Klassenzimmer mit leerem Lehrerpult

Weniger Teilzeit für Lehrkräfte - Experten warnen vor Fellers Plänen

Stand: 07.03.2023, 16:56 Uhr

Im Maßnahmen-Katalog von NRW-Schulministerin Feller gegen den Lehrkräftemangel steht auch weniger Teilzeit. In einer Anhörung im Landtag warnten Expertinnen und Experten: Das kann nach hinten losgehen.

Von Sabine Tenta

Sachverständige haben sich am Dienstag im NRW-Landtag in einer Anhörung des Schul- und Bildungsausschusses zum Thema Lehrkräftemangel geäußert. Konkret haben sie sich auf zwei Anträge der FDP sowie auf das Mitte Dezember vorgestellte "Handlungskonzept Unterrichtsversorgung" von Schulministerin Dorothee Feller (CDU) bezogen.

Ein großes Problem wird noch größer

Die Grundproblematik wurde von niemandem bestritten. Der Lehrkräftemangel in NRW ist seit Jahren groß - aktuell sind rund 8.000 Stellen unbesetzt - und wird in Zukunft noch viel größer. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler wird in den nächsten Jahren steigen und bei den Lehrkräften werden die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen.

Umstrittene "dienstrechtliche Maßnahmen" geplant

Das Handlungskonzept von Schulministerin Feller enthält ein Bündel von Vorschlägen. Am stärksten kritisiert wurden von den Sachverständigen die "dienstrechtlichen Maßnahmen". Sie sehen vor, dass der Zugang zur Teilzeit und in den Vorruhestand erschwert werden. Zudem sollen Lehrkräfte, die beispielsweise aus einer Elternzeit, zurückkehren, künftig in einem Umkreis von 50 Kilometern (statt 35 Kilometern) eingesetzt werden können.

Warnung vor mehr Abgängen ohne Teilzeit

Laura Körner von der "Landesschüler*innenvertretung NRW" brachte es auf den Punkt: "Damit kriegen wir nicht neue Leute ins System." Ayla Çelik, Vorsitzende der GEW NRW, warnte: Lehrkräfte, "die auf dem Zahnfleisch gehen", bräuchten keine Drohkulisse, "es werden dadurch Abgänge provoziert". Wenn junge Eltern künftig weiter zum Arbeitsplatz fahren müssten, würde wahrscheinlich die Elternzeit verlängert, schätzt Çelik. Zudem würde die Vereinbarkeit von Elternschaft und Lehrberuf erschwert.

Sven Christoffer vom Verband Lehrer NRW befürchtet, dass langfristige Erkrankungen drohen, wenn die Teilzeit abgelehnt wird. Meist sei die "höchst unattraktive Teilzeit" eine Möglichkeit für überlastete Lehrkräfte, überhaupt weiterzuarbeiten. Die sogenannte "voraussetzungslose Teilzeit", die eingeschränkt werden soll, betreffe ältere Kollegen, die keine Kinder unter 18 Jahren haben.

VBE NRW: "Wir müssen den Druck aus dem System nehmen."

Anne Deimel von der Gewerkschaft VBE NRW stellte fest: "Es gibt eine große Mangelsituation allerorten." Darum könne es keine Lösung sein, an der einen Schule Lehrkräfte zu entnehmen, um an anderer Stelle Lücken zu füllen. "Die Gefahr, dass Mangel hin- und hergeschoben wird, ist sehr groß."

Deimel forderte auch: "Wir müssen den Druck aus dem System nehmen." Ein Punkt, bei dem weitgehender Konsens in der Fachrunde bestand. Konkret gab es dazu verschiedene Vorschläge, wie die Entlastung durch Verwaltungsassistenzen, Inklusions- und Alltagshelfenden oder Sozialpädagoginnen und -pädagogen. Auch mehr Sekretariatsstunden wurden gefordert.

Weitere Vorschläge, um Stress zu reduzieren

Aber auch die Entschlackung der Lehrpläne, die Reduzierung der Pflichtstunden oder andere Formen der Leistungs-Prüfungen wurden angeregt. So schlug Sven Christoffer von Lehrer NRW beispielsweise mehr mündliche Prüfungen vor - auch um die Menge der zu korrigierenden Klausuren zu reduzieren.

Und er ist sich sicher: "Chat GPT wird uns dazu zwingen, darüber nachzudenken" - also das neue Sprtachmodul, das auf künstlicher Intelligenz beruht. Weiterhin überprüfenswert ist seiner Meinung nach, die Dauer der Klausuren in der Sekundarstufe II zu reduzieren: "Sechs Stunden Klausur in einem Leistungskurs - muss das sein? Reichen nicht vier?"

Fast alle Maßnahmen, die von der Politik angedacht werden, um den Lehrkräftemangel zu bekämpfen, wurden im Kern von den Sachverständigen begrüßt. Dazu gehörten auch das Gewinnen von Seiteneinsteigenden und ausländischen Fachkräften und deutlich mehr Studienplätze. Aber immer wieder wurde auch gewarnt: Das wird nicht reichen.

Was hilft gegen Lehrermangel und Co.?

WDR RheinBlick 31.01.2023 51:20 Min. Verfügbar bis 29.01.2029 WDR Online


Download

Weitere Themen