Darum verzögert sich die Deichsanierung in NRW

Stand: 11.01.2024, 06:00 Uhr

Seit zehn Jahren gibt es einen "Fahrplan" zur Deichsanierung in NRW. Viele Maßnahmen sind aber immer noch nicht umgesetzt. Dabei sieht Umweltminister Krischer bei der Hälfte der Deichkilometer in NRW Handlungsbedarf.

Von Rainer StriewskiRainer Striewski

Lange war Hochwasserschutz nur ein Randthema in der Öffentlichkeit. Das änderte sich schlagartig bei der Hochwasserkatastrophe 2021 in NRW und im Ahrtal. Auch beim Starkregen an der Emscher im Juni 2023 und zuletzt beim Hochwasser vor Weihnachten 2023 wurde deutlich, wie wichtig und zugleich anfällig Deiche sein können.

Auf einer Länge von 530 Kilometern schützen Deiche und Schutzmauern an den größeren Flüssen in NRW umliegende Gebiete vor Überflutungen - oder besser: sie sollten schützen. Denn schon Mitte letzten Jahres betonte NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne), dass "Handlungsbedarf besteht" - und das auf der Hälfte aller Deichkilometer.

In einem Ende November veröffentlichten Bericht zur Deichsanierung an den Landtag nennt Krischer die Sanierung von Deichen in NRW denn auch "eine Daueraufgabe". Dabei ist das Problem schon lange bekannt: Als Grundlage für die Umsetzung der Sanierungen wurde bereits 2014 ein "Fahrplan Deichsanierung" aufgelegt. In diesem sind aktuell 44 Maßnahmen enthalten.

Die Pläne für 16 dieser Maßnahmen sind nach Angaben des Umweltministeriums bereits genehmigt, vier davon werden derzeit umgesetzt: Deichsanierung "Am Reckberg", Deichsanierung "Rheinberg-Wallach", Kläranlage "Lüttigen bis Wardt" und der 2. Planungsabschnitt "Dornick-Emmerich".

Verzögerungen durch zu wenig Personal

Bei insgesamt 20 Maßnahmen, die sich seit 2014 im "Fahrplan Deichsanierung" auf Umsetzung warten, zieht sich die Planungsphase weiter in die Länge. Als Gründe für die Verzögerung führt das Umweltministerium unter anderem die Personalknappheit bei der Bezirksregierung Düsseldorf als auch bei den planenden Ingenieuersbüros an. Zudem komme es regelmäßig zu Verzögerungen, weil Aufträge europaweit ausgeschrieben werden müssten, so das Umweltministerium.

Aber auch Klagen von Anwohnern oder die "Belange des Natur- und Artenschutzes" würden bei einzelnen Projekten zu Verzögerungen führen - ebenso wie die Beachtung von Vorgaben des Denkmalschutzes. Zudem bestünde eine "grundsätzliche Schwierigkeit" bei der Beschaffung der für die Deichsanierung notwendigen Grundstücke, so das Umweltministerium. Obendrein müssten Deichabschnitte, die vor 1945 errichtet wurden, aufwendig auf alte Kampfmittel untersucht werden.

Scharrenbach will Hochwasserschutz priorisieren

"Planungsprozesse dauern immer ewig. Und man braucht inzwischen eine Fülle von Gutachten", weiß auch NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU). "Aber hier ist es ja klar Daseinsvorsorge und ein Schutzauftrag - für Menschen, aber auch Tiere und die Umwelt an sich. Und den muss man entsprechend priorisieren", so Scharrenbach am Mittwoch gegenüber dem WDR. Sie schlägt deshalb vor, den Hochwasserschutz ähnlich zu priorisieren, wie es beim Ausbau der erneuerbaren Energien getan wurde. "Das brauchen wir auch für Hochwasserschutz", so ihre Forderung in Richtung Berlin. Denn die Bundesregierung müsse diesen "überragenden Belang" erklären.

Deichverbände für Hochwasserschutz zuständig

Für den Hochwasserschutz vor Ort sind jeweils Wasser- oder Deichverbände zuständig. Sie werden häufig zwar ehrenamtlich geführt, sind aber öffentlich-rechtliche Körperschaften. Ihre Organisation ist über das Wasserverbandsgesetz (WVG) klar geregelt. So gibt es neben der Mitgliederversammlung etwa noch einen Verbandsausschuss (oder auch "Erbentag" genannt), einen Verbandsvorstand ("Deichstuhl") sowie einen Vorsteher bzw. Repräsentanten des Verbandes ("Deichgräf" oder "Deichgraf").

Viele Gebiete werden derzeit überprüft

Neben der Organisation ist auch die Mitgliedschaft klar geregelt: Mitglieder eines Deichverbandes sind automatisch alle Eigentümer von Grundstücken, die im Verbandsgebiet liegen. Daneben können einem Deichverband auch ganze Kommunen oder Wasserverbände angehören. Um zu bestimmen, welches Gebiet der Deichverband umfasst, wird die Bemessungshöhe für den Deich - das sogenannte "Bemessungshochwasser" - auf das dahinter liegende Gelände projiziert und überprüft, welches Gebiet geschützt wird.

Nach Angaben der Bezirksregierung Düsseldorf arbeiten derzeit eine Vielzahl von Verbänden an einer Überprüfung ihrer Gebiete. Denn klar ist: Wessen Grundstück eher am Rand und höher liegt, muss nicht geschützt werden - und in der Regel deshalb auch nichts an den Deichverband zahlen.

Wer vom Deich profitiert, finanziert ihn mit

Deichverbände finanzieren sich größtenteils aus Mitgliedsbeiträgen. Für Sanierungen oder den Bau von Deichanlagen erhält der Verband in der Regel staatliche Fördermittel. "Die Aufwendungen für Unterhaltung, Sanierung und Wiederherstellung von Deichen sind nach dem Maß ihres Vorteils von denjenigen zu tragen, deren Grundstücke durch den Deich geschützt werden", heißt es im Landeswassergesetz NRW. Sofern Kommunen unterhaltspflichtig sind, können sie die Kosten als Gebühren umlegen.

Die Deichverbände müssen die Kosten für Sanierung und Errichtung von Deichen aber nicht alleine tragen. Das Land NRW beteiligt sich mit 40 bis 80 Prozent an den Kosten. Nach Angaben des Umweltministeriums betrugen die Fördermittel zur Unterstützung der Hochwasserschutzpflichtigen im Jahr 2013 rund 30 Millionen Euro, im Jahr 2023 (und 2024) bereits über 80 Millionen Euro. Eine unerwartete Geldflut ist aber wohl nicht zu befürchten.