NRW-Innenausschuss zu propalästinensischen Demos

WDR aktuell 09.11.2023 Verfügbar bis 09.11.2025 WDR Von Martina Koch

Essener Islamisten-Demo: Reul will Deutsch als Demo-Sprache

Stand: 09.11.2023, 16:06 Uhr

Nach Anti-Israel-Demonstrationen unter anderem in Essen gab es heftige Kritik. Doch die Polizei hat keine verbotenen Symbole festgestellt, die Versammlung verlief gewaltfrei. Der Innenausschuss beriet über Konsequenzen.

Von Tobias Zacher und Martin Teigeler

Die islamistische Demonstration vom 3.11. in Essen war am Donnerstag Thema im Innenausschuss des Landtags. Bei der Demo war auf Bannern die Errichtung eines Kalifats gefordert worden. Es werde geprüft, wie ähnliches künftig untersagt werden könne. Innenminister Herbert Reul (CDU): "Wir wollen das Recht vollständig ausschöpfen." Bei "Kalifats-Phantastereien" sei eine Grenze erreicht.

Künftig nur noch Deutsch auf Demos?

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU)

NRW-Innenminister Reul

Die Experten in seinem Ministerium seien zuversichtlich, so Reul, dass zusätzliche Auflagen für bestimmte Versammlungen rechtlich durchsetzbar seien. Geprüft wird zum Beispiel, ob Deutsch die verbindliche Sprache bei Demos sein muss - arabische Banner wären dann zukünftig tabu. In Essen waren schwarz-weiße Fahnen geschwenkt worden mit arabischen Zeichen. Sie beinhalteten laut Reul das islamische Glaubensbekenntnis.

Reul kündigte an, sich auch das Versammlungsrecht "nochmal anzuschauen". Er gab sich dabei aber eher skeptisch. Eine Hilfe könnten weitere Verbote von extremen Vereinen sein.

In Essen habe es islamistische und pro-palästinensische Inhalte gegeben, es seien aber keine Taliban-Fahnen geschwenkt worden, betonte Reul. Bisher seien bei der Prüfung keine verbotenen Symbole ermittelt worden. Aus seiner Sicht dürften Parolen und Symbole auch nicht isoliert betrachtet werden. Das von Juristen so genannte "Gesamtgepräge der Versammlung" wolle man stärker in den Fokus nehmen.

SPD fordert härteres Einschreiten

Christina Kampmann

SPD-Innenexpertin Christina Kampmann

Der Minister zeigte sich skeptisch, ob man es verbieten könne, dass Männer und Frauen getrennt bei einer Demonstration laufen. Die SPD-Innenexpertin Christina Kampmann forderte ein härteres Einschreiten, wenn der Zweck einer angemeldeten Kundgebung abgeändert werde.

Der Innenminister widersprach zudem einer Abgeordneten-Nachfrage, wonach sich Jüdinnen und Juden in diesem Land nicht mehr sicher fühlten. Man müsse die Sorgen ernst nehmen, so Reul, aber die Polizei tue alles für die Sicherheit.

Auch Düsseldorfer Demonstration Thema

Bei einer Demo am 4.11. in Düsseldorf wurden laut Reul Banner mit mutmaßlich volksverhetzenden Inhalten gezeigt. Unter anderem gab es hier ein Banner, das eine Dusche und eine Bombe sowie die Jahre 1933 und 2023 gegenüberstellt - verbunden mit der Frage "Wo ist der Unterschied?". Eine offensichtliche Gleichsetzung von Israels militärischem Vorgehen in Gaza mit dem Holocaust. Reul dazu: "Diese Banner wurden sichergestellt, die entsprechenden Personalien festgestellt und Ermittlungsverfahren eingeleitet."

Polizei: "Pro Palästina"-Motto "möglicherweise nur vorgeschoben"

Thomas Kufen (2022)

Thomas Kufen, Oberbürgermeister von Essen

Die Essener Demo hatte in den vergangenen Tagen heftige Kritik und teils Entsetzen ausgelöst. Rund 3.000 Menschen waren durch die Stadt gezogen und hatten "Pro Palästina" demonstriert - so das Thema der angemeldeten Versammlung.

