Schweine stehen in ihrem Stall in einem Mastbetrieb

Schweinehaltung: CDU-Kritik an Özdemir sorgt für Ärger bei Schwarz-Grün

Stand: 02.03.2023, 16:11 Uhr

Ziemlich deutlich hat NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) die Politik von Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) kritisiert. Sie bemängelte auch die (Nicht-)Kommunikation ihres Kollegen im Bund.

Von Martin TeiglerMartin Teigeler

Schweine sorgen für Streit zwischen Nordrhein-Westfalen und dem Bund. Sie sei "alarmiert", sagte NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen am Donnerstag in Düsseldorf. Sie warnte Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) vor einer "Politik des Abbaus" auf Kosten heimischer Schweinebauern. Özdemirs Reformvorhaben für die Schweinehaltung könnten dazu führen, dass die landwirtschaftliche Tierhaltung hierzulande abgewürgt werde. Die Folge wären mehr Fleischlieferungen aus dem Ausland. Kritik an Gorißens Auftritt kam vom Koalitionspartner.

Auslöser des Konflikts: Özdemir will bundesweit neue Kennzeichen für die Tierhaltung durchsetzen. Im ersten Schritt sollen die neuen Vorgaben noch in diesem Jahr mit frischem Schweinefleisch im Handel starten. Vorgesehen ist ein System mit fünf Haltungskategorien während der Mast - vom gesetzlichen Mindeststandard im Stall bis zu Bio. Der Gesetzentwurf wird derzeit im Bundestag beraten. Auch die Länder positionieren sich dazu.

Zudem wirft Gorißen Özdemir vor, für die notwendige "tierwohlgerechte Transformation" der Landwirtschaft finanziell nur den "Tropfen auf den heißen Stein" bereitzustellen. In 2023 stünden nur 150 Millionen Euro zur Verfügung. Allein für den Schweinesektor seien jährlich laut Experteneinschätzungen 2,4 Milliarden Euro pro Jahr nötig. Förderprogramme müssten grundsätzlich allen Betrieben offen stehen.

Das Elend mit der Landwirtschaft

WDR RheinBlick 03.03.2023 28:56 Min. Verfügbar bis 01.03.2029 WDR Online


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Özdemirs Handynummer gesucht

Silke Gorißen, Landwirtschaftsministerin NRW, zum Waldzustandsbericht 2022 am 01.12.2022

Silke Gorißen (CDU)

Gorißen bemängelte, dass die neue Kennzeichnung lediglich für frisches Schweinefleisch im Supermarkt oder beim Metzger gelte - Restaurants oder Kantinen aber ausgenommen würden. Özdemirs Pläne seien lückenhaft, weshalb NRW gemeinsam mit anderen Bundesländern Änderungen vorschlagen werde. Die Schweinebauern verweigerten sich nicht Reformen für mehr Tierwohl und Nachhaltigkeit, sagte Gorißen, aber sie bräuchten "Planungssicherheit".

Offenbar gibt es kaum Kommunikation zwischen dem Bundesminister und der Landwirtschaftsministerin im bevölkerungsreichsten Bundesland. Gorißen sagte vor Journalisten, Özdemir habe ihre Handynummer. Seine Nummer habe sie aber nicht: "Ich hatte auch immer gehofft, dass ich mal von ihm die Mobilnummer bekomme, damit wir auch uns auf einem einfachen Weg verständigen können". Zuletzt sei man sich im Januar kurz auf der Landwirtschaftsmesse "Grüne Woche" in Berlin begegnet.

Der Ministerin, die in NRW mit den Grünen am Kabinettstisch sitzt, passt bei ihrem Amtskollegen im Bund offensichtlich die ganze Linie nicht: Mehr oder weniger deutlich warf sie ihm eine ideologische Politik auf Kosten der Schweinebauern vor. So langsam fange "die Hütte an zu brennen", sagte sie. Gorißen warnte auch vor einem "Strukturbruch" und vor "Kahlschlag". Stellenweise klang die scharf formulierende Ministerin wie eine Lobbyistin der Landwirte.

Forderung nach Hilfen für Bauern

Die NRW-Ministerin sprach sich erneut dafür aus, die Vorschläge der Kommission unter Leitung des früheren Bundesagrarministers Jochen Borchert (CDU) umzusetzen, um konventionellen und ökologischen Landwirtschaftsbetrieben zu helfen.

Die Experten hatten bereits 2020 ein Konzept für einen schrittweisen Umbau der Tierhaltung zu deutlich höheren Standards vorgelegt. Es sieht eine gesicherte Finanzierung für Landwirte vor, die nicht auf Milliardenkosten etwa für neue Ställe sitzen bleiben sollen. Özdemir setze davon nur "kleine Bruchteile" um, kritisierte Gorißen.

Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) spricht bei der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag.

Cem Özdemir (Grüne)

Gorißen räumte auf Nachfrage ein, man hätte bei Veränderungen in der Schweinelandwirtschaft schon früher "mit mehr Energie rangemusst". Das Bundeslandwirtschaftsministerium war von 2005 bis 2021 fest in der Hand von CDU und CSU. Die Zahl der Schweinebauern geht seit vielen Jahren zurück - die Betriebe mussten mit zahlreichen Krisen fertig werden. In Nordrhein-Westfalen ist die Zahl der Betriebe mit Sauenhaltung laut Ministerium in den letzten zehn Jahren um 52 Prozent gesunken. Ein Grund dafür ist auch der zurückgehende Konsum von Schweinefleisch.

Kritik vom Koalitionspartner

Der Grünen-Agrarexperte im Landtag, Norwich Rüße, kritisierte den Auftritt Gorißens. "Was die Ministerin vorgetragen hat, ist keine geeinte Position der Koalition. Wir Grüne sind nicht der Meinung wie Frau Gorißen, dass alle Schweinebetriebe gleichermaßen gefördert werden sollen", sagte Rüße dem WDR.

"Statt wohlfeiler Kritik an Bundesminister Cem Özdemir sollte sich Frau Gorißen bemühen, den Koalitionsvertrag in NRW abzuarbeiten. Ihre Kritik an den von Cem Özdemir angestoßenen Reformen finde ich nicht nachvollziehbar", sagte der Grünen-Politiker weiter. 16 Jahre lang hätten Bundeslandwirtschaftsministerinnen und -minister der Union dringend notwendige Änderungen "auf die lange Bank" geschoben. "Jetzt geschieht endlich was, auch als Konsequenz aus dem massiv sinkenden Schweinefleischkonsum in der Bevölkerung. Die Ministerin sollte Cem Özdemir unterstützen, damit Bundesfinanzminister Lindner ausreichend Haushaltsmittel für die Transformation der Landwirtschaft bereitstellt." Rüße hatte bei Bildung der schwarz-grünen Koalition im letzten Jahr kritisiert, dass die CDU das Agrarressort übernahm.

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