Josefine Paul

Tatverdächtiger von Solingen vor geplanter Abschiebung länger weg

Stand: 04.09.2024, 17:06 Uhr

Issa al H. war zwei Monate vor der geplanten Abschiebung länger nicht in der Unterkunft. Verantwortliche hätten das melden müssen.

Von Henrik HübschenHenrik Hübschen

NRW-Fluchtministerin Josefine Paul (Grüne) hat in einem Bericht für den Integrationsausschuss des Landtags am Mittwoch weitere Erkenntnisse zur gescheiterten Abschiebung des späteren, mutmaßlich islamistischen Attentäters von Solingen offen gelegt. Demnach war Issa al H. im April 2023 für eine Woche nicht in seiner damaligen Unterkunft, der Zentralen Unterbringungseinrichtung in Paderborn.

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Weil zu diesem Zeitpunkt bereits feststand, dass der Mann vollziehbar ausreisepflichtig war, hätte die Landeseinrichtung dessen längere Abwesenheit an die für die Abschiebung zuständige Zentrale Ausländerbehörde Bielefeld melden müssen. Das erfolgte allerdings nicht.

Laut Paul ein "Versäumnis"

Dabei handelt es sich um einen klaren Verstoß gegen die damals bereits geltende Vorschrift, Abwesenheiten von drei Tagen und mehr an die Ausländerbehörde zu melden. Fluchtministerin Paul bezeichnete die nichterfolgte Meldung der ihr unterstellten Einrichtungsleitung als "Versäumnis."

Ein Grund für die Meldepflicht: Längere Abwesenheiten können von den Ausländerbehörden auch ins Feld geführt werden, um Personen für die Nacht der geplanten Abschiebung die Anwesenheit auf dem Zimmer vorzuschreiben. Eine solche Nachtzeitverfügung muss in jedem Einzelfall juristisch begründet werden.

Unterkunft meldet Abwesenheit und Anwesenheit nicht

Im Fall von Issa al H. wurde eine solche Nachtzeitverfügung für die geplante Abschiebung am 5. Juni 2023 nicht verhängt. Der Mann wurde von den Behörden um 2 Uhr morgens nicht in seinem Zimmer angetroffen. Allerdings war er zum vorherigen Abendessen und auch zu Mittagessen am 5. Juni 2023 wieder in der Einrichtung. Dies geht aus dem Anwesenheitssystem der Einrichtung hervor, auf das die Ausländerbehörde zum damaligen Zeitpunkt allerdings keinen Zugriff hatte.

Auch dass der Mann mittags wieder da war, hatte die Einrichtung der Ausländerbehörde damals nicht gemeldet. Eine Durchsuchung weiterer Zimmer in der Unterkunft war im Juni 2023 noch verboten und ist erst seit dem im Januar 2024 verabschiedeten Rückführungsverbesserungsgesetz der Bundesregierung erlaubt.

SPD: "Organisierte Verantwortungslosigkeit"

Die SPD-Fraktion im Landtag übte heute scharfe Kritik an Ministerin Paul. Die versäumte Abwesenheitsmeldung sei ein "massiver Fehler in ihrem Verantwortungsbereich", sagte die stellvertretende Vorsitzende Lisa-Kristin Kapteinat nach der Ausschusssitzung. Seit Pauls Amtsantritt habe diese sich um die Rückführung Ausreisepflichtiger "scheinbar überhaupt nicht gekümmert". Derartige Fehler seien deshalb "geradezu vorprogrammiert" gewesen. Es zeichne sich inzwischen "ein Gesamtbild organisierter Verantwortungslosigkeit" ab, so Kapteinat.

Issa al H. wurde anerkannter Bürgerkriegsflüchtling

Josefine Paul steht seit dem Anschlag von Solingen unter Druck, weil die geplante Überstellung des Tatverdächtigen im Juni 2023 gescheitert war, obwohl das nach den EU-Dublin-Regeln für das Asylverfahren eigentlich zuständige Bulgarien der Rücküberstellung zugestimmt hatte.

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Weil die Behörden nach der gescheiterten Überstellung im Juni keine weiteren Versuche unternahmen, verstrich die dafür vorgesehene sechsmonatige Frist im August 2023 ungenutzt. Deutschland wurde formal zuständig und Issa al H. lebte am Tag des Anschlags als anerkannter Bürgerkriegsflüchtling in einer Unterkunft in Solingen.

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