Ein PKW fährt am 10.02.2012 in Duisburg (Nordrhein-Westfalen) an einem Blitzgerät der Polizei vorbei.

Warum kleinere Städte eigene Blitzer anschaffen wollen - aber bisher nicht dürfen

Stand: 26.02.2023, 21:14 Uhr

In NRW dürfen nur Städte mit mehr als 60.000 Einwohnern blitzen. Der Städte-und Gemeindebund fordert dies seit Jahren auch für kleinere Städte. Jetzt könnte Bewegung in die Sache kommen.

Von Tim Köksalan

Ein ganz normaler Morgen vor dem Schulzentrum an der Moerser Straße in Kamp-Lintfort. Insgesamt 2.300 Schülerinnen und Schüler werden an den drei Schulen unterrichtet. Viele müssen vor Unterrichtsbeginn die viel befahrene Straße überqueren. "Obwohl hier Tempo 30 gilt, fahren viele zu schnell", sagt Schülerlotsin Aleah Kulic. Die 14-Jährige fände es gut, wenn hier häufiger das Tempo kontrolliert würde.

Kleine Städte haben kaum Möglichkeiten

Auch die Stadt hat bei Probemessungen vor der Schule auf der Moerser Straße festgestellt, dass über 80 Prozent der Fahrzeuge zu schnell unterwegs sind. Diese Messungen wurden an die Polizei übergeben - mehr Möglichkeiten hat die Stadt aktuell nicht. Weil sie nur 38.000 Einwohner hat, darf sie nicht selbst blitzen. Das dürfen nur Städte mit mehr als 60.000 Einwohnern.

Für Geschwindigkeitskontrollen in kleineren Städten wie Kamp-Lintfort sind die Polizei und der jeweilige Kreis zuständig. Das ist in diesem Fall der Kreis Wesel. Doch der hat für Beschwerden aus den 13 Kreisstädten gerade einmal 4 mobile Blitzer zur Verfügung.

Martin Notthoff, Kämmerer Kamp-Lintfort

Martin Notthoff

Auf der Moerser Straße habe die Polizei bisher nur vereinzelt und mit längeren Pausen kontrolliert, sagt Kamp-Lintforts Ordnungsdezernent und Kämmerer Martin Notthoff. So stelle sich keine Verhaltensänderung bei den Fahrerinnen und Fahrern ein. Kamp-Lintfort schaut daher etwas neidisch auf die drei Städte im Kreis mit mehr als 60.000 Einwohnern.

Blitzen für mehr Sicherheit oder die Stadtkasse?

Nicole Ruthert, Leiterin des Ordnungsamtes Wesel

Nicole Ruthert

Wesel liegt mit 60.688 Einwohnern knapp über dem Limit, das eigenständiges Blitzen erlaubt. "Wir sind vor Ort und kennen die Gefahrenpunkte und bekommen auch viele Hinweise aus der Bevölkerung," sagt die Leiterin des Ordnungsamtes, Nicole Ruthert. "Auf die können wir mit unserer eigenen Technik flexibel reagieren." Mehr als 20.000 mal haben die zwei mobilen Blitzer der Stadt Wesel im vergangenen Jahr ausgelöst. Das spülte rund eine Million Euro in die Stadtkasse. Trotzdem liege der Fokus klar auf der Verkehrssicherheit, sagt Ruthert. "Der Lerneffekt stellt sich bei vielen eben doch erst beim Griff in den Geldbeutel ein."

Verkehrspsychologen wie Michael Haeser stützen diese Argumentation: Angemessene Fahrweise stelle sich vor allem durch Gewohnheit ein, sagt er. "Wenn ich immer wieder an unterschiedlichen Punkten mit einer Kontrolle rechnen muss, fahre ich auf Dauer langsamer", so Haeser.

Der ADAC und auch die Gewerkschaft der Polizei haben dagegen Bedenken, dass auch kleinere Städte blitzen dürfen. Beide argumentieren ähnlich: Die Gefahr sei zu groß, dass am Ende doch die finanziellen Interessen in den Kommunen überwiegen. Auch der Landkreistag NRW sieht die Zuständigkeit bei Polizei und Kreisen gut aufgehoben. Durch die Vernetzung beider Behörden habe man einen guten Überblick über die Unfallschwerpunkte und könne die Kontrollen einheitlich und rechtssicher durchführen, heißt es.

Schwarz-Grün offen für Gesetzesänderung

Ina Besche-Krastl, Grünen-Landtagsabgeordnete

Ina Besche-Krastl

Trotzdem könnte unter der schwarz-grünen Landesregierung jetzt Bewegung in die Sache kommen. In der Koalition scheint man für die Forderung des Städte- und Gemeindebundes offen zu sein. Die Grünen positionieren sich klar für mehr Blitzer in kleineren Städten. "Wir haben uns da auch in der letzten Wahlperiode schon stark für gemacht", erklärt Ina Besche-Krastl. Sie sitzt für die Grünen im Verkehrsausschuss und betont, gerade im innerstädtischen Bereich müsse alles unternommen werden, um die Sicherheit für die schwächsten Verkehrsteilnehmer zu stärken.

Die Fraktion des größeren Koalitionspartners CDU hat sich zwar noch nicht abschließend abgestimmt, deren innenpolitischer Sprecher Christos Katzidis würde eine entsprechende Änderung aber durchaus mittragen, "weil dadurch Aufgaben auf mehrere Schultern verteilt werden".

NRW würde damit dem Beispiel anderer Bundesländer folgen: In Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz oder Niedersachsen etwa können auch kleinere Städte das Blitzen ermöglichen. In Kamp-Lintfort hoffen sie, dass die Regeln auch in NRW gelockert werden. Das bedeute aber nicht automatisch, dass dann an jeder Ecke eine Radarfalle stehen wird, betont Ordnungsdezernent Notthoff. Angesichts der Anschaffungskosten von rund 150.000 Euro für einen mobilen Blitzer wäre man mit einem Gerät erstmal ganz zufrieden.

Über dieses Thema berichten wir am 26.02.2023 im WDR Fernsehen im Magazin Westpol.

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