"Nein, das ist keine Abspaltung", sagt Markus Scheer. Die AfD-ler seien bei dem neuen Projekt deutlich in der Minderheit, so der Bochumer Unternehmer. In der nordrhein-westfälischen AfD selber dürfte diese Aussage für ein gewisses Schmunzeln sorgen. War es doch Scheer, der in den vergangenen Jahren die Strippen im Hintergrund der Partei gezogen hatte.
Bis zuletzt gab es in der AfD Situationen, in denen ohne Markus Scheers Einverständnis nichts gegangen wäre. Ganze Landesvorstände kamen nur mit seiner Unterstützung zustande. Er selber dagegen suchte nie die große Öffentlichkeit über die Bochumer Kommunalpolitik hinaus. Was auch daran lag, dass er 2009 zu mehr als drei Jahren Haft wegen Bilanzfälschung, Betrugs und Untreue verurteilt worden war.
Vom Moorhuhn über die AfD zum BD
Scheer, der vor vielen Jahren das Computerspiel "Moorhuhn" erfand, hatte die Bilanzen seiner Firma geschönt. Dass er sich nun, bei der Gründung von "Bündnis Deutschland", in den Vordergrund wagt, ist überraschend. Einigen ausgewählten Journalisten gab er vorab bereitwillig Auskunft zu den Motiven der neuen Partei.
Man wolle keine klassisch konservative Politik machen, sondern für die breite der Gesellschaft, sagte Scheer bei einem Hintergrundgespräch in einem Restaurant des feinen Düsseldorfer Stadtteils Oberkassel. Man sei für die EU, leugne nicht den Klimawandel und stelle sich gegen jeden Extremismus. Der habe die AfD, so glaubt Scheer, in Schieflage gebracht. Aber wie auch die AfD sehe man, dass die aktuelle Politik das Land in eine schlechte Zukunft führe.
Kernwählerschaft Mittelstand - aber auch mehr
Ziel seien vor allem Wähler und Wählerinnen aus dem Mittelstand. Aus diesen Unternehmen komme der größte Wunsch nach einer bürgerlichen Wahlalternative zu CDU, CSU und FDP, so sagt es Walter Münnich, einer von Scheers Mitstreitern. "Ich sehe beim Mittelstand als wichtigsten Punkt die Regelungswut der deutschen Verwaltungsbehörden", so der 73-jährige aus Hamminkeln am Niederrhein - und meint vor allem den Abbau von Bürokratie.
In Nordrhein-Westfalen soll Corina Bülow aus Mönchengladbach die Partei aufbauen. Sie selber war in der AfD, arbeitet im Bundestag für einen Abgeordneten und war jetzt kurzzeitig in der Zentrumspartei aktiv. Sie soll darauf achten, dass nicht unkontrolliert neue Mitglieder die Partei inhaltlich umgestalten. Man werde das Personal sehr gut aussuchen und habe in der Satzung auch Probemitgliedschaften verankert. Damit hofft man, dass keine - wie Markus Scheer sie nennt - "Glücksritter" oder Extremisten die Partei kapern.
Nervöse Gelassenheit bei der AfD
Innerhalb der NRW-AfD hat man die Neugründung mit einigem Interesse verfolgt. Nicht aus Angst vor einem neuen Wettbewerber. Auf WDR-Anfrage schreibt AfD-Landeschef Martin Vincentz, er sehe mit Gelassenheit auf das "Bündnis Deutschland". Er verweist auf vorhergegangene Parteigründungen, die sich aus der AfD ergeben hätten. "Diese waren nahezu alle zum Scheitern verurteilt."
Was für Vincentz' Annahme spricht: Das Bündnis Deutschland konnte bisher keine prominenten Politiker oder Politikerinnen für sich gewinnen. Weder aus der AfD, noch aus der Union und auch nicht aus der FDP. So bestätigt zum Beispiel der ehemalige Fraktionschef der FDP-Landtagsfraktion, Gerhard Papke, dass er angesprochen worden sei. "Ich beteilige mich an keinerlei Gesprächen zur Gründung neuer Parteien", heißt jedoch seine Antwort auf die WDR-Frage, ob er sich ein Engagement im neuen Bündnis vorstellen könne.
Keine Politprominenz zum Start
Auch der ehemalige Landeschef und Landtagsabgeordnete der AfD, Helmut Seifen, wiegelt ab. Der inzwischen pensionierte Gymnasialdirektor bleibt in der AfD. Auch wenn er den aus seiner Sicht "gemäßigten Parteiflügel" unter Druck sehe. Trotzdem sei die AfD aus seiner Sicht die einzige Chance für eine bürgerliche Politik jenseits der bürgerlichen Parteien.
Allerdings - auch das hört man aus der NRW-AfD - will man nicht zu deutlich auf die neue Partei einschlagen. Wenn das Bündnis nämlich, entgegen der Erwartungen, erfolgreich sein sollte, bietet es für einige in der AfD auch eine Chance. Zumindest klingt das bei denen häufig durch, die sich in der AfD als "Gemäßigte" betrachten und sicher die Partei verlassen würden, wenn es für diesen Schritt eine brauchbare Option gibt. Bisherige Abspaltungen wie die Liberal-Konseravtiven Reformer (LKR) oder "die Blauen" scheiterten allesamt kläglich - trotz der jeweiligen Unterstützung zweier Ex-Parteichefs der AfD.
Wieviel Ärger bereitet Scheer der AfD?
Und noch etwas beschäftigt die AfD in Nordrhein-Westfalen: Wie wird Markus Scheer mit seiner alten Partei umgehen? Bis zuletzt konnte Scheer noch viele Parteimitglieder auf seine Seite ziehen, kaum einer in NRW weiß so gut über inneren Zusammenhänge in der NRW-AfD Bescheid wie Scheer. Auch weiß er über nahezu jedwede Abhängigkeit und Absprache im Landesverband.
Die Sorge darüber, dass Scheer über die neue Partei Informationen über seine alte Partei streut, ist in der NRW-AfD daher real. Nach Jahren des teilweise heftgen Streits herrscht in der AfD etwas mehr Ruhe als sonst. Störmanöver von außen - dazu wäre Scheer mit seinem neuen Bündnis durchaus in der Lage - will man unbedingt vermeiden. Vor allem auch, weil die AfD im Westen immer noch deutlich hinter den Ergebnissen der Bundespartei liegt.