"Ende Gelände" auch in NRW unter Extremismus-Verdacht
Stand: 19.06.2024, 14:00 Uhr
"Ende Gelände" wird vom Verfassungsschutz im Bund als linksextremistischer Verdachtsfall geführt. Die Behörde in NRW sieht ebenfalls eine Radikalisierung der Klimaaktivisten.
Von Martin Teigeler
Auch in Nordrhein-Westfalen ist das Klimaschutz-Bündnis "Ende Gelände" als "linksextremistischer Verdachtsfall" eingestuft. Dies teilte eine Sprecherin von Innenminister Herbert Reul (CDU) am Mittwoch in Düsseldorf auf WDR-Anfrage mit. Grund sei unter anderem "eine Radikalisierung der Protestformen".
Erst am Dienstag hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für 2023 mitgeteilt, dass "Ende Gelände" zum Verdachtsfall erklärt wurde. Im NRW-Verfassungsschutzbericht für letztes Jahr war "Ende Gelände" zwar im Kapitel "Linksextremismus" erwähnt worden - aber nicht als Verdachtsfall.
Dem NRW-Verfassungsschutz lägen mittlerweile "verdichtete tatsächliche Anhaltspunkte" für den Verdacht vor, dass "linksextremistische Akteure" die grundsätzlich legitimen Proteste der Klimaschutzbewegung "instrumentalisieren, um ihre tatsächlich verfassungsfeindliche Agenda zu verfolgen und dies zu verschleiern", sagte die Sprecherin des Innenministeriums in Düsseldorf.
Wegen der Einflussnahme durch die Interventionistische Linke habe man "Ende Gelände" zunächst als "linksextremistisch beeinflusst" bewertet, hieß es weiter. Zunehmend aber habe sich "Ende Gelände" als "Kooperationspartner für Angehörige des autonomen und dogmatischen Linksextremismus und eigenständiger linksextremistischer Akteur etabliert".
Systematische Beobachtung
Laut NRW-Verfassungsschutz will "Ende Gelände" die "Gesellschafts- und Machtverhältnisse insgesamt und damit die freiheitliche demokratische Grundordnung" verändern. Im Rahmen der Verdachtsfallbearbeitung könne "Ende Gelände" systematisch beobachtet werden.
Damit können die Inlandsgeheimdienste im Bund und in Nordrhein-Westfalen zur Beurteilung der Aktivitäten nun auch nachrichtendienstliche Mittel nutzen, wie etwa Observation oder Informanten.
Im Bundes-Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2023 ist von einer "Verschärfung von Aktionsformen bis hin zur Sabotage" die Rede. Grundsatzpapiere von "Ende Gelände" lassen nach Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz zudem "deutlich eine Radikalisierung im Hinblick auf die vorherrschenden ideologischen Positionen der Gruppierung erkennen".
Maßgebliche Rolle bei Klimaprotesten
Im April hatten rund 100 Klimaaktivisten der Gruppe in Gelsenkirchen das Uniper-Steinkohlekraftwerk Scholven blockiert. Auch bei den massiven Klimaprotesten im rheinischen Braunkohle-Revier hatte "Ende Gelände" eine führende Rolle gespielt.
In einer Stellungnahme, die am Dienstag von "Zeit Online" zitiert wurde, wies "Ende Gelände" die Vorwürfe zurück und kritisierte den Inlandsgeheimdienst. Der Verfassungsschutz sei "eine Institution mit rechter Geschichte, die gerne linke Gruppen kriminalisiert".
Grüne: Bewegung nicht "insgesamt kriminalisieren"
Was sagen die Grünen, die in NRW mitregieren, aber sich auch als politische Verbündete der Klimaschutzbewegung sehen? Dorothea Deppermann, Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion für Verfassungsschutz und Demokratie, sagt: "Gewalt ist kein legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung und es ist besorgniserregend, dass Teile der Klimaschutzbewegung dennoch zu Straf- und Gewalttaten greifen." Keinesfalls aber dürfe die Klimaschutzbewegung "insgesamt kriminalisiert oder als verfassungsfeindlich dargestellt werden".
Der Protestforscher Simon Teune glaubt nicht, dass die Einstufung von "Ende Gelände" als Verdachtsfall dazu führen wird, "dass sich die Leute massenhaft von der Gruppe distanzieren oder umgekehrt, dass 'Ende Gelände' jetzt in den Untergrund geht". Die Notwendigkeit eines Systemwandels werde in der Klimabewegung "breit geteilt" und die Gruppe nutze seit Jahren "Politikkonzepte wie Aktionen zivilen Ungehorsams, die sie unabhängig von den Aktivitäten des Verfassungsschutzes weiter verfolgen werden".