol sieht Glaubwürdigkeit gefährdet

Die beiden gemeinnützigen Organisationen LobbyControl und Transperacy International sehen die Mitarbeit des Sanofi-Lobbyisten ebenfalls kritisch: „Auch durch eine Verschwiegenheitsvereinbarung und einen Verhaltenskodex lässt sich der Interessenkonflikt nicht auflösen. Vielmehr wird die Glaubwürdigkeit des Handelns des Krisenkoordinationsrates durch eine solche Personalpolitik gefährdet.“ Expertenrat lasse sich auch außerhalb der Pharmaunternehmen finden, falls die Expertise innerhalb des NRW-Gesundheitsministeriums nicht ausreiche, so die Vereine weiter.

Die Staatskanzlei sieht hier jedoch wenig freies, ausreichend qualifiziertes Personal. In einer Stellungnahme heißt es: "Es gibt wenig Spezialisten mit praktischen Erfahrungen, die kurzfristig verfügbar sind und eine umfassende Marktexpertise mit sich bringen. Der Betreffende hat sich auf eine Ausschreibung hin beworben und stand kurzfristig zur Verfügung."

Sanofi ist Weltmarktführer bei Grippeimpfstoffen. Die EU hatte vorsorglich 300 Millionen Covid-19-Imfdosen bei dem Pharmariesen bestellt, liefern kann das französische Unternehmen aber voraussichtlich erst Ende des Jahres.

Opposition fordert Korrektur

Unterdessen hat in der außerordentlichen Landtagsdebatte zur Corona-Schutzverordnung die Opposition gefordert, die Einstellung rückgängig zu machen. Neben der politischen Brisanz sei die Personalie auch ein falsches Signal an die Bevölkerung. Sie untergrabe auch das Vertrauen in die bereits zugelassenen Impfstoffe.