Mit der CDU immer Wachstum?
Stand: 13.05.2022, 13:14 Uhr
Mit der CDU in der Landesregierung ging es wirtschaftlich in Nordrhein-Westfalen bergauf, behauptet Hendrik Wüst (CDU) im TV-Duell. Dies lasse sich mit Wirtschaftsdaten belegen. Ist der Zusammenhang wirklich so eindeutig?
Von Anna Kirberich, Lucas Tenberg und Tom Klees
In der Diskussion rund um die wirtschaftliche Entwicklung NRWs sagte Hendrik Wüst (CDU): "Wir waren ganz hinten. Wir waren Schlusslicht beim Wachstum 2017. Jetzt sind wir auf dem achten Platz in Deutschland. Gerade heute geistert durch das Internet eine wunderbare Kurve, wo man sieht: Immer wenn die CDU regiert, geht es mit der Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen und den sicheren Arbeitsplätzen in Nordrhein-Westfalen aufwärts."
Bewertung: Die Behauptung, dass das Wachstum 2017 unter der rot-grünen Regierung im Vergleich der Bundesländer am niedrigsten war, ist aus heutiger Sicht nicht richtig. Denn die Zahlen zum BIP werden teils später noch angepasst, da man bei manchen wirtschaftlichen Entwicklungen erst Jahre später die Auswirkungen sieht. So auch geschehen mit dem BIP von Rot-Grün von 2017. Das ist inzwischen besser als vor einigen Jahren angenommen und NRW liegt im Vergleich mit den anderen Bundesländern im Mittelfeld.
Die von Hendrik Wüst in der Wahlarena angepriesenen 400.000 neuen Arbeitsplätze gibt es. Aber: Auch unter Rot-Grün gab es eine ähnliche Zahl. Und zur Wahrheit gehört auch, dass laut Zahlen des statistischen Landesamtes NRW gut 28 Prozent aller Beschäftigten in NRW Teilzeitjobs haben – ungefähr zwei Millionen Menschen und damit etwa eine Million mehr als 2008.
Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Wirtschaftsentwicklung und dem Wirken einer Regierung, wie von Hendrik Wüst behauptet, unterliegt immer Einschränkungen, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) auf Anfrage mitteilt: "Solche Aussagen werden immer wieder auch bei nationalen Wahlen (USA, Deutschland usw.) gemacht. Die Beobachtung ist grundsätzlich soweit korrekt, aber ökonomisch muss man aufpassen, hier allzu generell Schlüsse zu ziehen. Gerade NRW hat einen recht dramatischen Strukturwandel durchgemacht. Zentral ist vor allem, zwischen kurzfristig und langfristig zu unterscheiden. Was kurzfristig das Wachstum antreibt, muss nicht zwangsläufig auch langfristig die Wirtschaft stimulieren. Manchmal können ja auch Entscheide, die noch die Vorgängerregierung getroffen hat, das Wachstum innerhalb der Regierungsperiode der nächsten Regierung beeinflussen."
Auch das RWI zweifelt an kausalen Zusammenhängen
Auch das Leibniz Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) teilte dem WDR auf Anfrage mit, dass sich bei solchen Aussagen, die Frage nach Korrelation versus Kausalität stellt. "Ein kausaler Zusammenhang würde bedeuten, dass die Ursache für eine gute oder weniger gute wirtschaftliche Entwicklung in der jeweils regierenden Partei zu suchen ist. Ein solcher kausaler Zusammenhang kann für ein einzelnes Bundesland mit seriösen statistischen Methoden weder bestätigt noch widerlegt werden", so das RWI. Es würden aber einige Gründe gegen einen kausalen Zusammenhang sprechen. Ob ein Bundesland kurzfristig eine höhere oder geringere Wirtschaftsleistung im Vergleich zum Bundesdurchschnitt aufweist, hänge laut RWI etwa ganz wesentlich von der Branchenstruktur des jeweiligen Bundeslandes ab. Dazu komme: Viele politische Maßnahmen – gerade auch wichtige Investitionen in Bildung oder Infrastruktur – zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich erst mit einem erheblichen Zeitverzug auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken.
Außerdem könne aus der Korrelation zweier gleichzeitig auftretenden Phänomene der tatsächliche Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung nicht zwangsläufig bestimmt werden: "So wäre es durchaus denkbar, dass die wirtschaftliche Entwicklung eines Bundeslandes die Wahlentscheidung der Einwohnerinnen und Einwohner des Landes beeinflusst. Eine im Bundesvergleich schlechte wirtschaftliche Entwicklung könnte dazu führen, dass eine bestimmte Partei bevorzugt wird. Dies könnte einen statistischen Zusammenhang zwischen Regierungspartei und wirtschaftlicher Entwicklung erklären, wäre aber kein Beleg für eine gute oder schlechte Wirtschaftspolitik einer Partei", so das RWI.
Fazit: Dass NRW 2017 unter der rot-grünen Regierung im Vergleich der Bundesländer den letzten Platz belegt, stimmt mit Blick auf aktuelle Statistiken nicht. Der von Hendrik Wüst beschriebene Zusammenhang zwischen Regierungswirken und Wirtschaftsentwicklung unterliegt großen Einschränkungen.