Windrad

Grüner Strom ist da - aber wie soll er gespeichert werden?

Stand: 31.01.2024, 17:42 Uhr

Wind, Sonne, Wasser - der Ausbau der erneuerbaren Energien schreitet voran. Doch wie speichert man diesen Strom? Das Recht hinke noch hinterher, sagten Experten bei einer Anhörung im Landtag.

Von Nina Magoley

Bis 2030 sollen mindestens 80 Prozent des Stromverbrauchs in Deutschland aus erneuerbaren Energien stammen - das ist das erklärte Ziel der Bundesregierung. Im vergangenen Jahr lag dieser Anteil laut Bundesnetzagentur bei 52 Prozent. Windkraft war dabei die stärkste Quelle, aber auch Sonne und Wasser lieferten Strom.

Energie-Speicher dringend benötigt

Doch während der Ausbau von Windkraft und Photovoltaik allmählich voranschreitet, wurde ein entscheidendes Element dieser Energiewende bislang viel zu wenig mitgedacht: Wie kann die durch Wind und Sonne erzeugte Energie so gespeichert werden, dass sie auch dann verfügbar ist wenn sich gerade kein Lüftchen regt oder die Sonne sich nicht blicken lässt? Zu diesem Schluss kamen einhellig die geladenen Experten, die am Mittwoch im Ausschuss für Wirtschaft und Energie im Landtag den Abgeordneten fachliche Fragen beantworteten.

Speicher-Forschung läuft auf Hochtouren

Das Speichern von Strom ist bislang nicht über längere Zeit möglich. Projekte, die an Lösungen dazu forschen, gibt es in NRW aber einige. An zahlreichen Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten im Land wird derzeit unter Hochdruck zum Thema Energiespeicher geforscht - etwa an den Unis in Aachen, Duisburg, Dortmund und Münster, aber auch am Fraunhofer UMSICHT, am Zentrum für Brennstoffzellentechnik, am Wuppertal Institut oder am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

"Der wachsende Speichermarkt mit seinen Potentialen kann Zugpferd einer klimaneutralen Wirtschaft der Zukunft sein", argumentiert die FDP-Fraktion im Landtag, die die Sitzung beantragt hatten. Doch bisher lahmt dieses Pferd noch bedenklich.

Großspeicheranlagen in alten Kohlekraftwerken

Stillgelegtes Braunkohlekraftwerk Neurath

Stillgelegtes Braunkohlekraftwerk Neurath

Eine offenbar vielversprechende Technologie ist der Umbau von Kohlekraftwerksstandorten zu Großspeicheranlagen. In Hamm und Neurath etwa plant RWE Batterie-Großspeicher mit insgesamt 220 Megawatt Gesamtkapazität. Ab Mitte des Jahres sollen sie nach Angaben der Landesgesellschaft "NRW.Energy4Climate" Energie zur Stabilisierung des Stromnetzes "sekundenschnell bereitstellen". Diese Großspeicher halten den Strom aber im Durchschnitt nur zwei Stunden lang.

Eine weitere Technologie sind sogenannte Wärmespeicherkraftwerke. Hier soll überschüssiger Strom in Hochtemperaturwärme - bis etwa 560°C in Flüssigkeiten oder bis 1000°C in Feststoffen - umgewandelt werden, um ihn so speichern zu können. Bei Bedarf wird die gespeicherte Energie dann mit Hilfe einer Wärmekraftmaschine in nutzbaren Strom zurückverwandelt. Wärmespeicherkraftwerke könnten Strom auf diese Weise bis zu 16 Stunden lang vorhalten.

Solarpark RWE am Tagebau Inden

Solarpark RWE am Tagebau Inden

RWE betreibt am Braunkohletagebau Inden einen "Solarpark": 26.500 Solarmodule erzeugen Sonnenenergie, die in daneben aufgebauten Batteriespeichern allerdings auch nur bis zu zwei Stunden lang bereitgehalten werden kann.

Energierecht kennt Speicher noch nicht

Doch bis zur flächendeckenden Umsetzung solcher Speichertechniken ist es offenbar noch ein weiter Weg. Eine der größeren Hürden dabei sei die Rechtslage, sagte Urban Windelen vom Bundesverband Energiespeichersysteme (BVES). Das geltende Energierecht sei vor allem auf fließende Energie ausgerichtet. "Die Rolle von Speichern ist darin bis heute relativ unbekannt", beklagte Windelen.

Doppelte Kosten für gespeicherten Strom

Speicher würden vom aktuellen Gesetz noch als Verbraucher betrachtet. Jede aus einem Speicher wieder abgegebene Kilowattstunde Strom gelte absurderweise als "erzeugt" - was unter anderem zu doppelten Netzentgelten führe. "Das kann wirtschaftlich nicht funktionieren", so Windelen, das Energierecht müsste schnellstens auf neue Bedingungen hin überarbeitet werden.

Weitgehend einig waren sich die Experten, dass Anreize für Investoren für jegliche Art von Speichertechniken geschaffen werden müssten. So sollten die Betreiber von Speichern keine Netzentgelte und keine Gebühren für den Netzanschluss zahlen müssen. Kommunen müssten finanziell "vernünftig ausgestattet werden", Bund und Länder intensiver zusammenarbeiten, sagte Simon Müller, Direktor der Initiative "Agora Energiewende" - "ein verdammt dickes Brett".

Stromspeicherbedarf für NRW noch nie ermittelt

Wie viel Strom regelmäßig in Speichern zur Verfügung stehen müsste, um NRW zu versorgen, ist bislang allerdings nicht ermittelt. Das müsse schleunigst geschehen, so der Tenor der Experten. Nach einer Prognose des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme aus dem Jahr 2022 könnte der Speicherbedarf in NRW 2030 bei 9,4 Gigawatt liegen, bis 2045 stiege er demnach auf 16,2 Gigawatt. Zum Vergleich: Braunkohlekraftwerke in NRW Ende produzierten Ende des Jahres 2021 knapp 20 Gigawatt Strom.

Reinhard Müller-Syhre von der "Gesellschaft für Fortschritt in Freiheit", der ausschließlich vom AfD-Abgeordneten befragt wurde, warnte vor den Gefahren von Großspeichern und stellte düstere Rechnungen auf: Für die benötigten Mengen Strom müsste ein Zuleitungskabel aus Kupfer 36 mal 36 Meter dick sein, die Herstellung würde den weltweiten Kupfermarkt lahmlegen. Er verwies auf die Explosionskraft eines Großspeichers, "ein Zehntel der Hirsohima-Bombe". Während einige der anderen geladenen Experten die Augen verdrehten, zuckte Müller-Syhre mit den Schulter: "Das ist einfach nur Physik."