Kriminalstatistik: Mehr Gewalt von Kindern und Jugendlichen

Aktuelle Stunde 03.04.2024 02:44 Min. Verfügbar bis 03.04.2026 WDR Von Beate Becker

NRW-Kriminalstatistik 2023: Mehr Straftaten und mehr junge Tatverdächtige

Stand: 04.04.2024, 15:48 Uhr

Mehr Gewaltdelikte, mehr minderjährige Tatverdächtige, deutlich mehr Ladendiebstähle - die Kriminalität in NRW ist 2023 angestiegen. Mehr als jede zweite Straftat sei aufgeklärt worden, sagte Innenminister Reul (CDU).

Von Martin TeiglerMartin Teigeler und akt. Felix Wessel

In Nordrhein-Westfalen wurden 2023 rund 1,4 Millionen Straftaten gezählt. Das war ein Anstieg um 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr, wie Innenminister Herbert Reul (CDU) am Mittwoch mitteilte. 2023 gab es sieben Prozent mehr Gewaltdelikte. 54,2 Prozent aller Straftaten seien aufgeklärt worden - laut Reul die beste Aufklärungsquote seit 1962.

Gewalt macht Reul Sorgen

Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul (CDU), in der Landespressekonferenz NRW

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU)

In anderen Bundesländern sei die Zahl der Straftaten teils stärker angestiegen, sagte Innenminister Reul. Die NRW-Polizei liefere gute Arbeit ab. Den Anstieg bei den Ladendiebstählen (plus 24,9 Prozent) nannte der Minister "irre viel".

Besorgt zeigte sich Reul auch über den weiteren Anstieg von Gewalt: "Gewalt darf Anstand und Respekt voreinander nicht verdrängen." Die Zunahme bei Eigentumsdelikten führte der Minister auf die Rückkehr von Banden nach dem Ende der Corona-Pandemie zurück.

Anstieg bei vielen Delikten

Einen Anstieg verzeichnete die Polizei zudem bei Morddelikten (35 Prozent mehr Fälle), Wohnungseinbrüchen (plus 15 Prozent), Raub (plus 12 Prozent), Rauschgiftkriminalität (plus 4,8 Prozent), Körperverletzungen (plus 4,4 Prozent), Sexualdelikten (plus 3 Prozent) und Fällen häuslicher Gewalt (plus 2,8 Prozent).

Bereits vor zwei Wochen hatte Reul einige Zahlen zur Kriminalität vorgelegt. Der Innenminister betonte dabei, von den insgesamt knapp 485.000 Tatverdächtigen hätten 169.000 keinen deutschen Pass, das entspreche einem Anteil von knapp 35 Prozent.

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Opposition: "besorgniserregender Anstieg"

Die SPD im Landtag kritisierte, unter Reul als Innenminister sei der Zustand der inneren Sicherheit sehr viel schlechter geworden. Der CDU-Politiker führt das Innenressort seit 2017.

Insbesondere der Anstieg der Kinder- und Jugendkriminalität sei "besonders ernst zu nehmen", findet Elisabeth Müller-Witt. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im NRW-Landtag sprach sich im WDR-Interview für mehr Prävention aus - und beklagte, dass es unter anderem zu wenige Schulsozialarbeiter gebe.

NRW sei konfrontiert mit einem "besorgniserregendem Anstieg der Kriminalität", teilte die FDP mit und forderte unter anderem eine bessere Prävention gegen Straftaten im Internet. Die Deutsche Polizeigewerkschaft forderte, es müsse mehr darüber bekannt werden, "wer und welche Gruppen Straftaten vermehrt begehen, um reagieren zu können".

"Nichtdeutsche deutlich überrepräsentiert"

Einen Aspekt hielt der Innenminister heute bewusst kleiner: Die Zahlen zu nichtdeutschen Tatverdächtigen, welche innerhalb eines Jahres um 10% gestiegen sind. Dies hatte Reul bereits gesondert vor zwei Wochen öffentlich bekanntgegeben.

Nichtdeutsche sind deutlich überrepräsentiert. Und das bei fast allen Delikten. Heißt unweigerlich: Wir müssen über Ausländerkriminalität sprechen. Ich benenne lieber Dinge, wie sie sind, als dass ich sie aussitze. Das füttert die Falschen. Herbert Reul (CDU)
NRW Innenminister

Von den 485.000 Tatverdächtigen haben laut Statistik 169.000 keinen deutschen Pass, das entspreche einem Anteil von knapp 35 Prozent. Gemessen am Bevölkerungsanteil sei das überproportional.

Mehr tatverdächtige Kinder und Jugendliche

Die Kinder- und Jugendkriminalität nahm laut der am Mittwoch vorgestellten Statistik um 10,8 Prozent auf 95.300 Fälle zu. In 22.496 Fällen wurden tatverdächtige Kinder ermittelt (ein Plus von 7,4 Prozent). Rund 48.000 tatverdächtige Jugendliche tauchen in der Statistik auf - eine Zunahme von 6,1 Prozent. Bei Gewaltdelikten wurden knapp 3.300 tatverdächtige Kinder erfasst (plus 15,3 Prozent), bei tatverdächtigen Jugendlichen waren es rund 8.200 (ein Anstieg um 9,2 Prozent).

Die SPD-Innenexpertin Christina Kampmann sprach von erschreckenden Zahlen: "Wir haben so viele Kinder mit psychischen Problemen wie noch nie. Was es daher braucht, ist vielmehr eine übergreifende Strategie der Landesregierung." Reul habe bisher keine Antwort darauf, wie er auf den Anstieg reagieren wolle.

Warum die Polizeistatistik nicht das ganze Bild liefert

Das Zahlenwerk listet die bekanntgewordenen Straftaten auf. Wie groß das Dunkelfeld ist, bleibt offen. Hinzu kommt, dass die Zahlen der tatsächlich rechtskräftig verurteilten Straftäter teils ein anderes Bild ergeben als die polizeiliche Kriminalstatistik. Zum Beispiel hatte das Statistische Landesamt im März mitgeteilt, dass die Zahl der Verurteilungen von jugendlichen und heranwachsenden Straftätern in NRW im Zehnjahresvergleich um 55 Prozent zurückgegangen ist.

Als jugendlich gelten Täter im Alter von 14 bis unter 18 Jahren. Kinder unter 14 Jahren sind noch nicht strafmündig. Der Begriff Heranwachsende bezeichnet Personen von 18 bis unter 21, die sowohl nach Jugendstrafrecht als auch nach allgemeinem Strafrecht verurteilt werden können.