Doch den Initiatoren sei es "offensichtlich weniger um das Leid der Menschen im Gaza-Streifen, sondern viel mehr um die Verbreitung radikalislamistischer Parolen" gegangen - sagte Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) im Nachgang.

Wüst: "Recht auf freie Meinungsäußerung für Hass missbraucht"

"Vergangenen Freitag hat unser Land erlebt, wie das Recht auf freie Meinungsäußerung für Hass missbraucht wurde", sagte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) vor diesem Hintergrund am Mittwoch. "Es ist völlig inakzeptabel, dass Islamisten auf den Straßen unseres Landes für ihre Ziele werben" ergänzte er. Seit dem Wochenende läuft die politische Debatte, wie ein solcher islamistischer Charakter auf Demonstrationen verhindert werden kann.

Polizei: keine verbotenen Symbole festgestellt, Demo friedlich

Pro-Palästina-Kundgebung in Essen

Demo "Pro Palästina" in Essen

Die Essener Polizei wertet derzeit umfangreiches Bild- und Tonmaterial aus, hatte jedoch bis Mittwochnachmittag keinerlei strafrechtlich relevanten - also verbotenen - Fahnen und Symbole darauf entdeckt. Die gezeigten Zeichen, die an IS und Taliban erinnern, sind nicht vollkommen identisch mit den verbotenen Logos der islamistischen Organisationen - und deshalb erlaubt. Nach Angaben von Reul aus dem Innenausschuss läuft weiter eine strafrechtliche Prüfung.

Die Essener Polizei ermittelt zudem gegen den Anmelder. Er soll zu Beginn die Auflagen in einer Art und Weise bekannt gegeben haben, die den Anfangsverdacht der Volksverhetzung begründet. Drei weitere Ermittlungsverfahren hat die Polizei nach einem Hinweis eines Journalisten und nach zwei Online-Anzeigen gestartet.

Hürden für Demo-Verbot im Vorhinein hoch

Die Hürden für ein Verbot im Vorhinein sind hoch, die Versammlungsfreiheit ist ein Grundrecht. Deshalb braucht man für ein Verbot bereits vor einer Demo "konkrete Anhaltspunkte dafür, dass von den Leuten, die sich dort versammeln, im großen Umfang Straftaten ausgehen", sagt der Verfassungsrechts-Professor Michael Wrase. Straftaten im großen Umfang sind den Demo-Teilnehmern von Essen - Stand jetzt - jedoch nicht einmal im Nachhinein nachzuweisen.

Serap Güler

Serap Güler (CDU)

Aus der CDU gibt es deshalb Forderungen nach einer Verfassungsänderung: "Nach diesen Ausrufen, nach diesen Plakaten müssen wir über eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit, also eines Grundrechtes, nachdenken", sagte das CDU-Bundesvorstandsmitglied Serap Güler dem "Tagesspiegel". Güler ist Muslima und war bis 2021 NRW-Staatssekretärin für Integration. NRW-Innenminister Reul hatte dagegen dem WDR noch am Montag gesagt: "Ich glaube, gesetzlich müssen wir nichts nachschärfen".

Zahlen zu Demos und Straftaten

Seit dem 7. Oktober haben laut Innenministerium in NRW bis zum 9. November 113 pro-israelische mit rund 15.000 Teilnehmern und 122 pro-palästinensische Versammlungen mit etwas über 50.000 Teilnehmern stattgefunden.

Seit dem Hamas-Terrorangriff wurden demnach insgesamt mehr als 400 Straftaten in diesem Zusammenhang in Nordrhein-Westfalen erfasst: darunter Volksverhetzung, Bedrohungen und Verbrennungen von Israel-Flaggen.

Der WDR-Hörfunk berichtet am 9. November 2023 u.a. im Westblick auf WDR 5.