Nach Islamisten-Demo: Debatte um Versammlungsrecht

Westpol 12.11.2023 Verfügbar bis 12.11.2028 WDR

Leutheusser-Schnarrenberger für Einschränkung der Versammlungsfreiheit

Stand: 12.11.2023, 08:00 Uhr

Nach der umstrittenen Kundgebung in Essen am 3. November sucht die Politik nach Lösungen, wie solche Aufmärsche in Zukunft verhindert beziehungsweise eingedämmt werden können. Die frühere Bundesjustizministerin plädiert im Westpol-Interview dafür, das sogenannte Deutschengrundrecht anzuwenden und Menschen aus Drittstaaten von Demonstrationen auszuschließen.

Von Daniela Becker und Bernd Neuhaus

Die Reaktion der Politiker in Bund und Land auf die antisemitischen Vorfälle in Deutschland seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel ist nahezu identisch: Mit der ganzen Härte des Rechtsstaates müsse man politisch motivierte Gewalt bekämpfen. Doch wie genau diese Härte aussehen kann, darüber wird gerungen. Auch in Nordrhein-Westfalen.

Demo-Einschränkung für Nicht-EU-Ausländer?

Die frühere Bundesjustizministerin und aktuelle NRW-Antisemitismusbeauftragte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger macht nun einen weitreichenden Vorstoß: "Wenn die Versammlung in NRW angemeldet wird, dann muss geprüft werden, wie die Staatsangehörigkeit ist, denn das ist eines der wenigen Grundrechte, das nur Deutschen zusteht," so Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) im Interview mit dem WDR-Magazin Westpol.  

Sie bezieht sich damit auf Artikel 8 des Grundgesetzes. Darin heißt es: "Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln."

Dass dieser Vorstoß umstritten und juristisch heikel ist, schreckt Leutheusser-Schnarrenberger nicht und erläutert weiter: "Die allermeisten Grundrechte gelten ja für alle in Deutschland lebenden Menschen, unabhängig von der Staatsangehörigkeit." Und genau das müsse "im Vorfeld geklärt werden, um dann auch ein Verbot auszusprechen."

 "Falsche Reaktion": Der grüne NRW-Justizminister weist Vorstoß zurück

Widerspruch kommt von NRW-Justizminister Benjamin Limbach von den Grünen. Er verweist auf das geltende Versammlungsgesetz in Nordrhein-Westfalen. Dies "gebe jeder Person das Recht zu friedlichen Versammlungen, unabhängig von der Staatsangehörigkeit". An dieser grundsätzlichen Entscheidung sei festzuhalten, sagt Limbach.

Generelle Versammlungsverbote für Nicht-EU-Ausländer hält er für "rechtlich unzulässig“, praktisch "nicht realisierbar" und "die falsche Reaktion".

Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages nennt es "Paradigmenwechsel"

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat sich schon im August 2018 mit der Frage Versammlungsrecht für Ausländer beschäftigt und kam damals zu dem Ergebnis: Würde die Versammlungsfreiheit auf Deutsche und ggf. EU-Ausländer beschränkt, "wäre dies als Paradigmenwechsel zu werten".

Angestoßen hatte die jetzige Debatte der FDP-Bundestagsabgeordnete Maximilian Mordhorst auf X (ehemals Twitter). Er forderte eine "stärkere Unterscheidung zwischen Deutschengrundrechten und Jedermannsrechten".

Was sind die unmittelbaren Lehren aus Essen?

Rund 3.000 Menschen waren am Freitag der vergangenen Woche (03.11.2023) durch Essen gezogen, zeigten Flaggen mit Schriftzügen, die an das Taliban-Regime in Afghanistan oder die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) erinnern. Einige Teilnehmer forderten auf Plakaten und Rufen ein Kalifat.

"Es ist schrecklich, absolut schrecklich", sagt Serap Güler, migrationspolitische Sprecherin der CDU im Bundestag und ehemalige NRW-Integrationsstaatssekretärin. Das widerspreche unserer Art zu leben. Güler fordert schärfere Gesetze – etwa, dass Antisemitismus als schwere Straftat ins Strafgesetzbuch aufgenommen wird. Und dann müsse man gucken, "wo es weitere Lücken im Versammlungsrecht gibt".

Reul: Versammlung ist kein rechtsfreier Raum

WDR 5 Westblick - aktuell 09.11.2023 04:40 Min. Verfügbar bis 08.11.2024 WDR 5


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Reul will Auflagen verschärfen

NRW-Innenminister Herbert Reul hält nichts davon, generelle Verbote von Demonstrationen auszusprechen. "Verbieten sei die schwächste Karte, die man habe", sagte der CDU-Politiker am Donnerstag im Innenausschuss. Stattdessen hält er es für machbar, bei Demos nur Deutsch als Versammlungssprache zu erlauben. Das wird derzeit geprüft.

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