Im schwarz-grünen Koalitionsvertrag hörte sich alles noch sehr ambitioniert an: Von einem "umfangreich finanzierten Landesprogramm zum Erhalt der Biologischen Vielfalt" ist da zu lesen. Auch ein "Runder Tisch zur Artenvielfalt" ist angekündigt, denn der Landesregierung sei klar: Die Biodiversitätskrise ist "die zweite große ökologische Krise unserer Zeit", die man entschlossen bekämpfen wolle.
Der Naturschutzhaushalt des Landes sollte verdoppelt werden, ein zweiter Nationalpark steht dort ebenso auf der Agenda wie eine zusätzliche Abgabe für Produzenten von Kies und Sand.
NABU zieht ernüchternde Bilanz
NABU NRW-Vorsitzende Naderer und Geschäftsführer Jonas Krause-Heiber
Umgesetzt worden sei davon bislang wenig bis gar nichts, kritisiert der NABU NRW, und zog am Mittwoch auf seiner Jahrespressekonferenz eine ernüchternde Bilanz: Vom verstärkten Artenschutz sei keine Rede mehr, sagte die Vorsitzende Heide Naderer. Das angekündigte Landesprogramm Biologische Vielfalt sei im Haushalt 2025 auf null gesetzt.
Beim Ausbau der erneuerbaren Energien und den dazu notwendigen Genehmigungen spiele der Artenschutz keine Rolle mehr. Die versprochene Einführung einer Rohstoffabgabe auf Kies und Sand zur Eindämmung des Verbrauchs von Ressourcen sei "irgendwie in der Schublade verschwunden". Und: Die im Koalitionsvertrag angekündigte Ausweisung eines zweiten Nationalparks stehe quasi vor dem Aus.
Land ignoriere Hinweise der Verbände
Beim "hochdynamischen und ja auch notwendigen" Ausbau der erneuerbaren Energien, so Naderer, werde das Thema Artenschutz in NRW mittlerweile "massiv geschliffen". Hinweise der Naturschutzverbände ignoriere die Landesregierung.
Fazit des Umweltverbands: Beim Thema Artenschutz habe die schwarz-grüne Koalition bislang versagt, so die Vorsitzende - dabei handele es sich "nicht um ein 'Hobby' des NABU", sondern um existenzielle Lebensgrundlagen für den Menschen: Verschwinden Insekten und andere Tierarten, wie es derzeit mit hohem Tempo passiert, geraten Ökosysteme aus dem Gleichgewicht, die auch für den Menschen überlebenswichtig sind.
Die anfängliche Hoffnung, dass mit den Grünen in der NRW-Landesregierung der Arten- und Umweltschutz eine größere Rolle einnehmen würde, hat sich für den NABU in NRW weitgehend in Luft aufgelöst. Würde der Verband die Landesregierung für ihr Engagement im Umweltschuzt benoten, reichte es kaum zu einem "mangelhaft", so Naderer.
"Grüner Anstrich" fehlt beim Umweltschutz
Grünen-Umweltminister Oliver Krischer
Nicht nur bei den grün geführten Ministerien für Umwelt (Oliver Krischer ) und Wirtschaft (Mona Neubaur) habe sie "den grünen Anstrich noch nicht feststellen können". Mitverantwortlich für das drohenden Scheitern des zweiten Nationalparks sei ebenso die CDU-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen.
Auf WDR-Nachfrage wies das Umweltministerium alle Vorwürfe rundheraus von sich: Seit der Regierungsübernahme werde "massiv in den Arten- und Naturschutz investiert", schrieb ein Sprecher. "Wir investieren heute über verschiedene Töpfe so viel in den Natur- und Artenschutz wie noch nie."
Als Beispiel nannte der Sprecher ausschließlich das Moorschutz-Konzept, das im November starten soll. Ziel sei dabei, "gefährdete Arten und Lebensräume zu schützen". Ausgerechnet der Moorschutz aber sei in NRW nicht vordringlich, da es wenige Moorgebiete gebe, hatte NABU-Chefin Naderer auf der Pressekonferenz gesagt. "Konstruktive Vorschläge von uns werden dagegen nicht aufgenommen."
Doch das Ministerium lobt sich selber weiter - ohne Details zu nennen: Durch "neue Maßnahmen" gelinge es außerdem, den Ausbau der Erneuerbaren Energien und des Artenschutzes in Einklang zu bringen. "Keine Tierart ist in seiner Existenz bedroht oder gefährdet."
Nationalpark Eifel
Beim Thema Nationalpark habe sich die Koalition nunmal darauf verständigt, die Menschen in den Entscheidungsprozes mit einzubinden - anders, als in anderen Bundesländern. Man respektiere entsprechend, dass sich die Mehrheit in Bürgerentscheiden gegen einen zweiten Nationalpark entschieden habe.
Dabei hatte sich im Juli sogar noch ein Bürgerbegehren für einen Nationalpark im Reichswald/Kreis Kleve gebildet. Hier stellt sich vor allem die Landwirtschaft gegen das Projekt. Auch für einen Nationalpark Arnsberger Wald gab es im April ein Bürgerbegehren. Dagegen waren dort aber auch Land- und Forstwirtschaft, Industrie, Jäger sowie die FDP und die CDU-Mehrheitsfraktion im Kreistag.
Umweltminister Krischer beerdigt Nationalparkbehörde
Ausgerechnet am Mittwoch wurde auch bekannt, dass der grüne Umweltminister Oliver Krischer das Projekt Nationalpark offenbar mindestens auf Sparflamme herunterschraubt: Die Idee einer eigenen Nationalparkbehörde würden "nicht weiter verfolgt", teilte das Umweltministerium in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der SPD im Landtag mit.
Und nicht nur das: Für den bestehenden Nationalpark Eifel soll das Nationalparkforstamt Eifel ins Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) überführt werden.
Die SPD in NRW hatte den Plan einer Nationalparkbehörde bislang als "Steuerverschwendung" kritisiert. "Minister Krischer scheint zu ahnen, dass ein zweiter Nationalpark aufgrund seiner Tatenlosigkeit leider immer unwahrscheinlicher wird", sagte der SPD-Umweltpolitiker René Schneider am Mittwoch. Er begrüßte, dass Krischer seine Pläne für eine Nationalparkbehörde "kassiert" habe. Dem müsse nun "eine umfassende Aufarbeitung des Nationalpark-Debakels folgen".