Porträt des SPD-Parteichefs in NRW, Thomas Kutschaty

"Wir sind keine Kohlepartei mehr" - SPD analysiert Niederlage bei der Landtagswahl

Stand: 30.09.2022, 14:45 Uhr

Der Spitzenkandidat zu staatsmännisch, die Themen zu schwach: Die NRW-SPD arbeitet ihre Niederlage bei der Landtagswahl auf - durchaus selbstkritisch.

Von Niklas Schenk

Der Stolz war allen anzusehen: Die SPD hatte eingeladen ins neue Johannes-Rau-Haus. Herausgeputzt, hochmodern und auf die Terrasse im fünften Stock schien standesgemäß auch die Sonne.

Aber der Donnerstagabend sollte ganz anders verlaufen als eine harmonische Einweihungsfeier. Denn die NRW-SPD stellte die ersten Ergebnisse ihrer Analyse der Landtagswahl vor, die sie im Mai letztlich deutlich gegen die CDU verloren hatte. Und dabei nahmen die Entscheidungsträger kein Blatt vor den Mund.

Kutschaty übt Selbstkritik

Zu staatsmännisch sei er aufgetreten, auch beim TV-Duell, sagte Spitzenkandidat Thomas Kutschaty: "Wir haben es Hendrik Wüst zu lange durchgehen lassen, dass er Konflikte vermieden hat und wie Frau Merkel sozialdemokratische Themen wie den Mindestlohn übernommen hat. Da hätte man klarer widersprechen und ihn damit konfrontieren müssen."

Kutschaty war insbesondere bei den TV-Auftritten für viele überraschend zurückhaltend aufgetreten - anders als oft im Landtag, wo er oft bissige Reden hält. Unterschiede zwischen sich und Ministerpräsident Wüst hätte er klarer machen müssen, sagte der Vorsitzende der NRW-SPD.

Kontrahent Wüst war stärker als gedacht

Jedoch sei sein Kontrahent Wüst auch besser angekommen als erwartet. "Er war ja zu diesem Zeitpunkt erst neun Monate im Amt. Aber er hatte sich bereits gut etabliert, da hat ihm auch die ständige Präsenz als Vorsitzender Ministerpräsidenten-Konferenz geholfen", so Kutschaty, "das alles hat seine Popularität gesteigert. Hendrik Wüst war schon stärker im Amt angekommen, als wir gehofft hatten."

Die Plakatkampagne mit Bundeskanzler Olaf Scholz sieht Kutschaty auch rückblickend nicht als Fehler - auch wenn der Rückenwind aus Berlin ausblieb, den sich die SPD bei den langfristig geplanten Plakaten ursprünglich wohl erhofft hatte.

Von anderen SPD-Größen fühlte sich Kutschaty im Wahlkampf hingegen behindert: "Ich wollte der Anwalt der Menschen sein, stattdessen habe ich mich oft wie der Anwalt prominenter SPD-Mitglieder gefühlt, vor allem aus dem Raum Hannover." Ein klarer Wink in Richtung Ex-Kanzler Gerhard Schröder und dessen Rolle als Gas-Lobbyist Russlands.

Lüders: Bundespolitik überlagerte alles

Thomas Kutschaty und SPD-Spitze analysiert auf Pressekonferenz Wahlniederlage

Selbstkritische SPD-Führung

Generalsekretärin Nadja Lüders zog anschließend noch einige interessante inhaltliche Schlussfolgerungen aus der verlorenen Landtagswahl. Insgesamt sei die SPD mit landespolitischen Themen kaum durchgedrungen: "Alles wurde von der Bundespolitik in Zeiten des Krieges überlagert - dabei hatten wir uns so viel Mühe mit dem Wahlprogramm gemacht."

Aber zu einfach will es sich die SPD bei der Analyse nicht machen. Die Partei möchte ihre inhaltliche Grundausrichtung überdenken. "Wir sind keine Kohlepartei mehr", sagte Lüders - ein Satz, bei dem viele im Saal aufhorchten. Später ergänzte Lüders, wie sie das gemeint hatte.

Offene Flanken beim Klimaschutz

"Wir müssen uns fragen: Was heißt Klima- und Umweltpolitik für uns? Dass sich Klimaschutz nur diejenigen leisten können, die das nötige Kleingeld haben? Oder müssen wir den Klimaschutz so voranbringen, dass auch die mitmachen, die sich keinen Tesla leisten können", so Lüders. "Da müssen wir unsere Position schärfen, um uns abzugrenzen. Die Flanke haben wir offen gelassen."

Kutschaty möchte, dass man wieder stärker zu einer "Partei der Mitte" wird. Helfen soll eine Aktion, die Kutschaty bald starten will: eine Tour, bei der er Arbeitnehmer nach ihrem Feierabend an verschiedenen Orten treffen will.

Wahlanalyse geht weiter, Kutschaty bleibt an Bord

Die Wahlanalyse will die NRW-SPD weiter vorantreiben, teilweise auch mit externer Hilfe. Später soll auch veröffentlich werden, mithilfe welcher Daten und Befragungen die Schlussfolgerungen gezogen wurden. Unklar blieb am Donnerstag etwa, wie die Partei sich schlechte Briefwahlergebnisse erklärt.

Fest steht schon jetzt: Spitzenkandidat Thomas Kutschaty bleibt trotz der klaren Wahlniederlage an Bord. Er wolle keinen "moderierten Übergang", sondern will die Partei weiter anführen. Angebote großer Anwaltskanzleien hat der Jurist ausgeschlagen. "Ich habe Spaß an der politischen Arbeit und packe die Sache weiter an."

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