Fußballspiele, Unfälle, Großdemonstrationen und deutlich gestiegenen Kriminalitätszahlen - die Arbeit der Polizei in NRW wird nicht weniger. Doch das Personal reicht hinten und vorne nicht aus - das beklagen vor allem die Polizeigewerkschaften immer heftiger.
Eigentlich war das Ziel der Landesregierung, dass jedes Jahr 3.000 neue Kommissaranwärter starten, 400 mehr als früher. So steht es im schwarz-grünen Koalitionsvertrag. Denn die Behörden sind bislang stark unterbesetzt.
Zu wenig Bewerber - trotz gesenkter Mindestgröße
Doch die 3.000er-Marke ist offenbar ambitioniert gesetzt: Im vergangenen Jahr kam man nur auf knapp 2.700 Anwärter. Und das, obwohl die Voraussetzungen für eine Bewerbung - die bisherige Mindestgröße von 1,63 Meter zum Beispiel - bereits aufgeweicht worden war.
Beworben haben sich bislang immerhin gut 11.000, mehr als im vergangenen Jahr. Doch längst nicht alle Interessenten sind offenbar geeignet für den Polizeidienst. Daher hat die Landesregierung die Bewerbungsfrist für die Ausbildung, die im September startet, bis Ende Mai verlängert. Eigentlich war am 8.Oktober 2022 Bewerbungsschluss für das Studienjahr 2023. Wie viele Anwärter bis dahin die Auswahlkriterien erfüllten, gibt das zuständige Innenministerium nicht an.
Werbeplakat in Düsseldorf
Seit vergangenem Jahr kann man in NRW auch ohne Abitur zur Polizei gehen: Wer beim sogenannten "Schulversuch Fachoberschule Polizei" angenommen wird, muss sich nachqualifizieren und ein polizeispezifisches Fachabitur machen. Erst danach beginnt die Kommissarausbildung. Für 2023 bewarben sich auf diesen Sonderweg knapp 3.000 Menschen - zusätzlich zu den ca. 11.000 Bewerbern.
"Polizei kann Straftaten nur noch verwalten"
Die Gewerkschaft der Polizei (GDP) NRW drängt: Die großen Personallücken müssten schneller gefüllt werden. "Dass die Polizei viele Straftaten nur noch verwaltet, nicht aber verfolgt, ist nicht hinnehmbar", erklärte der GDP-Landesvorsitzende Michael Mertens kürzlich. Im Moment seien die Personallücken so groß, dass die Politik sich entscheiden müsse, "auf welche Kriminalitätsfelder die Polizei ihre knappen Ressourcen konzentrieren soll".
Mehr Schüler bedeutet mehr Personalbedarf
Immerhin: Dass die Bewerbungsfrist nun verlängert wird, sei eine gute Nachricht, sagte Mertens am Donnerstag dem WDR. Durch das verschobene Zeitfenster ließen sich sicherlich noch einige Interessenten gewinnen: Diejenigen, die jetzt erst noch Abitur machen, und auch Studienabbrecher, die sich neu orientieren wollen. "Genau die können wir jetzt noch erreichen."
Polizeiarbeit bei Demonstration in Lützerath
Aber: "Wer den ersten Schritt geht, muss auch den zweiten gehen": Mehr Polizeischüler bedeute auch, dass das Lehrpersonal, die nötigen Räume und Technik aufgestockt werden müssten. In der Ausbildung lernen Kommissaranwärter zum Beispiel, wie man einen Verkehrsunfall aufnimmt, wie ein Festnahme funktioniert, wie die Beamten bei häuslicher Gewalt reagieren. Mit Scheinpistolen werden kritische Einsatzszenarien geübt.
Innenministerium will "Mehrbedarfe" prüfen
Solche Lehreinheiten mit 30 statt 15 Schülern "per Druckbetankung" durchzuführen - das funktioniere nicht, sagt Mertens, und man werde so der Verantwortung den jungen Menschen gegenüber nicht gerecht. Vom Innenministerium gebe es da aber keinerlei Signale. "Es heißt, wir müssen mit dem auskommen, was vorhanden ist."
Auf WDR-Nachfrage erklärte das Innenministerium am Mittwoch, die Ausbildungsstätten für das Polizeistudium hätten die "personellen und sachlichen Mehrbedarfe", die durch die vielleicht steigende Studierendenzahl entstehen, "erhoben und an das Ministerium des Innern NRW übersandt". Die Berichte würden derzeit "intensiv geprüft", abschließende Ergebnisse gäbe es aber noch nicht.
"Toller Beruf", aber Rahmenbedingungen müssen passen
GDP-Chef Michael Mertens: "Toller Beruf"
GDP-Chef Mertens geht davon aus, dass der Polizeiberuf nach wie vor beliebt ist bei jungen Menschen. Wegen der Nacht- und Wochenenddiensten sei eine gewisse Flexibilität erforderlich, "auch, dass man mal länger bleibt, wenn kurz vor Dienstschluss ein Mord aufzuklären ist oder ein Wohnungseinbrecher vernommen werden muss".
Aber es müssten sich die Rahmenbedingungen noch verbessern: Seit fast 20 Jahren würden die Kollegen eine 41-Stunden-Woche schieben, sagt der GdP-Landesvorsitzende. Mit Familie sei das kaum vereinbar. Die GDP fordert daher eine Rückkehr zur 38,5-Stunden-Woche. Auch sei der Aufschlag für Nacht- und Wochenenddienste seit 32 Jahren nicht erhöht worden.