Kurt Goldstein, Journalist und Ehrenpräsident des Internationalen Auschwitz- Komitees

Holocaust-Überlebender und Kommunist: Warum AfD und CDU gegen die Kurt-Goldstein-Straße stimmen

Stand: 04.12.2023, 16:49 Uhr

In Dortmund ist Streit um einen Straßennamen entbrannt. Es geht um den in Dortmund geborenen Kurt Goldstein - Überlebender des Holocausts, aber auch Funktionär in der DDR.

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Die Benennung neuer Stichstraßen ist eher selten Thema politischer Berichterstattung. Doch der Fall in Dortmund Gevel ist anders gelagert. Als an Halloween dieses Jahres die für den Stadtteil zuständige Bezirksvertretung tagt, soll die Straße ihren neuen Namen bekommen. Das Tiefbauamt schlägt den Namen "Kurt-Goldstein-Straße" vor.

Kurt Goldstein war ein jüdischer Überlebender des Holocausts, ein Träger des Bundesverdienstkreuzes und Ehrenvorsitzender des Internationalen Ausschwitz-Komitees. Der 2007 verstorbene Goldstein war in Dortmund-Scharnhorst geboren, sein Hauptwirken fand jedoch in der DDR statt.

CDU wird nach AfD-Hinweisen aufmerksam

Dieser Teil seiner Biografie störte in der Halloween-Sitzung die AfD: Sie verwies darauf, dass Goldstein 1951 in die DDR migrierte, dort lange Intendant des regimetreuen Senders "Stimme der DDR" war und bis zum Tod die Idee eines sozialistischen deutschen Staates für die bessere hielt.

Das wiederum machte die CDU hellhörig: Sie bat um Vertagung der Abstimmung, um mehr über Goldstein in Erfahrung zu bringen. Dieser Bitte entsprachen die anderen Fraktionen - und nun soll am Dienstag abgestimmt werden, nachdem das Dortmunder Stadtarchiv weitere Informationen zu dem Fall gegeben hat.

Diese aber reichen der CDU nicht aus - man werde gegen den Straßennamen stimmen. CDU-Bezirksvorsteher Jürgen Focke sagt, dass Goldstein den "Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze kleingeredet hat, Stasi und Unterdrückung ausgeblendet und bis zu seinem Tod die DDR für den besseren deutschen Staat gehalten hat".

Viel Kritik an CDU-Ablehnung

Auf Nachfrage des WDR sagt Focke, er beziehe sich auf Presseberichterstattung - vor allem auf ein Interview mit "der tageszeitung" von 2004, in dem Goldstein tatsächlich den Kapitalismus als System ablehnt und deutlich von sich weist, dass er von dem Stasi-Unrecht wusste. Er begründete dort auch, warum er die DDR für den besseren Staat hielt: "Weil ich es jeden Tag vor Augen habe, dass der Kapitalismus die Probleme nicht lösen kann oder sie nur auf Kosten der Menschen löst". Auch habe er immer mit der "Stasi Ärger gehabt", sagte Goldstein damals.

CDU-Mann Focke will dennoch in Dortmund keine Straße nach einem möglichen Mitwisser des DDR-Regimes benannt sehen. Die Partei schlägt deshalb eine Benennung nach Kurt Lichtenstein vor, ebenfalls ein ehemaliger Kommunist. Aber einer, der zu Lebenszeiten mit dem kommunistischen System gebrochen habe und - anders als Goldstein - im Ruhrgebiet tätig war.

Eine Mehrheit für diesen Vorschlag ist aber unwahrscheinlich. Was vor allem mit dem Ursprung der Debatte zu tun hat - und selbst in der Düsseldorfer Landespolitik inzwischen manche beschäftigt. Weil es eben die AfD war, welche die CDU auf Goldsteins - öffentlich bekannte - Vita aufmerksam machte. Und eben weil in der Bezirksvertretung Scharhorst ausgerechnet Matthias Helferich die AfD vertritt, der sich einst in Chats als das "freundliche Gesicht des NS" bezeichnete.

Selbst Ultrarechten in der AfD ist Helferich zu rechts, seit Jahren versucht die Landespartei Helferich loszuwerden, bisher ohne Erfolg. "Die CDU in der Bezirksvertretung Scharnhorst lässt sich mit ihrer Ablehnung der Straßenwidmung vor den Karren des AfD-Vertreters Matthias Helferich spannen", schreibt deshalb die Dortmunder SPD-Landtagsabgeordnete Nadja Lüders. "Damit zeigt die lokale CDU, dass mit ihr kein Antifaschismus zu machen ist", so Lüders weiter.

CDU und AfD dementieren Zusammenarbeit

Auch die Grünen vor Ort sind irritiert. Man sei sich bewusst, dass Kurt Goldstein keinen "sauberen" Lebenslauf aufweise. Dennoch werde man der Umbenennung zustimmen. Dass Goldstein sich zeitlebens an der Bundesrepublik rieb, sei nicht ehrenrührig gewesen sein, er verdiene den Straßennamen, teilen die Dortmunder Grünen auf Anfrage mit.

Mit diesen Aussagen sollte dann der Kurt-Goldstein-Straße nichts mehr im Weg stehen. Gemeinsam mit der Linken haben SPD und Grüne eine sichere Mehrheit in der Bezirksvertretung. Dennoch bleibt die Frage nach dem Abstimmungsverhalten der CDU und einer möglichen Kooperation mit der AfD. Jürgen Focke sagt zwar, man habe mit der AfD zu keinem Zeitpunkt gemeinsame Sache gemacht - auch die AfD bestätigt dies in einem schriftlichen Statement. Aber selbst in Düsseldorfer CDU-Kreisen hat man den Fall zumindest mit Unbehagen registriert. "Man könne sich in so einer Abstimmung auch enthalten", sagt hinter vorgehaltener Hand ein CDU-Landespolitiker.

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