NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) hat einen Entwurf vorgestellt, der die Abwassergebühren in NRW auf eine neue gesetzliche Grundlage stellt. Es ist eine Reaktion auf ein OVG-Urteil zu den Abwassergebühren vom Mai. Ein Urteil, das die Berechnungsgrundlage vieler Kommunen infrage stellte und weitreichende Folgen für die Bürgerinnen und Bürger und die Haushalte der Kommunen hat.
Der Städte- und Gemeindebund NRW hatte im Mai betont, alle Gebühren im Einklang mit dem Kommunalabgabengesetz NRW erhoben zu haben. Damit lag der Ball im Spielfeld der Ministerin.
Höhe der künftigen Gebühren offen
Darum hat die Landesregierung nun nachgebessert und einen Gesetzentwurf beschlossen. Ob das für die einzelnen Haushalte künftig mehr oder weniger Gebühren bedeutet, lässt sich aus dem Entwurf nicht ableiten. Kommunalministerin Scharrenbach geht aber davon aus, dass die Abwassergebühren gleich bleiben werden.
Die Räte sollen mit dem neuen Gesetz Klarheit bekommen, welche Kosten sie bei der Gebührenrechnung berücksichtigen dürfen. Neu ist, dass künftig nur noch betriebsnotwendiges Kapital bei der Verzinsung berücksichtigt werden darf. Und bei der Berechnung der Zinswerte wird nicht mehr ein Zeitraum von 50, sondern nur noch von 30 Jahren zugrunde gelegt werden dürfen. Das OVG hatte in seinem Urteil jedoch einen Zeitraum von 10 Jahren für angemessen gehalten. Diese Diskrepanz kritisierte am Donnerstag der Bund der Steuerzahler. "Wir befürchten, dass die Gebührenzahler bei weitem nicht in dem Umfang entlastet werden, den das Urteil erwarten ließ", erklärte der Bundesvorsitzende Rik Steinheuer.
Der Entwurf soll nächsten Mittwoch in den Landtag eingebracht und noch in diesem Jahr verabschiedet werden.
Große Bandbreite bei Abwassergebühren in NRW
Wie hoch die Abwasser-Gebühren in den jeweiligen Orten ausfallen, hängt von vielen Faktoren ab. Das zeigt auch ein Blick auf die aktuellen Gebühren in NRW - die Bandbreite reicht von 287,10 Euro in Reken bis zu 1.356 Euro in Monschau.
Das OVG-Urteil
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (AZ: 9 A 1019/20) in Münster im Mai 2022 war ein Paukenschlag: In einem Musterverfahren hatte ein Gebührenzahler aus Oer-Erkenschwick mit Unterstützung des Bunds der Steuerzahler gegen einen Abwasser-Gebühren-Entscheid aus dem Jahr 2017 geklagt. Das Gericht stellte fest, dass der Bescheid rund 18 Prozent zu hoch war wegen falscher Berechnungsgrundlagen. Unter anderem waren die Zinsen viel zu hoch angesetzt. Damit änderte das OVG seine seit 1994 vertretene Rechtsansicht. Sie betrifft, um genau zu sein, die kalkulatorische Abschreibung und Verzinsung von sogenannten langlebigen Anlagegütern, wie den Abwasserkanälen.
Das OVG hatte keine Revision zugelassen, aber die Stadt Oer-Erkenschwick hat von ihrer Möglichkeit Gebrauch gemacht, beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde einzulegen. Das Gericht in Leipzig hat bislang noch nicht über die Beschwerde (AZ: BVerwG 9 B 15.22) entschieden. Damit ist das OVG-Urteil noch nicht rechtskräftig oder wie Kommunalministerin Scharrenbach sagt: "Alles schwebt."
Mit dem Urteil wurde nicht nur der überhöhte Gebühren-Bescheid aus Oer-Erkenschwick weggespült, sondern aus allen Kommunen, die so wie die Stadt im Ruhrgebiet kalkuliert hatten. "Das waren die allermeisten in NRW", sagte Sabine Büttner vom Bund der Steuerzahler im WDR. Wahrscheinlich wurden über viele Jahre in weiten Teilen des Landes zu hohe Gebühren berechnet.
Kanalnetz braucht Erneuerung
Scharrenbach nannte auch einige Eckdaten zum Kanalnetz in Deutschland: Es umfasse rund 600.000 Kilometer und in den Großstädten sei es im Durchschnitt 56 Jahre alt, teils sogar schon über 100 Jahre. Der Wiederbeschaffungszeitwert für das gesamte Netz sei mit bis zu 700 Milliarden Euro zu veranschlagen. Bundesweit müssten jährlich sechs bis acht Milliarden Euro in das Netz investiert werden - davon rund 20 Prozent in NRW. Verbrauchsabhängige Abwassergebühren seien also notwendig, um die Kanäle instandzuhalten, betonte die Ministerin.